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Bundesliga

Große Spielkunst, offensiver Charme

Oliver Fritsch | Montag, 22. September 2008 Kommentare deaktiviert für Große Spielkunst, offensiver Charme

Hoffenheim öffnet nach dem 4:1 gegen Dortmund Liebesbriefe der Presse; der Schwierigkeitsgrad der neuen Aufgabe Jürgen Klopps wird erst jetzt klar / Das Spitzenteam Wolfsburg siegt 3:0 gegen den Tabellenführer Hamburg / „Klinsmann ist bei den Bayern nur Trainer geworden, um sie im Rahmen der Unterwanderung zu ruinieren“ (Welt)

Die TSG Hoffenheim zerlegt Borussia Dortmund 4:1, und die Presse tänzelt ihr entgegen. Roland Zorn (FAZ) lässt sich bezirzen von der „Offensive des fußballerischen Charmes“, den Kopf verdrehen von den „frechen, jungen, taktisch Ia geschulten und spielstarken Badenern“ und umschmeicheln von „großer Spielkunst, die sich mit freudig betriebener Laufarbeit paart“.

Der Verlierer, auch im Duell mit Ralf Rangnick, ist Jürgen Klopp – der das Rückgrat hat, Fehler zu gestehen, etwa zu viel rotiert zu haben. Markus Lotter (Welt) beleuchtet das neue Umfeld Klopps und vergleicht es mit seinem alten: „In Mainz durfte Klopp noch vieles ohne die üblichen Konsequenzen falsch machen. Mainz war Kloppland, dem sympathischen Menschenfänger verfallen. Borussia Dortmund dagegen ist ein seit Jahren gepeinigter Riese, mit einem nervösen Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, einem zaghaft agierenden Manager Michael Zorc und einem Publikum, das glaubt, lange genug gelitten zu haben. Ähnlich wie Jürgen Klinsmann muss Klopp nun auf einer anderen Ebene den Nachweis erbringen, dass er nicht nur Stimmungsmacher, sondern Bessermacher ist.“ Dass Mainz Kloppland war, dafür hat Klopp aber auch einiges getan, etwa dem FSV drei Jahre Bundesligazugehörigkeit geschenkt.

0:2 gegen Udinese, 1:4 in Hoffenheim, doch den „Tiefpunkt der schwarzen Borussen-Woche“ macht die FAZ im Fan-Block aus: Auch der Dortmunder Anhang ist sich nicht zu schade gewesen, Dietmar Hopp zu schmähen. Ein Fan hielt ein Transparent mit der Aufschrift „Hasta la vista, Hopp“ hoch, auf dem der Milliardär im Fadenkreuz zu sehen war. Hopp war entsetzt, und die Dortmunder Führung entschuldigte sich. Obwohl mir Hopps Reaktionen manchmal dünnhäutig vorkommen – dieses Problem sollte man in der Debatte, ob man Investoren im Fußballland haben will, in jedem Fall berücksichtigen: Wer will schon Millionen in einen Verein investieren, um sich dann dauernd beschimpfen zu lassen? Und noch eine Frage, die auf der Hand liegt: Warum kühlen die ihren Mut an dem braven Hopp, und warum brüllt eigentlich keiner gegen Gasprom?

Topmannschaft siegt

3:0 schlägt Wolfsburg den (Ex-)Tabellenführer Hamburg, doch von einer Überraschung will Frank Heike (FAZ) nichts wissen, weil er in Wolfsburg hohe Qualität ausgemacht hat: „Es ist ja nur noch die verklärte Sichtweise vergangener Erfolge, den VfL schwächer zu wähnen als den HSV. Gelingt es Felix Magath, dem VfL die Selbstverständlichkeit einer Topmannschaft auch für Spiele in Bochum, Bielefeld oder Karlsruhe einzupflanzen, wird dieser VfL Wolfsburg um die ersten drei Plätze mitspielen.“ Jörg Marwedel (SZ) ergänzt: „Wolfsburg ist inzwischen ein Spitzenteam, dem HSV fehlt dazu noch ein Stück, so lange es die vielen Abwehrfehler gibt.“

HSV-Trainer Martin Jol hat nach dem Spiel gesagt: „Wir waren schüchtern.“ Süß. Er hat, laut FAZ, aber auch gesagt, dass er „so viel Mitsprache und Nachfragen der Journalisten“ aus seiner Zeit bei Tottenham nicht kenne. Jol hat das an und für sich offensichtliche Problem, dass er während der Saison teure Zugänge einzugliedern hat, weil der HSV erst Ende August auf dem Transfermarkt zuschlug. Das führt dazu, dass er sein (gewinnendes) Team während der Saison ändern muss, was ihm nun zum Vorwurf gemacht wird. Würde er die Wechsel unterlassen und Spiele verlieren, würden sich die gleichen Leute beschweren, warum er so viele Millionen auf der Bank versauern lasse.

Schwäbische Unterwanderung?

Oskar Beck (Welt) misst nochmals die Tiefe der Bayern-Wunde: „Dieses gefühlte 0:7 gegen die Bremer lässt die Sirenen lauter schellen als das von Beckenbauer als zusätzliches Ablenkungsmanöver ins Spiel gebrachte 0:7 gegen die Schalker anno 76 – damals hat so was in der Tat keiner ernst genommen, die Bayern waren die Nummer eins in Europa, sie bezogen den Landesmeistercup zu der Zeit im Abonnement und hatten an dem Tag halt keine Lust, aber sonst grundsätzlich alles: den Beckenbauer, den Müller, den Hoeneß, den Rummenigge und die Katze von Anzing im Tor. Heute? Keiner weiß mehr genau, wo die Bayern stehen, und im Tor steht Rensing.“

Eine unerhörte Theorie, auf die ich nie kommen würde, hat Beck nach zahllosen Besuchen in der Klinsmann’schen Bäckerei in Stuttgart-Botnang rausgehört: „Klinsmann, schwören alle Bayernfeinde unter den Schwaben, ist bei den Bayern nur Trainer geworden, um sie im Rahmen der Unterwanderung zu ruinieren.“

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