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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

DFB-Pokal

Gut, daß es den DFB-Pokal gibt

Oliver Fritsch | Freitag, 23. Dezember 2005 Kommentare deaktiviert für Gut, daß es den DFB-Pokal gibt

Udo Muras (Welt) freut sich über beste Fußball-Unterhaltung: „Der Pokal ist also wieder wer. Vorbei die Zeit, als die Stunde der Reservisten schlug. Das leisten sich nur noch die wenigsten Trainer, und schon gar nicht mehr in diesem Stadium des Wettbewerbs. Natürlich liegt das mit an der Aufwertung durch lukrative Garantiesummen fürs Weiterkommen und Fernsehübertragungen. Aber vielleicht erkennen die großen Vereine, daß sie hier zum Glück gezwungen worden sind. So wie sie hoffentlich erkennen, daß sie nicht nur für sich selbst spielen. Der Pokal wird von den Fans wieder angenommen wie zu allerbesten Zeiten. (…) Gut, daß es den DFB-Pokal gibt.“

Ante-S.-Pokal

Klaus Hoeltzenbein (SZ) versucht, alle Fußball-Meldungen, Spiele und Kopfstöße vom Mittwoch unter einen Hut zu kriegen: „Die Energie des Mittwochs ging drauf für das Erlernen jener neuen Vokabeln, die der Bundesliga frische Millionen bringen: Arena, Unity Media, cross-mediale Vermarktung, Tele Columbus, Iesy und Ish. Doch nur wer Iesy wie Ish umdribbelte, sich durchkämpfte bis zur Fußnote des TV-Kontraktes, der fand versteckt die große Botschaft: betandwin, ein Sportwettenanbieter aus Wien, erwirbt und makelt die Auslandsrechte der Bundesliga. Künftig lässt sich die Liga zum Beispiel in Asien, dem Welthandelszentrum der Zockerei, nur noch von Experten vertreten. Hätte es eine treffendere Pointe für das Sportjahr 2005 geben können? Für das Schiedsrichter- und Wettskandaljahr, das im Januar mit der Enttarnung von Robert Hoyzer begann und im November mit dessen Verurteilung endete? Dass der deutsche Fußball zockertauglich ist, bestätigte er im Pokal. Denn was gibt es für den Profi Schöneres, als eine Halbzeit-Endstand-Wette wie diese: Erstligist (Hertha) führt 2:1, Drittligist (Pauli) siegt 4:3? Oder so eine Live-Wette: Hält der Feldspieler den Elfmeter? Wohlgemerkt, betandwin erwarb die Auslandsrechte der Liga, noch nicht die des DFB-Pokals, in dem der Wettskandal begann. Sollte es je dazu kommen, wäre eine Umbenennung schon aus Dankbarkeit geboten: In Ante-S.-Pokal.“

FC St. Pauli–Hertha BSC Berlin 4:3 n.V.

Old School

St. Pauli kämpft und siegt – ein Fest für Romantiker. Jörg Marwedel (SZ) kämpft mit den Tränen: „Erlebt hatten die Zuschauer ein Kampfspiel mit einer ganz eigenen Poesie. Mit Millerntor-Poesie, die noch kein Stück erreicht hat, das Theaterboss Littmann auf die Bühne von ‚Schmidt’s Tivoli’ an der Reeperbahn gebracht hat, und die stark an die Atmosphäre beim legendären 2:1 gegen den FC Bayern am 6. Februar 2002 erinnerte. Es war ein Abend, an dem man fühlen konnte, was dem großen Fußball in Deutschland fehlt, seit der Hamburger Stadtteilklub vor zweieinhalb Jahren in die dritte Liga abgestürzt ist. (…) Die Spieler des Regionalliga-Dritten haben mit ihrem grandiosen Auftritt Bewerbungen für eine höhere Spielklasse abgegeben.“ René Martens (FTD) feiert einen Sieg der Fußball-Kultur: „Es macht einen Unterschied, ob man vor der stimmungsvollen Kulisse einer modernen Arena spielt oder vor einem bis zum letzten VIP-Fan völlig entfesselten Old-School-Publikum, das trotz aller sportlicher Demütigungen der letzten Jahre weiterhin willens und in der Lage ist, ein Spiel gegen einen vermeintlich übermächtigen Gegner maßgeblich zu beeinflussen. Die Berliner scheiterten, weil sie der Leidenschaft St. Paulis nicht gewachsen waren – vielleicht auch nicht gewachsen sein konnten, weil sie eher wie eine Abteilung qualifizierter Angestellter wirken, aber nicht wie eine Mannschaft.“ Frank Heike (FAZ) sagt Hertha Tschüs: „Hertha hat in den vergangenen zwanzig Jahren genau einmal das Viertelfinale erreicht. Sonst war immer früher Endstation im Pokal. Andere fahren nach Berlin, die Hertha bleibt dort.“

Hannover 96–Werder Bremen 1:4

Epischer Sieg

Javier Cáceres (SZ) schreibt: „Hannover hatte mit einer an Real Madrid gemahnenden Masse an Offensivkräften nach einem epischen Sieg getrachtet und sich auch Chancen erspielt. Doch die taktisch reiferen Bremer hatten stets die Gewissheit, mit wohltemperierten Kontern Panikschübe bei 96 zu provozieren. Erst als Markus Merk auf Nummer sicher gehen wollte, auch wirklich in der Sportschau erwähnt zu werden, und einen weiteren hanebüchenen Elfmeter verhängte, kam Hannover zu einem Treffer.“

Welt-Interview mit Torsten Frings

Eintracht Frankfurt–1. FC Nürnberg 5:2 n.V.

Wille, Konzentration und Glück

Ein Hoch auf die Eintracht von Detlef Esslinger (SZ): „Die Zuschauer bekamen viel geboten, eigentlich alles – abgesehen vielleicht von einem schönen Spiel. Ein klassischer Pokalkampf war es, in dem nicht fußballerische Momente, sondern die Mischung aus Willen, Konzentration und Glück den Ausschlag gab. Es sah zunächst danach aus, als bahne sich eine klare Sache an, als strebe Nürnberg die unmittelbare Nachfolge des FC Schalke an, der hier ein 0:6 geschehen ließ: Kurzpass-Spiel am eigenen Strafraum, Rückgaben in Form von Bogenlampen, Fehlpässe als Aufforderung zum Konter; die Gäste erweckten den Eindruck, als wollten sie eigentlich nicht groß stören. (…) Die Gastgeber haben ein Jahr hinter sich, das ihnen selbst noch ein wenig unheimlich ist: erst die Aufholjagd in der Rückrunde der zweiten Liga, jetzt Platz zehn nach der Hinrunde in der ersten Liga, neun Punkte von den Abstiegsplätzen entfernt (…) Dieser Trainer und diese Mannschaft sind zu einer wirklichen Einheit verschmolzen in diesem erhebenden Jahr.“

Bayern München–Hamburger SV 1:0 n.V.

Verkopfte Partie

Die Pokalpartie, ein Spiegel der Bundesligatabelle – Elisabeth Schlammerl (FAZ): „Der Hamburger SV sieht sich in der Rolle des ersten Herausforderers des deutschen Meisters – und wird auch von den Münchnern so betrachtet. ‚Die Mannschaft war besser als Juventus Turin’, sagte Magath. Die Hanseaten haben gezeigt, was sie so erfolgreich werden ließ in dieser Saison – und warum sie dennoch nicht ganz rankommen an die Bayern. Die Viererkette ist vielleicht die beste in der Bundesliga und war selbst für die Münchner schwer zu knacken. Im sicheren Gefühl, hinten kaum einmal in brenzlige Situationen zu geraten, lauern die Hamburger mit erstaunlicher Ruhe und Abgebrühtheit auf ihre Chancen in der Offensive. Am Mittwoch aber haben sie zuwenig gelauert. Womöglich hatten sie einfach zu großen Respekt vor den Bayern. Das unterscheidet den Ersten der Bundesliga vom Zweiten. Die Münchner haben in dieser Vorrunde nie an sich gezweifelt.“ Andreas Burkert (SZ) applaudiert dem Hamburger Tormann: „Sascha Kirschsteins Reflexe zählten neben Hargreaves’ Siegtor und einigen netten Rangeleien zu den raren Höhepunkten einer reichlich verkopften Partie.“

Tsp: Sascha Kirschstein handelt sich Lob vom FC Bayern ein – und das entscheidende Tor

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