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Bundesliga

Verrücktes Fußball-Trainer-Roulette: Die Kugel fällt auf die „alte Liebe“

Martin Hauptmann | Freitag, 18. März 2011 1 Kommentar

Ralf Rangnick unterschreibt auf Schalke bis 2014; Felix Magath wechselt offenbar bis 2013 nach Wolfsburg: bereits am Wochenende sitzt er auf der VfL-Trainerbank; aber: nach welchen Kriterien suchen Vereine eigentlich ihre Trainer aus?

Markus Lotter (Berliner Zeitung) stellt den modernen Trainertyp des Jahres 2011 vor, nach dem inzwischen die ganze Bundesliga mit Hochdruck fahndet: „Die Zeit des einfachen Punktesammlers […] ist endgültig vorbei. Lang lebe der charismatische Menschenfänger, der sich eben nicht mehr nur als ein zum Erfolg verdammter Fußballlehrer versteht, sondern als zentrale Figur einer mittelständischen Unternehmung aus der Unterhaltungsindustrie. […] Einer wie Jürgen Klopp soll es also künftig sein. Einer, der die Sprache der aktuellen Spielergeneration spricht, der die selbstbewussten Jungprofis des 21. Jahrhunderts nicht mit der Zahl seiner Bundesligaeinsätze oder Länderspiele, sondern mit Inhalten und ungewöhnlichen Anregungen zu überzeugen versucht. Der ihnen schon mal wie ein väterlicher Freund nahekommt, dabei aber nicht die für einen Vorgesetzten unabdingbare Autorität verliert. Einer, der die Medien nicht als Übel, sondern im wahrsten Wortsinne als Medium versteht. Einer, der mit seiner offenen Art und seinem Verständnis für die Befindlichkeiten der Anhängerschaft die Tribüne gewinnt. Es braucht einen, der nach innen kommuniziert und nach außen moderiert, einen sanften Alleinherrscher, der sich allerdings nicht als Alleinherrscher geriert.“

Fußballlehrer Rangnick auf Schalke, die Zweite

Gerrit Dorn (Der Westen) erinnert sich an das erste Kapitel ‚Rangnick auf Schalke’: „Damals übernahm er am sechsten Spieltag der Saison den Job von Interimstrainer Eddy Achterberg. […] Jupp Heynckes [hatte man] nach einem missratenen Saisonstart vor die Tür gesetzt. Als Rangnick das Ruder übernahm stand Schalke auf Tabellenplatz 15, […] Im DFB-Pokal erreichten die Knappen das Finale gegen die Bayern (1:2), in der Bundesliga reichte es am Ende für Tabellenplatz zwei. […] Doch die Königsklasse war für Rangnicks Knappen in der Saison 2005 /2006 eine Nummer zu groß. In einer schweren Gruppe mit dem AC Mailand, PSV Eindhoven und Fenerbahce Istanbul landete S04 nur auf dem dritten Rang. Das letzte Gruppenspiel verloren sie mit 2:3 in Mailand“.

Peter Heß (FAZ) ermutigt das neue Gesicht auf Schalke: „Die Chancen auf eine längere Ehe stehen besser als 2005. […] Ralf Rangnick und Schalke 04, das ist eine logische, erfolgversprechende Verbindung. […] Sein taktisches Geschick und seine Trainingsmethoden sind unumstritten, sein Ideal im Umgang mit den Spielern beruht auf gegenseitigem Vertrauen und Respekt. Schon das wird als Wohltat empfunden werden. Aber Schalke braucht mehr als einen guten Trainer, es braucht einen Gegenentwurf zu Magath. Einen teamfähigen leitenden Angestellten, der den ganzen Verein auf seinem Weg nach oben mitnimmt. […] Sechs Jahre später sind die Unterschiede verwischt. Rangnick ist konzilianter geworden, die Schalker Führung professioneller, weniger auf die Wahrung gefühliger Tradition bedacht. Nach Magath wird ihnen Rangnick ohnehin wie ein Teddybär zum Knuddeln vorkommen.“

Alte Liebe rostet nicht

Christoph Ruf (Spiegel) bescheinigt dem neuen Duo Heldt/Rangnick eine gute Basis: „Die erneute Liaison des akademischen Arbeitstiers mit der Diva aus Asche und Sternenstaub ist im Grunde nur folgerichtig. Irgendwie war es zwischen Rangnick und Schalke ja wirklich wie bei einer Liebesbeziehung, die allzu früh beendet wird. Zu vieles bleibt unausgesprochen, zu vieles unerfüllt.[…] Assauer, der Rangnick voller Verachtung ‚Rolf’ statt ‚Ralf’ nannte, ist lange Geschichte auf Schalke. ‚Assi’ ist dort zwar nach wie vor eine Legende, […] Trotzdem haben die Fans auch seinen damaligen Gegenpart in ihr Herz geschlossen – vielleicht gerade weil da jemand dem Patriarchen mal Contra gab. Als Rangnick seine Ehrenrunde abschritt, hat auch Assauer gemerkt, wie populär der sachliche Schwabe auf Schalke war. […] Der neue Schalker Trainer ist keiner, der ein Vereinswappen küssen würde. Man wird Rangnick auch künftig kaum dabei ertappen, wie er morgens um zwei mit einem Fanclub ‚der Steiger kommt’ intoniert. Aber Schalke hat nicht nur einen Fußballfachmann bekommen, sondern einen Menschen, der die Antennen dafür hat, um zu begreifen, wo er arbeitet.“

Auch Richard Leipold (FAZ) glaubt an eine erfolgreiche Zusammenarbeit: „Heldt schätzt vor allem die ’ganzheitliche Herangehensweise’. Später begegneten sich die beiden als Konkurrenten des Öfteren auf den Nebenplätzen des Fußballs, wenn es darum ging, junge Spieler aus der Region anzuwerben. […]. ‚Das war mitunter anstrengend’, sagt Heldt. ‚Mal war er schneller, mal war ich schneller.’ Schon bei diesem Wettlauf zeigte sich, dass beide häufig die gleichen Vorstellungen vom Anforderungsprofil hatten, das gerade junge Spieler erfüllen müssen. Jetzt wollen sie gemeinsam den zweitgrößten deutschen Fußballverein neu ausrichten.“

Rangnick als kleines Abziehbild von Magath?

Andreas Morbach (FR) sieht gewisse Parallelen zwischen Rangnick und seinem Vorgänger: „Auf Schalke, wo Gefühlsachterbahnen keine Ausnahme, sondern die Regel sind, dürften sie den Rückkehrer bestens verstehen. Zwar hatte Rangnick nach seinem freiwilligen Abmarsch in Hoffenheim stets betont, erst ab der kommenden Saison wieder einen Job in der Bundesliga anzunehmen. Doch für die Gelsenkirchener, wo sein erster Trainerversuch aufgrund der bizarren Umstände immer den Hauch des Unvollendeten hatte, wirft er sein Prinzip nun auf den Müll. […] Auf stolze zwei Punkte pro Spiel brachte er es in seinen ersten 15 Monaten auf Schalke: Attraktiver und offensiver als unter Rangnick wurde auf dem Berger Feld seitdem nicht mehr gespielt. Aber es gibt auch warnende Stimmen, die den machtbewussten und gerne etwas besserwisserischen Fußballpädagogen aus Backnang als Light-Version von Felix Magath bezeichnen.“

Magath und Schalke – eine menschliche Enttäuschung

Der Frühling steht unmittelbar vor der Tür, das Land erblüht, die Gefühle erwachen. Bereits einen Tag nach seinem Rücktritt auf Schalke heuert Felix Magath bei seiner „alten Liebe“ in Wolfsburg, der Stätte seines größten Triumphs, an.
Nutzt Magath einfach nur die Gunst der Stunde oder zeigt dies nur abermals seine, ihm zur Last gelegten menschlichen Schwächen im Umgang mit seinem alten Arbeitgeber Schalke 04?
Man könnte ja durchaus erwarten, dass sich ein Trainer nach einem so herben und schmerzlichen Abgang erstmal eine Auszeit nimmt, dass er seine Gedanken neu ordnet und aus der Arbeit der vergangenen 18 Monate zunächst für sich die passenden Schlüsse zieht.
Für viele Schalke-Anhänger dürfte diese Entscheidung Magaths sicherlich als ein Beweis dafür gelten, wie gleichgültig ihm der Revierclub im Grunde gewesen sein muss. Die Liaison mit den Königsblauen scheint von Anfang an auf einem gegenseitigen Missverständnis beruht zu haben.

Der Abfindungs-Poker geht weiter

Der VW-Werksclub entließ Manager Dieter Hoeness und Trainer Pierre Littbarski bereits. Ein weiterer Neuanfang, diesmal wieder mit Felix Magath, steht bevor. Carsten Eberts (Sueddeutsche Zeitung) beleuchtet dessen Abfindungs-Pokerspiel: „Da macht plötzlich auch Magaths Kündigung Sinn: Er hat sich quasi freigekauft, frei für ein millionenschweres Angebot aus Wolfsburg. Die Angelegenheit in Schalke ist damit gewiss nicht erledigt, die Anwälte werden einiges zu verhandeln haben. Magath will nämlich keinesfalls auf seine Abfindung verzichten, will beweisen, dass die Schalker Kündigung unrechtens war. Dann bekäme er von Schalke womöglich trotzdem eine Abfindung – obwohl er längst wieder woanders auf der Bank sitzt. […] Die Klubs scheinen in ihrer Not zu Altbewährtem zu greifen – zu Übungsleitern, mit denen sie in der Vergangenheit schon einmal Erfolg hatten. […] Dabei scheint egal, dass es auch schlechte Zeiten gab.“

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Kommentare

1 Kommentar zu “Verrücktes Fußball-Trainer-Roulette: Die Kugel fällt auf die „alte Liebe“”

  1. Bundesliga 27 | Spreeblick
    Sonntag, 20. März 2011 um 20:48

    […] eigentlich, dass das Trainerkarussel Rangnick und Magath an alte Stelle hinerbrochen hat: was genau so faszinierend daran ist, dass Vorstände gerne mit Leuten zusammenarbeiten, mit denen sie bereits erfolgreich zusammengarbeitet haben, weiß ich nicht. Am Ende nichts oder […]

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