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Ball und Buchstabe

Alte Vorurteile und neue Erfolgsgeschichten

Matthias Nedoklan | Donnerstag, 8. Juli 2010 Kommentare deaktiviert für Alte Vorurteile und neue Erfolgsgeschichten

Die Welt blickt zur WM 2010 nach Afrika; damit dies auch nach dem Finale so bleibt, hat Christian Ewers die Tragödie des afrikanischen Fußballs genauer beleuchtet

Afrika betrat die Weltbühne des Fußballs mit einem Tanz. Roger Milla wurde zum Star der Weltmeisterschaft 1990, als er mit Kamerun im Achtelfinale die favorisierten Kolumbianer besiegte und mit sagenhaftem Hüftschwung an der Eckfahne Millionen von Zuschauern verzauberte. Die Bilder vom Makossa-Tanz inspirierten eine Generation afrikanischer Kinder, die fortan ihr Glück in Europa versuchten. 20 Jahre nach Milla geht Christian Ewers dem Fußball auf dem schwarzen Kontinent auf den Grund. Mit „Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weißer“ ist ein ganz hervorragendes Buch entstanden, fernab von den bunten und unkritischen offiziellen Berichten, die in den Tagen der WM so erscheinen.

Offener Rassismus

Der Untertitel stimmt bereits auf den Inhalt ein: „Die Tragödie des afrikanischen Fußballs“ schildert Ewers also. Dafür hat sich der Hamburger Journalist für mehrere Monate nach Afrika begeben, vor Ort recherchiert, mit Stars wie Samuel Eto’o gesprochen, aber auch mit den großen Gescheiterten wie Ojokojo Torunarigha. Der erste Schwarzafrikaner, der nach dem Mauerfall bei einem ostdeutschen Klub (Chemnitzer FC) unterschrieb, spricht von seinen großen Anlaufschwierigkeiten, offenem Rassismus, den Problemen in Afrika und den Nöten vieler afrikanischer Spieler.

Traum vom sozialen Aufstieg

Nirgendwo, so die Quintessenz des Buches, hat Fußball so viel mit sozialem Aufstieg zu tun, nirgendwo wird so viel Hoffnung in den Sport projiziert. In Südafrika sollen Fußballprojekte Jugendliche vor dem Absturz in die Drogengangs der Townships bewahren. Auf Sansibar ist der Malindi FC, in Ghana der Asante Kotoko FC Symbol dafür, wie Vereine an äußeren und inneren Problemen zugrunde gehen. Aber das Buch zeigt auch Erfolgsmodelle: Die Fußballschule Sol Béni in der Elfenbeinküste, in der zum Beispiel Yaya Touré, Salomon Kalou und Emmanuel Eboué zu Weltstars ausgebildet wurden. Das Buch, so schreibt der Autor treffend im Vorwort, ist eine Reise. Orte des Betrugs und der Enttäuschung, aber auch Orte der Kraft und des Stolzes kommen vor. Es ist eine Reise in der es darum geht, den afrikanischen Fußball zu verstehen.

Klinkenputzen fürs Probetraining

Und der Autor nimmt sich Zeit, zuzuhören. Er lauscht Martin Africa aus Südafrika, dessen Hoffnung auf einen Trainerposten sein letzter Halt vor einer Karriere als Drogendealer ist. Er begleitet Spielervermittler Oliver König, der für den kamerunischen Stürmer Dorge Kouemaha  (FC Brügge) immer ein offenes Ohr hat. Und er kickt mit Robert Assio’o und den anderen Afrikanern ohne Visum im Pariser Vorort Saint-Denis. Sie kamen nach Europa und fanden keinen Klub. Jetzt halten sie sich fit und putzen mit dubiosen Managern Klinken, um irgendwo einen Platz im Probetraining zu ergattern. Ewers findet Gesichter für die vielen Vorurteile gegenüber dem afrikanischen Fußball und er entdeckt ganz neue, überraschende und faszinierende Facetten für einen Kontinent, der nach der ersten Weltmeisterschaft in Afrika immer noch nicht mit sich zufrieden ist.

Christian Ewers: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weißer. Die Tragödie des afrikanischen Fußballs, Gütersloher Verlagshaus, 176 Seiten.

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