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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Louis van Gaal ist Geschichte

Kai Butterweck | Montag, 11. April 2011 8 Kommentare

Die Presse beschäftigt sich intensiv mit der Trainerentlassung beim FC Bayern München. Außerdem: Die Rückkehr von Felix Magath

Andreas Burkert (SZ) warnt davor reichende Hände zu missachten: „Man muss den hohen Herren in München je keineswegs immer nach dem Mund reden, ganz im Gegenteil, Widerworte tun ihnen gut; sie liegen ja selbst häufig genug daneben mit Transfers oder selbstgerechten Ansichten. Aber wer derart beharrlich seine Partner vor den Kopf stößt wie van Gaal und nicht ein einziges Mal die offerierte Hilfestellung in Anspruch nimmt, der kehrt eben nach einem Jahr als umschwärmter Feldwebel und Feierbiest in seine Schublade als Sonderling zurück.“

Ente ade

Maik Rosner (sueddeutsche.de) verabschiedet die Ente aus dem Teich: „Bei Präsident Hoeneß war die Überzeugung schon längst dahin, dass van Gaal noch der richtige Mann sei, den entthronten und in dieser Saison titellosen Meister zumindest noch zum Minimalziel zu führen, zur Teilnahme an der Hoffnungsrunde für die Champions League. Nun schlossen sich auch Rummenigge, Sportdirektor Christian Nerlinger und Finanzvorstand Karl Hopfner dieser Meinung an. Reduziert worden war die Laufzeit des ursprünglich bis 2012 gültigen Vertrages bereits nach der 1:3-Niederlage in Hannover Anfang März. Gut einen Monat später heißt es nun: Ente ade.“

Christian Eichler (FAZ) bemängelt die Planlosigkeit innerhalb der Führungsriege: „Kein anderer erlebte je eine solch glänzende erste Saison in der Bundesliga. Kein anderer ist in seiner zweiten so demontiert worden: von der eigenen Halsstarrigkeit, von der eigenen Mannschaft, vor allem aber von der eigenen Klubführung. Das Krisenmanagement des FC Bayern trägt dabei Anzeichen von Kopflosigkeit. Das gilt für die Art, in der die Mannschaft in allzu vielen Spielen in dieser Saison in der Mitte der zweiten Halbzeit den Faden verlor – wie zuletzt gegen Inter Mailand, wie nun auch in Nürnberg. Und es gilt für die Art, wie die Klub-Bosse in der Mitte der zweiten Saisonhälfte jedes Konzept verloren. Für das erste ist van Gaal verantwortlich, für das zweite nicht.“

Ungünstiger Zeitpunkt für den neuen Trainer

Christian Paul und Jan Reschke (Spiegel Online) halten den Zeitpunkt der Entlassung für unpassend: „Für den neuen Trainer kommt die unerwartete Verantwortung zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Am kommenden Sonntag  gastiert ausgerechnet Bayer Leverkusen in München. Für den Interims-Coach und den FC Bayern geht es um sehr viel. Selbst ein 1:1, das Ergebnis aus dem Hinspiel, wäre unter Umständen zu wenig. Gewinnt Hannover am nächsten Spieltag beim Hamburger SV, würde der Rückstand auf Rang drei weiter wachsen. Die gewünschte Wirkung des Trainerwechsels wäre nach nur 90 Minuten dahin. Und die Situation wäre damit genau dieselbe wie nun unter van Gaal. Der war zuletzt übrigens auf einem guten Weg, das Minimalziel noch zu erreichen.“

Michael König (sueddeutsche.de) beschäftigt sich mit der Interims-Lösung: „Andries  Jonker  gilt als gewiefter Taktikexperte und ist – im Gegensatz zu seinem bisherigen Chef – bei Spielern und Sportdirektor Christian Nerlinger wegen seiner höflichen, umgänglichen Art beliebt. Nerlinger wird außerdem positiv bemerkt haben, dass Jonker bereits auf der Gehaltsliste steht – wo die Trennung von van Gaal den Verein doch eine große Summe Geld kosten dürfte. Dass mit der Beförderung Jonkers kein fußballerischer Systemwechsel einhergehen wird, dürfte den Bayernbossen recht sein. Das Team ist nach den jüngsten Rückschlägen ohnehin verunsichert genug – und dass der van Gaal’sche Offensivfußball mit Betonung auf Ballbesitz ein hohes Erfolgspotential hat, wurde im ersten Jahr der Regentschaft des Holländers eindrucksvoll bewiesen.“

Sie mussten reagieren

Helmut Schümann (Tagesspiegel) nimmt die Vereinsführung in Schutz: „Sie mussten reagieren. Nach der Niederlage gegen Inter Mailand hätten sie schon reagieren können, aber warum hätten sie es da tun sollen? Die Mannschaft hatte funktioniert, es deutete nichts darauf hin, dass van Gaal als Auslaufmodell seine Spieler nicht mehr erreicht. Das war in Nürnberg nun völlig anders. Geradezu lustlos war der Auftritt, und das aber ist es doch, was ein Trainer zu vermitteln hat: die richtige Einstellung. Die war offensichtlich nicht vorhanden.“

Stefan Osterhaus (NZZ Online) wünscht sich langfristigeres Denken an der Säbener Straße: „Die Münchner bleiben sich zudem treu: Zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren wird ein Trainer seines Amts enthoben, wenn die Qualifikation zur Champions League in Gefahr ist: 2007 wurde noch im Winter Felix Magath durch Ottmar Hitzfeld ersetzt. 2009 übernahm Jupp Heynckes interimistisch von Jürgen Klinsmann. Sie läuteten jeweils eine Zeit der Übergangstrainer ein, die nicht zufällig von manchen als `Übergangspäpste` verspottet wurden. Sie sollten jeweils bleiben, bis die grosse Lösung gefunden ist – so, wie sie Manchester mit Alex Ferguson hat. So wird mit Jupp Heynckes im Sommer ein alter Bekannter für zwei Jahre kommen. Dabei dürfte das Spiel nur von neuem beginnen: Der FC Bayern dürfte der FC Bayern bleiben – um den Preis eines langfristigen Erfolges, der über den Gewinn von nationalen Titeln hinausgeht.“

Tolle Idee, so innovativ

Jörg Hanau (FR) tadelt die Münchener Bosse: „Der experimentelle Versuch, van Gaal bis zum Rundenende weiterwurschteln zu lassen, ist ihnen gehörig misslungen. Er dokumentiert nun eindrucksvoll die Rat- und Planlosigkeit in der Führungsetage an der Säbener Straße. Die hohen Herren wollten keine Notlösung und hatten sich doch für sie entschieden. Aus Mangel an Alternativen, hieß es damals. Nun soll es der Louis-van-Gaal-Klon Andries Jonker richten. Tolle Idee. Und so innovativ.“

Tim Schulze (stern.de) freut sich schon auf Jupp Heynckes: „Nun hat die Beziehung mit den deutlichen und harschen Worten von Uli Hoeneß ein unrühmliches Ende gefunden. Jetzt können die Bayern nur hoffen, dass sie mit Andries Jonker das Minimalziel erreichen. In der nächsten Saison übernimmt Jupp Heynckes den Trainerjob beim anspruchsvollen Rekordmeister, ein enger Freund von Uli Hoeneß. Das ist zumindest eine bessere Voraussetzung für gutes Teamwork. Hoeneß und Heynckes pflegen nicht nur ähnliche Vorstellungen von Fußball, sondern können dann alle Probleme beim Rotwein besprechen.“

Nur die Fotografen scharten sich um Felix Magath

Thomas Hummel (sueddeutsche.de) wundert sich über Schalker Teilnahmslosigkeit: „Als Magath zu Spielbeginn auf den Rasen kam, gab es kaum eine Reaktion. Weder positiv noch negativ. Es schien, als wären die Schalker durch das 5:2 im Champions-League-Viertelfinale in Inter Mailand längst in der Post-Magath-Zeit angekommen und kümmerten sich einfach nicht um ihn. Nur die Fotografen scharten sich um den Mann mit dem dunklen Anzug und der grün-weiß-gestreiften Krawatte. Sie drängelten sich im doppelten Dutzend um ihn und es schien, als wollten sie ihm mit ihren Objektiven die Mandeln ausleuchten.“

Daniel Theweleit (Spiegel Online) fordert Siege gegen Köln und St. Pauli: „Hoffnung schöpft der Club aus den beiden anstehenden Heimspielen gegen den 1. FC Köln und den FC St. Pauli. Diese Partien sind wegweisend für die Zukunft des VfL. Magath kündigte an, er werde unter der Woche `Gespräche führen`, um den Ursachen für die fehlende Inspiration und für den Mangel an Engagement auf den Grund zu gehen.   Magath hängt bereits nach wenigen Tagen in Wolfsburg tief in der endlosen Debatte um Anspruch und Wirklichkeit.“

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Kommentare

8 Kommentare zu “Louis van Gaal ist Geschichte”

  1. Manfred
    Montag, 11. April 2011 um 11:00

    Hervorragender Freistoß! Chapeau.

  2. Ulfert
    Montag, 11. April 2011 um 11:01

    Mit drei Fingern zeigt Hoeneß auf sich. Diese Schuldzuweisungen und das Nachtreten sind einfach nur ekelig.

    Schön war ja auch Rumenigge: „Wir wollen keine schmutzige Wäsche waschen und nicht Nachtreten, aber …“

  3. Ulfert
    Montag, 11. April 2011 um 11:09

    P.S.:

    In der Tat, sehr schöner Freistoß. Dazu ein sehr treffender FdT. Und mein Wort des Tages: „interimistisch“

  4. Manfred
    Montag, 11. April 2011 um 11:48

    Den FdT zu loben war auch meine Absicht.

    Zu dem dort angesprochenen Thema noch ein Fundstück:
    http://www.fnp.de/fnp/region/hessen/kommentar-exempel-statt-gerecht_rmn01.c.8824067.de.html

  5. christian
    Dienstag, 12. April 2011 um 08:42

    ulli hoeness wurde schon mit einer schwiegermutter verglichen,die aus liebe alles erdrückt…die trainerauswahl und die anfängliche hörigkeit des vorstandes zu ihrer neuen trainerflamme kann man aber auch mit einem frisch verliebtem vergleichen,der anfangs blind vor liebe die neue flamme mit allem zuschüttet,sich dann nach dem ersten rausch entliebt,nörgelnd wird und dann bei erkalteter liebe alles verdammt-nur um dann bei der nächsten gelegenheit wieder alles genauso kompromisslos von vorne zu beginnen.gelegentliche erneuerung der beziehung mit einer verflossenen inclusive.
    ein konzept,bzw. ein klares beuteschema basierend auf einem (club)konzept fehlt aber…

  6. OF
    Dienstag, 12. April 2011 um 09:06

    Fußballpräsidenten sind halt „emotionale Entscheider“, wie es so schön beschönigend heißt.

  7. Reine Kopfsache
    Dienstag, 12. April 2011 um 18:36

    […] Sinne von Hoeneß und Co. verlief, zog man kurz vor Ende der Saison einen Schlußstrich unter die Ära van Gaal. Und da der neue Trainer mit seiner jetzigen Mannschaft sich noch Hoffnungen auf die Meisterschaft […]

  8. Hans-Ullrich Klemm
    Samstag, 16. April 2011 um 12:37

    Jörg Hanau (FR) und Christian Eichler (FAZ) haben mit ihrer Meinung in`s Schwarze getroffen.
    Nachdem van Gaal nich nur für die vorzeitige Verschiebung auf das Abstellgleis sehr viel
    Geld bekommen wird (die komplette neue Saison
    ist inbegriffen),retteten die Herren der Führungsetage des FCB wenigstens den Verbleib
    für ein paar sehr wichtige Bundesligaspiele
    des bisherigen Co.-Trainers Jonker, der plötzlich ,allerdings sonst unüblich, zum In-
    terims-Choach aufgestiegen ist.
    Er, der in der Vergangenheit immer ohne jeglicher Regung auf der Bank neben seinem Chef stets die scheinbar gleichen Aufzeich-nungen in seinem Block festhielt und nicht gerade eine besonders ausstrahlende Aura hatte, wird in der nächsten Saison dem Club als Übungsleiter der Mannschaft mit gleich-namigen Namen, allerdings in der 4.Liga(!) erhalten bleiben. Wenn das kein Sprung ist…..

    Fakt ist aber allgemein feststellen zu müssen, dass der Lack des langjährigen Bayern-Machers U.Hoeneß durch seine vereinsschädigenden Äußerungen in der medialen Öffentlichkeit stumpf geworden ist. Das gilt auch für seine
    sehr „ungünstigen“ Bewertungen nach der so-
    fortigen Entlassung van Gaals.

    Der Autor dieser Zeilen stellte bereits unter „Das Erbe des Luis van Gaal“ am 20.03.11 die negativen Wandlungen der Person U.Hoeneß fest.

    Ich bin übrigens, im Gegensatz des kurz-zeitigen erfolgreichen Einspringes vor wenigen Jahren von J.Heynkes, diesmal sehr skeptisch, dass sich trotz des sicherlich vorerst angenehmeren Rotweintrinkens mit dem zukünftigen Trainer der erwartete Erfolg auf mehrere Ebenen einstellen wird….

    So, wie gegenwärtig in Schalke, sollte man auch in München eher etwas zurückhaltender planen, statt schon jetzt von einer Betei-ligung bei dem europäischen Endspiel im eigenen Stadion im nächsten Jahr zu sprechen!

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