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Die Frauen-WM ist vorbei – Was bleibt übrig?

Kai Butterweck | Dienstag, 19. Juli 2011 6 Kommentare

Mit dem überraschenden Final-Sieg der Japanerinnen geht die Frauen-WM zu Ende. Die Presse blickt zurück und zieht erste Resümees

Der Frauenfußball wurde innerhalb weniger Wochen von der kleinen auf die große Bühne gehievt. Dabei habe  das frühzeitige Scheitern der deutschen Mannschaft dem Sport zu mehr Glaubwürdigkeit verholfen. Christian Kamp (FAZ) trocknet die Tränen: „Am Reißbrett war diese WM als Win-win-Ereignis für alle entworfen worden. Es war dann eine etwas bittere Pointe, dass ausgerechnet jene, die doch die Hauptdarsteller sein sollen, als einzige echte Verlierer dastanden. Das Spiel der deutschen Fußballfrauen, deren dritter WM-Erfolg in Serie praktisch eingepreist war, kollabierte regelrecht unter dem Druck der Erwartungen, die sie und der DFB selbst geschürt hatten. Es war andererseits beruhigend zu sehen, dass es eine sportliche Realität gab, die sich der Vermarktungswunschwelt entzog. Dass es einen Wettkampf gibt, in dem man scheitern kann, auch wenn das Drehbuch das nicht vorgesehen hat. Auch wenn es für die Betroffenen schmerzlich war: Das war der Moment, in dem das Authentische Oberhand über das Künstliche gewann.“

Die Spielerinnen haben sich jedes Lob verdient

Christoph Ruf (Spiegel Online) resümiert die WM und entscheidet sich bei seinem Fazit für den Mittelweg: „Es ist vollbracht, die Frauenfußball-Weltmeisterschaft ist zu Ende . Schon sehr bald werden wieder die Meldungen aus dem Männerimperium die Schlagzeilen bestimmen. Doch das ändert nicht das Geringste an der Feststellung, dass diese WM viel mehr Menschen Freude bereitet hat, als selbst die optimistischsten Beobachter es für möglich gehalten hätten. Die zurückliegenden vier Wochen haben demjenigen, der bereit war, sich auf das Turnier einzulassen, schließlich vieles von dem geboten, was den Reiz großer Sportfeste ausmacht. Es gab – neben richtig schlechten – ein paar gute und einige sehr gute Spiele. Man kann den Frauenfußball auf zweierlei Arten diskriminieren. Indem man ihn ignoriert. Und indem man ihn über den grünen Klee lobt. Das wird vor allem den Spielerinnen und den Teams nicht gerecht, die sich wirklich jedes Lob verdient haben. Und von denen gab es schließlich genug.“

Die hohen TV-Einschaltquoten während der Spiele sprechen eine deutliche Sprache. Holger Gertz (SZ)  macht den „Reiz des Spiels“ mitverantwortlich für die Begeisterung vor den Bildschirmen: „Warum interessieren sich die Leute für Begegnungen zwischen Frauen, die vor ein paar Wochen noch niemand kannte? Der Reiz liegt im Spiel selbst. Fußball zu schauen, das bedeutet immer auch, in die Seele des Sportlers hineinzusehen. Wie geht einer um mit den eigenen Erwartungen und denen des vieltausendköpfigen Monsters namens Publikum? Gerade für Zuschauer, die sich in den taktischen Finessen nicht auskennen, liefert ein WM-Spiel – also eines, bei dem es um etwas geht – viele Gelegenheiten, mit den Fußballern und Fußballerinnen zu leiden, oder mit ihnen erleichtert zu sein.“

Momente der Unbeholfenheit, Ungelenkigkeit und Unbedarftheit

Für Christoph Albrecht-Heider (Berliner Zeitung) entwickelte sich das „Sommermärchen“ zu einem „Sommerspuk“: „Eigentlich ist es ganz einfach: Momente der Unbeholfenheit, Ungelenkigkeit, Unbedarftheit waren während der WM unübersehbar, und dabei ist noch nicht einmal an Torhüterinnen und Schiedsrichterinnen gedacht. Die Zahl der `unforced errors`, der nicht auf gegnerischer Einwirkung beruhenden Fehler, ist hoch. Hingegen schmettern im Spitzenvolleyball keine unbeholfenen Spielerinnen, und ungelenke Turnerinnen schaffen es nicht aufs Siegerpodest. Wenn Ariane Friedrich über zwei Meter floppt, ist ihr Bewegungsablauf womöglich gar ausgereifter als der eines 2,30-Meter-Springers. Bei der Fußball-WM gingen viele Spielerinnen dagegen zum Kopfball, als sei ihnen dabei unbehaglich. Dies alles aber durfte in den Tagen, in denen die deutsche Mannschaft noch auf dem Weg ins Finale war, nur hinter vorgehaltener Hand gesagt werden. Eine Watte des Wohlwollens lag über der sportlichen Seite der WM. Die, die sie ausbreiteten, ahnen nicht, wie beleidigend gönnerhaftes Lob in Wirklichkeit ist.“

Andreas Rüttenauer (taz) begab sich drei Wochen lang auf Reportertournee. Dabei trennt sich gleich zu Beginn des Turnieres  die Spreu vom Weizen: „Nicht überall brummt es. Man hört es am lauten Kinderkreischen, dass etwas anders ist am ersten Montag des Turniers. Nach dem ausverkauften Sinsheimer Turnierauftakt und dem Stimmungswahnsinn beim offiziellen Eröffnungsspiel in Berlin zwischen Deutschland und Kanada wird schnell klar, dass nicht alles begeistert, was Frauenfußball ist. Am Nachmittag spielt Japan gegen Neuseeland in Bochum. Über 12.000 Zuschauer sollen da sein. Viele Kinder sind darunter. Die deutschen WM-Sponsoren, vor allem die Telekom, haben in großem Stil Karten gekauft und sie vor allem an junge Fußballerinnen verschenkt. Gekaufter Jubel.“

In welcher Mannschaft spielt eigentlich Inka Grings?

Die Frauenfußball-Bundesliga erhofft sich einen Schub durch die WM. Heiko Hinrichsen (Stuttgarter Zeitung)zweifelt nach dem Verlauf der Veranstaltung an einer größeren Wahrnehmung des Liga-Alltags: „Nachdem sich der Hype um die DFB-Selektion spätestens mit dem Ende der WM gelegt hat, wird man im deutschen Frauenfußball eine Bilanz ziehen. Was hat das Turnier dem Ansehen der Frauensparte oder der Förderung junger Talente nachhaltig gebracht? Schon jetzt sind unter dem Dach des DFB 1,1 Millionen Frauen und Mädchen aktiv. In der Frauenbundesliga beginnt der Spielbetrieb am 21. August. Wird sich das WM-Publikum, das im Spitzensport immer mehr von Eventfans ohne allzu große emotionale Bindung zu den Akteuren begleitet wird, dann noch erinnern, in welcher Mannschaft etwa die Liga-Rekordtorjägerin Inka Grings spielt?“

Kaum jemand hatte zu Beginn der WM die Asiatinnen auf der Rechnung. Christoph Neidhart (SZ) beschäftigt sich mit dem Erfolgsgeheimnis der Japanerinnen: „Nur selten wachsen japanische Teams über sich hinaus wie jetzt die Fußballerinnen. Der Sieg der Volleyballerinnen bei Olympia 1964 in Tokio ist bis heute eine ähnliche Helden-Legende. Es mag stimmen, dass die dreifache Katastrophe die Japanerinnen anspornte. Coach Norio Sasaki motivierte die Spielerinnen mit Bildern aus dem Tsunami-Gebiet. Aber damit lässt sich dieser Erfolg nicht erklären. Die Japaner mögen Geschichten, in denen ihre Landsleute übermächtige Gegner besiegen. Sie machen sich und ihr Land oft kleiner, als sie sind. Nach dem Halbfinale sagten mehrere abschätzig, die Amerikanerinnen seien ja Männer, vor allem Abby Wambach mit ihren 1,81 Meter. Und der Sieg ist nun besonders süß, weil die USA die ehemalige Besatzungsmacht sind, die noch immer Militär in Japan stationiert hat, die man zugleich bewundert und verabscheut.“

Das gesprochene Wort wird nicht nur nicht respektiert, sondern verfälscht

J. Köpp und M. Völker (taz) befassen sich kritisch mit der Medienpolitik während der WM: „Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und etliche Manager von Spielerinnen waren der Meinung, man könne der Öffentlichkeit ein bestimmtes Bild oktroyieren, die Presse führen und bevormunden. Das war zu einem Teil Strategie, zum anderen auch der Übervorsichtigkeit von DFB-Mitarbeitern geschuldet, die sich in der Welle der Aufmerksamkeit freischwimmen mussten. Lieber nichts falsch machen, war die Devise. Also wurden meist alle interessanten und irgendwie knackigen Stellen in Interviews umgeschrieben oder gar gestrichen. Manchmal wurde in den Manuskripten so wild herumgefuhrwerkt, dass sich manche Zeitungen entschieden, diese Interviews lieber gar nicht zu drucken. Bei den Frauen kommt man zwar leichter an Gesprächstermine heran, aber autorisiert wird nach Steinzeitmethoden. Das gesprochene Wort wird hier nicht nur nicht respektiert, sondern verfälscht.“

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Kommentare

6 Kommentare zu “Die Frauen-WM ist vorbei – Was bleibt übrig?”

  1. Fred
    Mittwoch, 20. Juli 2011 um 12:42

    Die Presse zieht erste Resümees? Welche Resümees folgen denn noch, Herr Butterweck? Und wann?

  2. lateral
    Mittwoch, 20. Juli 2011 um 22:16
  3. Christoph
    Freitag, 22. Juli 2011 um 12:16

    Jetzt lassen wir das ganze mal Revue passieren, denken an die schönen und schlechten Momente und sehen dann weiter. Der graue Ligaalltag wird schon noch kommen. Und dann geht es an die Fehleranalyse bei allen Beteiligten.

  4. Michael / besser Laufen
    Freitag, 22. Juli 2011 um 16:12

    Ich hatte schon bei den ersten Spielen der deutschen Mannschaft auch das Gefühl, die kommen nicht allzu weit. Dreimal hintereinander Weltmeister zu werden wäre ja auch sehr ungewöhnlich.

  5. Fred
    Dienstag, 26. Juli 2011 um 12:56

    Folgen noch weitere Resümees, Herr Butterweck?

  6. Kai Butterweck
    Freitag, 5. August 2011 um 11:36

    @Fred: Sorry, ich bin etwas spät dran, aber ich muss sie leider enttäuschen. Mehr kommt da nicht mehr;-)

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