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Unterhaus

Das aufregendste Flügelspiel der Liga

Frank Baade | Donnerstag, 3. Dezember 2009 1 Kommentar

Kaiserslautern führt mit neuem Stil die 2. Liga an und bittet für das Stadion um weitere Mietminderung, Cottbus besitzt wie Union keine Gewalt-Szene, Ailton lässt sich ziemlich leicht überzeugen

Der 1. FC Kaiserslautern ist unter Stefan Kuntz und Trainer Marco Kurz mit vier Punkten Vorsprung Tabellenführer im Unterhaus. Jan Christian Müller hat die Montags-Partie gegen Bielefeld gesehen, die Kaiserslautern mit 1:0 gewann (FR): „Es ist ein völlig anderer, technisch anspruchsvollerer und spielerischer Fußball, den der FCK im November 2009 bietet als jenes Kick-and-Rush aus dem November 2008. Seinerzeit kostete die Hauruck-Version mit hohen Bällen durch die Mitte so viel Kraft, dass das Team in der Rückrunde ähnlich in sich zusammensackte wie Roger Lutz am Montagabend am Spielfeldrand.“ Trainer Milan Sasic wurde schließlich entlassen. „Inzwischen pflegt Kaiserslautern dank der intensiven Ballarbeit von Trainer Kurz und der klugen Transferpolitik des Managers Kuntz das aufregendste Flügelspiel der Liga. Drei der schnellsten ihrer Zunft, Erik Jendrisek, 23, Ivo Ilicevic, 23, und Sidney Sam, 21, waren ganz bestimmt nicht zufällig die entscheidenden Männer beim entscheidenden Tor gegen Bielefeld. (…) Aber beim FCK machen sich die Verantwortlichen nichts vor, wie schwierig es sein wird, den großartigen Erfolg der Gegenwart angesichts der angespannten Finanzlage in die Zukunft zu retten. Kuntz bettelt bei der Stadt um Mieterlass fürs Stadion. Aber noch ist der Nikolaus nicht gekommen.“

Auch Daniel Meuren empfindet den neuen Fußball-Stil als positiv (FAZ): „Der Lohn für diesen Mut zum Spiel ist die Tabellenführung in der Zweiten Bundesliga. Dieser Platz an der Sonne des Unterhauses weckt in der Pfalz die Hoffnung auf die Rückkehr in die Bundesliga nach dem Abstieg im WM-Jahr 2006, das den Lauterern wegen des Millionengrabs WM-Arena bis heute doppelt in den Knochen steckt.“ Zuletzt hatte Kuntz wiederum eine Mietminderung gefordert. Angeblich verlange die Stadt als Vermieter mehr als fünf Millionen Euro pro Jahr. „Der FC ist aber der Ansicht, dass er damit allein die Zeche für die größenwahnsinnigen WM-Träume von Stadt und Land aus den Jahren vor 2006 zahlt, die Auslöser für den überdimensionierten und überteuerten Ausbau des Betzenbergs waren.“

Mehr als 100 Millionen Euro verbrannt

Noch ausführlicher beleuchtet Michael Ashelm (FAZ) die Finanzlage rund um das Lauterer Stadion: „Für viele ‚Rote Teufel‘ ist die gewaltige Arena heute wieder das Symbol für die Fußballmacht vom Betzenberg. Mit den sportlichen Erfolgen dieser Saison sind die Fans zurückgekommen. Aber auch steht das Monument hoch über der Stadt für Größenwahn und Verschwendungssucht. Bei keinem anderen Fußballklub in Deutschland ist so viel Geld des Steuerzahlers verbrannt worden. Mehr als 100 Millionen Euro wurden in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten in den Verein und vor allem das Stadion gepumpt.“ Mittlerweile sei auch in der Stadt selbst eine Diskussion im Gange, ob der Klub weitere Steuergelder verdient habe. „Statt marode Schulen und Kindergärten zu renovieren, könnten nun wieder weitere Millionen in den Profibetrieb des FCK umgeleitet werden.“ Dagegen gebe es deutlichen Widerspruch aus der örtlichen Politik. Diese erinnere sich noch allzu gut daran, wie strafbare Handlungen und Missmanagement für Fehlentwicklungen sorgten. „Doch der FCK ist mehr als ein Fußballverein, er hat viele Sympathisanten quer durch alle Bevölkerungsgruppen, in der ganzen Region.“ 2003 hatte die Stadt das Stadion und die Schulden übernommen. Jede Mietminderung belaste die Stadiongesellschaft, was von der Stadt selbst wieder ausgeglichen werden müsse. „Zudem haftet sie als Bürge für das gesamte Kreditpaket. Das Problem: Die Stadt Kaiserslautern ist hoch verschuldet und muss sich ihren Haushalt schon von der zuständigen Aufsichtsbehörde des Landes genehmigen lassen.“

Gedankenlos, ideenlos, kampflos

Das Hamburger Abendblatt interviewt den St.-Pauli-Spieler Matthias Lehmann, der zum sportlichen Mittelpunkt des Teams geworden ist. Lehmann nennt die Gründe für seine gute Leistung: „Eine positive Familienstimmung im ganzen Verein. Das ist einfach phänomenal. Es ist wie in jedem anderen Beruf: Wenn das Verhältnis zu den Kollegen, zu den Vorgesetzen gut ist, fühlt man sicher besser und kann eine bessere Leistung bringen.“

Vom letzten Spieltag, an dem Union Berlin mit 0:3 gegen den FC St. Pauli verlor, berichtet auch die Berliner Zeitung: „Gedankenlos, ideenlos, kampflos gaben sich die Unioner ihrem Schicksal hin. Als sie zur Pause in die Kabine stapften, konnten sie von Glück sagen, dass es nur 3:0 für St. Pauli stand. Aber weil sich beide Klubs so gerne haben, ließen es die Hamburger im weiteren Verlauf damit bewenden. Sie passten sich dem Niveau ihrer Gäste derart entschieden an, dass man nach dem Schlusspfiff den siegreichen Trainer Holger Stanislawski in vollen Zügen schimpfen hörte. (…) Für Marius Ebbers war es das 78. Zweitligator seiner Karriere, womit er sich in der Rekordliste der erfolgreichsten aktiven Ligaschützen vom Augsburger Michael Thurk absetzen konnte. Spätestens nachdem Jan-Philipp Kalla das 2:0 für St. Pauli besorgt hatte (14.), konzentrierten sich die Hamburger Bemühungen nicht mehr auf ihre harmlosen Gäste, sondern auf das Torjägerfernduell zwischen Ebbers und Thurk. Doch was auch immer sie ihrem Angreifer auflegten, für Ebbers blieb es bei neun Saisontoren – auch deshalb, weil ihm der aufmüpfige Max Kruse kurz vor der Pause das 3:0 wegschnappte.“

Der etwas andere Ostklub

Als nächster Gegner von Union reist Energie Cottbus an. Beide Klubs heben sich etwas von anderen aus dem Osten ab, wo die Gewalt zunimmt. Michael Jahn (Berliner Zeitung) erläutert: „Seit Saisonbeginn macht auch und vor allem der Osten den Sicherheits-Verantwortlichen in Frankfurt große Sorgen. Zehn schwere Fälle von Ausschreitungen gab es zuletzt in den neuen Bundesländern. In Rostock und Halle wurden Polizisten sogar in Hinterhalte gelockt. Besonders die Ultra-Bewegungen werden aggressiver. Hooltras nennen sie sich teilweise – eine Wortkombination aus Ultras und Hooligans. Doch habe man erkannt: Es gibt Ausnahmen. Union etwa. ‚Den etwas anderen Ostklub‘ nennt Vereinssprecher Christian Arbeit die Eisernen, hat aber auch festgestellt: ‚Leider wird das überregional noch nicht registriert. Wo wir auftauchen, schert man oftmals pauschal die angeblichen Horden aus dem Osten über einen Kamm.‘ Auch bei Energie ist es bis auf Pyrotechnik-Entgleisungen in den vergangenen Jahren friedlich geblieben. Der Sicherheitschef von Union Berlin äußert sich: ‚Tatsache ist, dass sich weder bei uns noch in Cottbus die Fanszenen über Gewalt definieren, so wie anderswo im Osten‘, deshalb legt er ‚andere Parameter an dieses Spiel als an Partien gegen Dresden oder Rostock.‘“

SV Hönnepel-Niedermörmter

Roland Leroi weiß in der Welt, wie man Ailton dazu bewegt, trotz ersten Absagen doch in der 6. Liga aufzulaufen – oder zumindest erstmal zu unterscheiben: „Ein feudales Abendessen in einem griechischen Nobelrestaurant in Düsseldorf und ein entsprechender Vertrag reichten, um dem Fußballer und seiner Ehefrau Rosalie ein Engagement in der 6. Liga schmackhaft zu machen. Es ist nicht ganz sicher, ob der ‚Kugelblitz‘ wirklich weiß, auf was er sich damit eingelassen hat. Vereine wie der VfR Fischeln, Germania Ratingen und SV Hönnepel-Niedermörmter heißen die Gegner in der Niederrheinliga, in der die Krefelder bei einem Zuschauerschnitt von 1200 den fünften Platz belegen. ‚Er ist ein Glücksfall‘, meint KFC-Trainer Wolfgang Maes. Schon als Nachwuchscoach bildete Maes spätere Nationalspieler wie Stephan Paßlack und Mustafa Dogan aus und legt auch heute viel Wert auf Disziplin. Lang sind die steilen Treppen im Stehplatzblock des Grotenburg-Stadions, über die Maes seine Amateurspieler in der Rückrunden-Vorbereitung jagen will. Zur Krönung ist noch ein Lauftrainingslager auf Norderney angesetzt. (…) Damit die Niederrheiner nächsten Mai zumindest den Aufstieg in die fünfte Klasse schaffen, sind noch weitere Transfers geplant. Bastian Pinske vom Drittligisten RW Erfurt hat bereits für die Rückrunde unterschrieben. Unter anderem soll noch der frühere Leverkusener Boris Zivkovic kommen.“

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Kommentare

1 Kommentar zu “Das aufregendste Flügelspiel der Liga”

  1. Klaus-Peter
    Freitag, 4. Dezember 2009 um 09:05

    „Angeblich verlange die Stadt als Vermieter mehr als fünf Millionen Euro pro Jahr.“

    Nicht „angeblich“, der FCK zahlt laut Mietvertrag 3,6 Mio € Miete pro Saison, hinzu kommen etwa 1,6 Mio € Nebenkosten und Instandhaltung. Und das alles, weil weder Land, noch Stadt noch die damaligen Verantwortlichen auf die Idee kamen, dass der FCK absteigen könnte und man einen gestaffelten Vertrag aushandeln könnte. Verglichen mit so manchem Erstligisten sind mehr als 5 Mio € ein ungeheurer Betrag. Ich darf in diesem Zusammenhang bspw. an den 1. FC Köln erinnern, der die Namensrechte für das Stadion an Rhein-Energy verkauft hat, eine Tochtergesellschaft der Stadt Köln, die damit den Großteil der Miete quasi selbst trägt. Um nur ein Beispiel zu nennen.

    Zumindest das Land RLP hat aus der Lautrer Situation gelernt, die Miethöhe für das neue Mainzer Stadion ist nämlich nach Liga und ich glaube sogar nach Tabellenstand gestaffelt.

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