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Zwischen Weltklasse und Mitläufertum

Frank Baade | Donnerstag, 28. Januar 2010 Kommentare deaktiviert für Zwischen Weltklasse und Mitläufertum

Mesut Özil ist der entscheidende Mann bei Werder, aber vielleicht bald weg, Schweinsteiger könnte Rolfes‘ Nachfolger werden, Bayern ist auch ohne Franck Ribery stabilisiert, Köstner in Wolfsburg als „Anachronismus“

Özil entscheidet über Wohl und Wehe

Nur wenig Prophetenhaftes muss Carsten Eberts bei Spiegel Online aufbringen, um anzunehmen, dass Mesut Özil ohne Europapokal-Teilnahme Werder Bremen in Kürze verlassen wird: „Er will und muss in der kommenden Saison international dabei sein, so verlangt es die Entwicklung des Nationalspielers. Im Moment fehlt ihm in Bremen dazu aber die Perspektive: Der Club liegt sechs Punkte hinter den Europa-League-Plätzen zurück – und gefährdet damit auch die Vertragsverlängerung mit Özil. Dessen Kontrakt läuft noch eineinhalb Jahre. 2011 müsste man ihn ohne Transfererlös ziehen lassen. Dabei war die Euphorie bei Werder Bremen vor wenigen Wochen noch so groß wie seit Jahren nicht mehr: In schöner Regelmäßigkeit wirbelten Özil und Neuzugang Marko Marin die Liga durcheinander. Doch dann kam die Wende.“ Pizarro verletzt, Hunt und Marin blass, selbst Wiese schwächelte. „Zu viel für eine Mannschaft, die extrem von der Tagesform einzelner Protagonisten abhängt. (…) Özil wird kaum geduldig warten, dass sich Bremen in letzter Sekunde über einen Pokalwettbewerb für Europa qualifiziert. Der Plan der Werder-Verantwortlichen, sich nach dem Abgang von Regisseur Diego zu Juventus Turin nicht wieder von einem einzigen Spieler abhängig zu machen, ist nicht aufgegangen: Marin und Frings spielen zwar eine solide Saison – es ist jedoch allein Özil, dessen Form über Wohl und Wehe im Bremer Spiel entscheidet.“

Geglänzt oder enttäuscht

Nach dem Ausfall Simon Rolfes‘ könnte es in der Nationalmannschaft eine interne Lösung geben, vermutet Christian Gödecke (Spiegel Online): „Wieder einmal stellt sich die Frage, wie man die Lücke im DFB-Mittelfeld füllen kann. Oder ob überhaupt. Rolfes‘ monatelanger Ausfall trifft den deutschen Fußball an seiner empfindlichsten Stelle. Seit Jahren sucht Bundestrainer Löw nach der richtigen Balance im Zentrum. Experimentiert wurde mit der Doppelsechs in einem 4-2-3-1, dann sollte es wieder das 4-4-2 sein. Stets lautete die Frage, wer Kapitän Michael Ballack am effektivsten zur Seite stehen und dessen Offensivdrang absichern könnte. Torsten Frings sollte es schon lange nicht mehr sein. Die Antwort hieß Rolfes.“ Jetzt aber gebe es viele Fragen und Lösungen wie Hitzlsperger oder Khedira hätten jeweils ihre Probleme. Deshalb könnte man es mit einem probieren, der ohnehin gesetzt ist. „Schweinsteiger, das vergessen viele, hat auch in der Nationalmannschaft schon zentral gespielt und dabei entweder geglänzt oder enttäuscht. Genau genommen schwankte der Münchner in der Nationalmannschaft auch außen oft zwischen Weltklasse und Mitläufertum. Kann er in der DFB-Mitte zu der Konstanz finden, die ihn für Bayern-Trainer Louis van Gaal unverzichtbar macht? Und kann Schweinsteiger seinen natürlichen Offensivdrang zügeln? In München hat er den defensiv denkenden van Bommel neben sich, im DFB-Team den oft nach vorne drängenden Ballack.

Ribery nur eine Randnotiz

Franck Ribery comebackt, aber das ist gar nicht mehr so entscheidend für die Leistung der Bayern, urteilt Sebastian Gierke (Berliner Zeitung): „In München ist es nicht mehr so wichtig, ob der Franzose auf dem Platz steht oder nicht. In Bremen hat er zum ersten Mal seit September wieder in der Liga gespielt. Ein paar Minuten. Und kaum einer hat es bemerkt. Nach seiner nicht nur für den Trainer umwerfenden Leistung war Arjen Robben der gefragte Mann, Ribéry dagegen nur eine Randnotiz. Die ständig beklagte Abhängigkeit des FC Bayern von Ribérys Launen ist kein Thema mehr. Der Mannschaft ist es gelungen, Unsicherheit in kreative Energie umzuwandeln. Doch in Robben habe man bereits ein Element, das sich alle Freiheiten nehmen. Dazu Ribery, dessen Spiel von der Kraft des Chaos lebt, der sich leiten lässt von der Fragwürdigkeit jeder Ordnung. Kann die Mannschaft noch so einen verkraften? Fast wirkt es, als brauche das Team Ribéry nicht mehr.“

Wildwuchs Bandenwerbung

In der FR fasst Jan Christian Müller die zur Finanzlage der Bundesliga veröffentlichten Zahlen sowie weitere Daten rund um dieses Produkt zusammen, u. a. diese: „Erstmals in ihrer Geschichte haben die Klubs der ersten und zweiten Liga mehr als zwei Milliarden Euro eingenommen, genau 2,036 Milliarden Euro. Das kommt einer Umsatzsteigerung von mehr als hundert Prozent während der vergangenen zehn Jahren gleich.“ Und: „Gerade einmal bescheidene vier Prozent machen die Einnahmen aus dem Merchandising aus.“ Und Christian Seifert wörtlich: „Wenn in Deutschland die Kameras auf Hüfthöhe am Spielfeld entlang fahren wie in England, dann hast du bei uns oft das Gefühl, die spielen vor einer Hauswand, so hoch sind die Bandensysteme.“

Köstners Betonfußball

Der VfL Wolfsburg hat in Lorenz-Günter Köstner einen Interimstrainer installiert, der schon einmal ein schwaches Team stabilisierte. Mehr solle er auch in Wolfsburg erstmal nicht richten, danach könne ein anderer im Erfolgsfalle darauf aufbauen. In der SZ erinnert Volker Kreisl an Köstners Wirken in Unterhaching: „Heute sind Bundesligatrainer geschulte Rhetoriker, sie setzen Pointen bei Pressekonferenzen, die immer direkt in die Vip-Lounges übertragen werden, und sie tragen Werbe-Logos am Kragen. Köstner trug bei seiner ersten Bundesliga-Pressekonferenz in Wolfsburg ein einfaches gestreiftes Hemd, es wirkt, als wäre er plötzlich aus der Vergangenheit aufgetaucht. Das gilt für seine Wesensart wie für seinen Fußballstil.“ Mit Unterhaching habe er einmal die Klasse gehalten und sei einmal erst am letzten Spieltag daran gescheitert. Allerdings war das Unterhachinger Spiel wenig ansehnlich. „Die Liga belächelte Köstners Stil als ‚Betonfußball‘, und der ärgerte sich mächtig – weniger, weil das mit dem biederen Kick nicht gestimmt hätte, sondern weil niemand die besonderen Hachinger Umstände berücksichtigte. Man hielt die Klasse schließlich mit einem Etat von 29 Millionen Mark. Insofern ist das anachronistisch wirkende Projekt Köstner in Wolfsburg schlüssig. Er soll der Mannschaft Sicherheit geben, ihr die Augen dafür öffnen, dass eine Meisterschaft keine Garantie für ewigen Erfolg ist. Fürs große Ganze ist dann sein Nachfolger zuständig.“

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