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Das Negativ von Hopp und Tönnies

Frank Baade | Samstag, 20. Februar 2010 10 Kommentare

1860 wird auf dem Papier hart, de facto aber gar nicht bestraft, was sich in München prima in den Saisonverlauf einreiht, in Duisburg gibt es ein mittleres Geschmäckle à la Zwanziger und Sohn

Das Liebesleben der Seegurke

Einen „Halben Freispruch“ nennt Gerald Kleffmann in der SZ das vom DFB verhängte Urteil gegen den TSV 1860 München. Nach den Ausschreitungen durch 1860-Fans beim Spiel gegen Rot-Weiß Ahlen ist für nur 2 Spiele die zugelassene Zuschauerzahl bei Spielen von 1860 München reduziert worden. „Es ist eine Strafe, die auf den ersten Eindruck hart wirkt, bei genauerem Hinsehen aber viel Milde seitens des DFB erkennen lässt.“ Gegen St. Pauli dürfen nur 25.000 Münchner Anhänger kommen, das Kontingent der Hamburger bleibt unberührt. Gegen FSV Frankfurt sind es 13.000 Münchner und wiederum 6.900 Frankfurter. Zudem muss der Klub 30.000 Euro in seine Fanarbeit investieren. Genau genommen also eine Strafe, die keine ist, denn das Geld bezahlt der Klub an sich selbst und die Zuschauerzahlen hätten die festgelegten Grenzen wahrscheinlich ohnehin nicht oder nur unwesentlich überschritten. „Müßig zu erwähnen, dass 1860 dem Urteil bereits zugestimmt hat, es ist somit rechtskräftig. Und alle sind richtig froh. So passt das Urteil zum Saisonverlauf der Löwen, der ja so sehr prickelt wie ein Dokumentarfilm über das Liebesleben der Seegurke.“

Die finanziellen Verstrickungen des Präsidenten

In der Welt berichtet der Betreiber der Ruhrbarone, Stefan Laurin, von seinen Erkenntnissen rund um einen anderen Zweitligaklub: „Beim Fußballverein MSV Duisburg sorgen die finanziellen Verstrickungen des Präsidenten Walter Hellmich für Unruhe. Der Bauunternehmer hat nach Recherchen der ‚Welt am Sonntag‘ den Traditionsklub mindestens einmal als Kreditgeber genutzt. Zudem bekam Hellmichs Sohn einen lukrativen Marketingvertrag zugeschanzt. Dies geht aus Unterlagen hervor, die dieser Zeitung vorliegen.“ Kritische Interessierte beschäftigten sich schon länger mit der Frage, „wer eigentlich von den Einnahmen des Clubs profitiert. Sie beschafften sich Unterlagen, die die Verstrickungen der Hellmich Marketing Management GmbH belegen. Diese Firma gehört Marc Hellmich, dem Sohn des MSV-Präsidenten. Seit 2002 verwaltet die HMM die Vermarktungsrechte des Klubs. Hellmichs Sohn sucht also die Haupt- und Trikotsponsoren aus, er ist für die Bandenwerbung zuständig und für die Namensrechte am Stadion.“ Die Beteiligung an allen gelungenen Vermarktungen liege bei 20%. Dazu kämen Anteile in Höhe von 10% an den Erlösen aus TV-Geldern. Bei einem Aufstieg sänke dieser Prozentsatz, bei einem Verbleib in der Zweiten Liga hingegen würden er steigen. „Eine Belohnung bei Misserfolg?“, wundert sich Laurin. Noch dazu sei dieser Vermarktungsvertrag ohne Einholen anderer Angebote bereits bis 2017 verlängert worden.“ Doch es gibt noch einen weiteren Aspekt in diesem Fall.

Der MSV leiht Hellmich Geld, nicht umgekehrt

Noch detaillierter äußert sich dazu Laurin bei den Ruhrbaronen, deren Betreiber er ist: „Auch die Sponsorenliste des MSV Duisburg zeugt nicht von großen Erfolgen, die eine überlange Vertragslaufzeit rechtfertigen könnten: Mit der Sparkasse, dem Duisport Logport und den Stadtwerken kommen gleich drei der neun wichtigsten Sponsoren aus dem direkten städtischen Umfeld (…) keine Unterstützerliste, die nicht auch ein anderer zusammenbekommen könnte. Ohnehin scheint das Verhältnis der Hellmichs zum MSV eher pragmatisch zu sein. Während Dietmar Hopp seine TSG Hoffenheim mit Millionen unterstützt und auch Schalke-Präsident Clemens Tönnies den Blau-Weißen hin und wieder Kredite gibt, diente ausgerechnet der notorisch klamme MSV dem Bauunternehmer Hellmich mindestens einmal als Darlehensgeber. Wie aus einem Testat einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hervorgeht, gewährte der Fußballverein der Baugesellschaft Walter Hellmich GmbH 2005 einen Kredit in Höhe von 500.138,89 Euro, den Hellmich bis zum Jahresende nicht zurückgezahlt hatte. Nur um das klar zu machen. Hellmich hat nicht dem Verein Geld gegeben, sondern der Verein Hellmich.“

Walter Hellmich kontert die Vorwürfe im Interview bei DerWesten: „Diese Berichterstattung ist völlig neben der Schiene. Tatsache ist, es gibt kaum einen Verantwortlichen an der Spitze eines Vereins, der dem Verein so viel zukommen lässt wie ich. Zum Zeitpunkt des Kredites hatten wir Forderungen an die MSV-Gruppe von 7,7 Millionen, und der MSV hatte zugleich flüssige Mittel von 500.000 Euro. Und da ist es doch selbstverständlich, die 500 000 verzinslich anzulegen, wenn ich auf einem Konto noch 7,7 Millionen Schulden habe. Wer das nicht einsieht, muss die Hose mit der Kneifzange anziehen.“

Und Hellmich weiter zur Frage der Auswahl der Firma seines Sohnes als Vermarktunsagentur: „Es hat eine Ausschreibung gegeben, die vor meiner Zeit gelaufen ist. Und da hat Hellmich-Marketing den Zuschlag bekommen, weil von dieser Seite höchstwahrscheinlich das beste Angebot kam. Da ist überhaupt nicht daran zu deuteln. Hellmich-Marketing wird behandelt wie jeder Dritte, und im Endeffekt sind die erfolgreich. Ich habe ja schon erwähnt, dass wir unsere Sponsoringeinnahmen von 1,5 auf über acht Millionen steigern konnten. Wenn Hellmich-Marketing einen schlechten Job macht, kriegen die Pfeffer.“

Zeugnis gesteigerter Unsicherheit

Ganz so sicher, wie er im Interview mit DerWesten klingt, war Hellmich aber wohl nicht von Beginn an des Bekanntwerdens dieser Vorwürfe. Bernd Bemmann berichtet bei RPO davon, wie Hellmich zunächst verfuhr: „Tags zuvor hatte er das heftig und sehr ungeschickt dementiert. Der Chef lenkt eben den Verein allein, und Ratschläge von gut meinenden Mitarbeitern, mit brisanten Details an die Öffentlichkeit zu gehen, um Klarheit zu schaffen und Spekulationen zu begegnen, hat er schon immer in den Wind geschlagen. Dass es am Montag im Zusammenhang mit einem Schuldenstand des Vereins seiner Firma gegenüber drei verschiedene Zahlen aus seinem Mund gab, zeugt von gesteigerter Unsicherheit.“

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Kommentare

10 Kommentare zu “Das Negativ von Hopp und Tönnies”

  1. Nicole
    Samstag, 20. Februar 2010 um 18:59

    zur strafe gegen 1860 münchen aber vielleicht noch interessant: tickets für die gästefans, also St. pauli und FSV frankfurt, werden nur personalisiert abgegeben. Die werden somit also mitbestraft, denn als strafe und einschränkung ist so eine ausweisepflicht ja wohl zu sehen. und jetzt bitte nicht mit „wer nichts zu verbergen hat, weist sich aus gerne aus“ kommen.

  2. zechbauer
    Sonntag, 21. Februar 2010 um 10:47

    Diese Personalisierung von Eintrittskarten ist doch gang und gäbe – weiß ehrlich gesagt nicht, in wiefern das eine Bestrafung sein soll?

  3. Lennart
    Sonntag, 21. Februar 2010 um 19:55

    Die Personalisierung von Eintrittskarten ist zum Glück noch nicht gang und gäbe.

    Die Bestrafung sieht folgendermaßen aus:

    1. Du kannst das Ticket theoretisch nicht übertragen.
    2. Es ist zentral irgendwo gespeichert, dass genau DU das Ticket für das Spiel gekauft hast und wo du sitzt/stehst. So was nennt sich Überwachungsstaat (auch wenn es sich hier um ein Unternehmen handelt)

    Im Endeffekt wird es aber zumindest in dem Sinne egal sein, weil kein Ordner am Stadioneingang den Namen auf der Karte mit dem Perso abgleicht. Trotzdem finde ich es bedenklich, dass man, obwohl mal nichts gemacht hat, außer zu einem Auswärtsspiel nach München fahren zu wollen, so überwacht wird…

  4. Lennart
    Sonntag, 21. Februar 2010 um 19:58

    Achso, und bezüglich des Titels:

    Das die deutsche Presselandschaft bis auf wenige Ausnahmen restlos von Hopp begeistert ist, verwundert ja keinen mehr…aber müsste das Negativ von Hopp nicht was positives sein? Der Typ wollte einfach nur irgendwie einen BL-Verein als Spielzeug haben und hätte auch nicht davor zurück geschreckt, drei Vereine zu verschmelzen…und Tönnies finanziert seinen maroden Verein durch die Stadt Gelsenkirchen…ganz großes Kino!

  5. zechbauer
    Montag, 22. Februar 2010 um 06:52

    was ich damit sagen wollte ist, dass es keine Bestrafung sondern gängige Praxis ist. Wie man das selbst empfindet, steht auf einem anderen Blatt.

    Übrigens ist Tönnies damit nicht alleine – Lautern, Berlin etc. sind ebenso Beispiele dafür, wie man auf Kosten der Steuerzahler marode Vereine subventioniert.

  6. Christian
    Montag, 22. Februar 2010 um 08:24

    OT: Hat der Freistoß neuerdings etwas gegen Opera? Mit Opera kommt nur noch Buchstabensalat anstelle der gewünschten Inhalte, was sehr schade ist…

  7. Guy Simonow
    Montag, 22. Februar 2010 um 09:08

    @christian Ich hoffe, das Problem ist behoben. Scheint am Cache gelegen zu haben.

  8. Oliver Fritsch
    Montag, 22. Februar 2010 um 09:10

    @Christian: Wir haben nun etwas geändert und hoffen, das Problem ist behoben. Falls nicht, bitte melden.

  9. Christian
    Montag, 22. Februar 2010 um 21:43

    @ guy und @ oliver: vielen dank, alles wieder im grünen bereich!

  10. Witzige und originelle “Fan-Choreo” zu Walter Hellmich « Fakten und Gerüchte aus dem Stadionbus
    Sonntag, 28. Februar 2010 um 08:15

    […] der Vorstandsvorsitzende des MSV Duisburg mit einigen Interviews. Hier, bei der Fußballpresseschau Indirekter Freistoß, findet sich eine gute Zusammenfassung der öffentlich gewordenen Stimmen. Walter Hellmichs […]

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