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Der Staat als Anbieter von Sportwetten ist ein schlechter Witz

Oliver Fritsch | Freitag, 11. August 2006 Kommentare deaktiviert für Der Staat als Anbieter von Sportwetten ist ein schlechter Witz

Der Freistaat Sachsen hat Bwin die Lizenz entzogen, damit hat die Diskussion der letzten Wochen um Sportwetten und Werbung für Sportwetten Dynamik erhalten. Viele Kommentatoren werfen den Politikern, die das Wettmonopol für den Staat sichern wollen, Scheinheiligkeit vor, etwa Wolfgang Hettfleisch (FR/Politik): „In einem preiswürdigen Wettheucheln werden hehre Ziele insinuiert, wo es in Wahrheit um Bares und Pöstchen geht. Und die Privaten kriegen Saures. Bis die EU dem Spuk ein Ende macht, wird schon noch ein bißchen was zu verdienen sein.“ Die FAZ/Wirtschaft lehnt vehement den Staat als Wettanbieter ab, erst recht als einzigen: „Zieht man die pseudopaternalistischen Scheinargumente der staatlichen Wettanbieter ab, so bleibt die triste Tatsache, daß der Staat eine zusätzliche Einnahmen- und Proporzmaschine dem Zugriff des Wettbewerbs entziehen will, sonst nichts. Wer Spielsucht verhindern will, darf nicht selbst Spiele anbieten und daran verdienen; wer sie kanalisieren will, soll private Anbieter regulieren; wer an ihr verdienen will, soll Steuern erheben. In anderen Bereichen der menschlichen Schwächen wird dies schon längst so gehandhabt – deswegen gibt es keine staatlichen Schnapsläden und keine Bundeszigarettenmanufaktur. Der Staat als Anbieter von Sportwetten ist ein schlechter Witz.“

Lärmende Sportlobby

Doch es gibt auch Verständnis für die Entscheidung Sachsens und den Willen anderer Politiker, etwa Edmund Stoiber (von dem wir gerne wissen würden, ob er seine Ablehnung gegen private Wettanbieter auch hegen würde, wenn Bayern München, Werbepartner: Oddset, davon betroffen wäre), den Willen anderer Politiker also, Werbung für Bwin radikal zu unterbinden; Jakob Schlandt (BLZ/Politik) hat die Süchtigen und die potentiell Süchtigen im Auge: „Das mutige Vorgehen der Länder ist letztlich konsequent. Schließlich wird damit ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, das sich nach jahrelanger Rechtsunsicherheit im März dieses Jahres endlich mit dem Thema befaßt hat. Ein Blick nach Großbritannien, wo sich Kasinos, Wettbüros und Bingoläden fast unbehindert von staatlicher Regulierung breit gemacht haben, könnte den Marktapologeten die Lust am ungehemmten Spiel verderben. Dort locken hohe Gewinnquoten, wie sie das staatliche Angebot auf Grund der hohen Abgaben niemals bieten kann, vor allem die Armen an – mit hohen sozialen Kosten, die letztlich die Gesellschaft tragen muß.“ Und Thomas Kistner (SZ/Politik) kann kein Mitleid mit den Geschädigten aus dem Sport empfinden: „Der Sportmarkt ist reich gesegnet mit potenziellen Rettern, die nun werbewirksam ins Finanzloch springen könnten. Und die Breitensportler? Sie sind nicht in der Existenz bedroht, wenn sie ihre Trikotsätze künftig etwas teurer erwerben müssen. Was ansteht, die Bereinigung der juristischen Grauzonen, die den Glücksspielmarkt ja wie ein undurchdringlicher Nebel einhüllen, kann am wenigsten von einer populistisch lärmenden Sportlobby geleistet werden. Zumal hier nicht mal mehr die Juristen durchblicken, sogar das Bundesverfassungsgericht hat eine windelweiche Sowohl-als-auch-Perspektive.“

FAZ: Sachsen entzieht Bwin die Lizenz – die Folgen für den Profifußball, den Amateurfußball und den anderen Sport
Welt: Ein guter Überblick mit kurzen Kommentaren über das Wettproblem
Panorama: Süchtige als Einnahmequelle – die Doppelmoral des Staates beim Glücksspiel (mit Video)

Opfer von Geldgier und leeren Versprechen

Ralph Kotsch (BLZ/Media) rügt die DFL dafür, daß sie das Live-TV-Recht an den Neuling Arena verkauft hat: „Die DFL verlor angesichts des Profit jeglichen Sinn für Realitäten. Acht Monate vor Saisonbeginn verkaufte sie die Pay-TV-Rechte an Arena, einen Anbieter, der Null Erfahrung im Geschäft hatte, keinen einzigen Kunden vorweisen konnte, ja nicht einmal die Möglichkeit, jeden Kunden in jedem Winkel des Landes wenigstens technisch zu erreichen. Die Telekom bekam die Internetrechte nur für Geld und gute Worte. Weder hatte sie zu dieser Zeit eine Sendelizenz noch die erforderliche Technik vorzuweisen. Das Ergebnis ist jetzt zu besichtigen: Millionen Menschen können Arena – selbst wenn sie wollten – nicht empfangen. Die, die es können, müssen sich in einer quälenden Prozedur unter zig technischen Varianten die für ihre Empfangsbedingungen passende heraussuchen: Satellit oder Kabel, bisher Premiere-Abo oder keins, Kabel-Deutschland-Kunde oder nicht. Gern wurde in der Vergangenheit beklagt, daß das sich das Bezahlfernsehen in Deutschland nur so schleppend entwickelt. Mit Arena dürfte das Geschäftsmodell bald völlig tot sein.“ Kotsch schlußfolgert: „Die Fußballfans sind Opfer von Geldgier und leeren Versprechen.“

FR-Interview mit dem DFL-Geschäftsführer Christian Seifert über die Probleme von Arena, den Wert der Marke Bundesliga, die Doppelmoral der Politik in der Wetten-Frage und Public Viewing
Welt: Beim Geldverdienen gibt England das Tempo vor – aus der Bundesliga ist längst ein Unterhaltungskonzern mit Milliardenumsatz geworden, die Vermarktung der Rechte im Ausland ist jedoch zweitklassig

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