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Bundesliga

Uli Hoeneß – Schatten der Vergangenheit

Kai Butterweck | Montag, 22. April 2013 3 Kommentare

Der Verdacht auf Steuerhinterziehung im Hause Hoeneß schlägt in der Presse hohe Wellen. Außerdem: Werder Bremen am Abgrund

Uli Hoeneß soll beträchtliche Summen in der Schweiz vor dem Finanzamt versteckt haben. Klaus Ott, Hans Leyendecker und Andreas Burkert (SZ) erklären, um was es geht: „Um das Jahr 2000 soll Hoeneß von seinem Freund Robert Louis-Dreyfus, dem ehemaligen Adidas-Chef, ein Darlehen in der Größenordnung von 10 bis 15 Millionen Euro bekommen haben. Mit dieser Summe soll er an der Börse spekuliert haben. Vor mehr als zehn Jahren soll Hoeneß, der eine Neigung zum Zocken hat, bei der in Zürich ansässigen Bank Vontobel AG ein Konto eingerichtet haben, auf dem er Millionen Euro lagerte. Es handelte sich nicht um Schwarzgeld, sondern um versteuertes Geld. Aber er zahlte dem deutschen Fiskus offenbar nicht die Kapitalertragsteuer.“

Wohl jeder hätte ihm mehr zugetraut

Christian Eichler (FAZ) wirft grundlegende Fragen in den Raum: „Die einen werden nun die moralische Frage stellen: Wie dreist muss einer sein, öffentlich zu fordern, man müsse das Geld der „Reichen“ im Lande halten – während er sein eigenes längst ins Ausland geschafft hatte? Den anderen, denen moralische Doppelbödigkeit egal ist, bleibt die technische Frage: Wie kann der Mann, der den finanzstärksten Klub Europas formte und sich den Ruf erwarb, man könne ihm in finanziellen Dingen nichts vormachen, wie kann ein Hoeneß sich in solch einer Sache erwischen lassen wie ein naiver, knickriger Kleinunternehmer, der seine Kröten über die Grenze geschafft hat? Wohl jeder hätte ihm mehr zugetraut. Mehr Ehrlichkeit. Oder mehr Cleverness.“

Matthias Schiermeyer (Stuttgarter Zeitung) klettert in Richtung Himmel: „Folgt man den Worten von Uli Hoeneß in Talkshows, so entsteht der Eindruck: Da ist nur noch der liebe Gott über ihm – die Ikone des Fußballs weiß es gerne besser als die Politiker. Nun stellt sich heraus, dass auch die Justiz einen höheren Rang einnimmt. Denn lediglich seiner Angst vor dem Gesetz, vor einer Haftstrafe gar, ist es zu verdanken, dass der ­Präsident des FC Bayern Selbstanzeige erstattet hat. Er hat gehofft, mit Hilfe des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens als anonymer Sünder davonzukommen – und hat sich verkalkuliert.“

Als Präsident nicht mehr tragbar

Robert Peters (RP Online) setzt den Bayern-Präsidenten unter Druck: „wenn der Verdacht zur Gewissheit wird, woran nach der Selbstanzeige keine vernünftigen Zweifel bestehen, wird der Präsident Hoeneß für seinen eigenen Klub zur Belastung. Dann ist er in dieser Funktion nicht mehr tragbar. Ausgerechnet in einer Phase, in der die möglicherweise beste Saison der Vereinsgeschichte vollendet werden kann. Der FC Bayern München trifft morgen im Halbfinale der Champions League auf den FC Barcelona. Das ist ein Feiertag für den Fußball. Und es wäre ein Feiertag für München, wenn nicht ausgerechnet jetzt die Steueraffäre öffentlich geworden wäre. Für Hoeneß ist es sicher kein Feiertag.“

Christian Elsaeßer (mz-web.de) schließt sich an: „Natürlich hat der Steuerfall Hoeneß erst einmal eine wirtschaftliche und politische Dimension. Dennoch wird er nicht ohne Auswirkungen auf dem Sport bleiben. Der Marken-Kern des Fußball-Funktionärs Uli Hoeneß ist der erhobene Zeigefinger, das Mahnen und Meckern, das man ihm nur abnimmt, weil seine moralische Integrität und sein soziales Engagement außer Frage stehen. Doch den Moralapostel wird Uli Hoeneß nun nicht mehr glaubwürdig geben können. Und das muss am Ende Konsequenzen haben: Entweder er zieht sich aus seinem Präsidentenamt beim FC Bayern zurück. Oder er verändert die Art seines öffentlichen Auftretens.“

Wie will sich Hoeneß in Zukunft den Blatter vorknöpfen?

Oskar Beck (Welt Online) kratzt am Heiligenschein der Elite: „Immer weniger Außenstehende kommen mit dieser geschlossenen Gesellschaft klar. Doch der größte Tiefschlag aus Sicht der Elite ist jetzt die Sache mit Hoeneß. Der war für viele die letzte Instanz. Er hat Gott und der Welt die Leviten gelesen und ihnen in Talkshows den Weg gewiesen, notfalls mit gestrecktem Bein. Aber wie will er sich künftig den Blatter vorknöpfen oder jenen Klubs mit flammenden Reden ins Gewissen reden, die gegen das „Financial Fairplay“ verstoßen? Das ist die größte Sorge dieser Tage – das Problem Barcelona ist für die Bayern ein Klacks dagegen.“

Verheerende Befunde

In Bremen hat man derweil ganz andere Sorgen, denn nach der Niederlage gegen Wolfsburg rücken die Abstiegsränge immer näher. Ben Binkle (weser-kurier.de) zeigt mit dem Finger in Richtung Bremer Trainerbank: „Nach nun bereits neun sieglosen Spielen in Serie heißt das knappe Fazit: Werder kann es einfach nicht. Denn allein mit Verunsicherung im jungen Team sind Auftritte wie gegen Wolfsburg nicht zu erklären. Werder hat vielmehr ein Problem mit seinem System. Das lässt zwei Schlüsse zu: Entweder sind die Profis nicht in der Lage, Schaafs taktische Ideen umzusetzen. Dann hätten Klaus Allofs und Schaaf über Jahre hinweg die falschen Spieler eingekauft. Oder aber das System des Trainers ist nicht mehr geeignet, um in der Bundesliga Erfolg zu haben. Sei es, weil es die Spieler überfordert, sei es, weil der Gegner sich darauf mittlerweile bestens eingestellt hat. So oder so: Beide Befunde sind für den Trainer gleichermaßen verheerend.“

Auch Frank Hellmann (Berliner Zeitung) spart nicht mit Kritik am Bremer Langzeit-Coach: „Es sind nicht nur die vielen inhaltlosen Sätze, die bei Schaaf schwer irritieren, sondern auch rätselhafte Aufstellungen. Es hatte was von einem Schildbürgerstreich, dass der beste Innenverteidiger, der kampfstarke Grieche Sokratis, auf der linken Außenbahn zweckentfremdet wurde. Nach 33 Minuten korrigierte Schaaf seinen Irrtum – da allerdings hatten die Niedersachsen durch Maximilian Arnold und Ivica Olic längst die Weichen zum Auswärtssieg gestellt.“

Thomas Krause (stern.de) blickt voller Sorge in die Zukunft: „Werder ist nicht dafür bekannt, in Aktionismus zu verfallen. Doch so langsam muss man sich wohl fragen, ob die Vereinsführung an Schaaf festhält, weil sie an seine Arbeit glaubt oder weil sie schlicht keine Idee hat, wer die Mannschaft erfolgreicher trainieren könnte. Viele solcher Auftritte wie gegen Wolfsburg darf sich Werder jedenfalls nicht mehr erlauben. Sonst führt die Ideenlosigkeit von Vorstand, Trainer und Mannschaft den Verein in die zweite Liga.“

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Kommentare

3 Kommentare zu “Uli Hoeneß – Schatten der Vergangenheit”

  1. Uli Hoeneß, Mike Tyson & Suarez | Fokus Fussball
    Montag, 22. April 2013 um 13:52

    […] sind die Vermutungen, zu reißerisch manche Überschrift. Die Neue Zürcher Zeitung und der Indirekte Freistoss bieten einen ersten Überblick über das Gesagte. Mittlerweile ist Hoeneß im Münchener Merkur zur […]

  2. HUKL
    Dienstag, 23. April 2013 um 17:35

    Der tiefe Fall von U. Hoeneß!
    Eigentlich könnte man es sich leicht machen und die Meldung, die mich übrigens am vergangenen Wochenende am Frühstückstisch über einen Regionalsender im Radio erreichte, einfach ignorieren, weil diese uns einfachen Menschen eigentlich nichts angehen dürfte. Aber so ist es nicht, da diese Person trotz der ihm nachgesagten Polarisierung schon etwas Besonderes, nein, sogar Herausragendes darstellt(e). Für die Einen ist (war) er durch seine bekannten positiven Eigenschaften ein regelrechtes Vorbild, die Anderen hassten ihn, weil seine oftmals überheblichen Sprüche oder abfällige Bemerkungen zu ehemaligen Mitarbeitern oder aktuellen Mitbewerbern in der Bundesliga einfach deplatziert waren.
    Da sich aber plötzlich nach seinem Eingeständnis durch Selbstanzeige als Steuerbetrüger nunmehr auch die Staatsanwaltschaft interessiert, entwickelt sich damit ein ganz neuer Gesichtspunkt zur Einschätzung der Person U.Hoeneß! Ab jetzt sollten wir Fußballfreunde uns mit Kommentaren zu dieser Affäre möglichst sehr zurückhalten und das Endergebnis der dafür zuständigen Behörden in vermutlich ein paar Monaten abwarten. Wenn dieses vorliegt, wird sich mit Sicherheit die Kommentarmaschinerie, die über Betroffenheit, Glückwünsche, Häme oder Unzufriedenheit berichten wird, heißlaufen!
    Fast einheitlich haben die obigen Redakteure
    dieses Thema gut beschrieben. Mich wundert es eigentlich schon, wie verschiedene Spitzenleute des FC Bayern nach Befragung scheinbar unbetroffen reagierten. Egal, wie die Spiele gegen Barcelona, im Erfolgsfall das Letzte in London sowie das zu erwartende Urteil ausgehen werden – das über Jahre mühsam von U. Hoeneß aufgebaute Lebenswerk ist so zerstört worden, dass die Bayern-Neuzugänge von Trainer Guardiola, des Dortmunders M. Götze und weitere Spieler überraschenderweise gegenwärtig nicht die spektakuläre Rolle spielen. Es ist zu erwarten, dass sich auch demnächst der Name des Präsidenten im Club ändern wird. Spätestens dann werden auch die letzten Funktionäre im Verein merken, warum die Selbstanzeige ihres Chefs nicht allein seine Privatsache war…..

  3. Van Kuchen
    Samstag, 27. April 2013 um 18:22

    Der Marken-Kern des Fußball-Funktionärs Uli Hoeneß ist der erhobene Zeigefinger, das Mahnen und Meckern, das man ihm nur abnimmt, weil seine moralische Integrität und sein soziales Engagement außer Frage stehen.

    Ja wo kommt das übherhaupt her, das seine moralische Integrität außer Frage steht?

    Uli H. ist seit Jahrzehnten dafür mitverantwortlich, daß den direkten Konkurrenten in der Liga die besten Spieler weggekauft oder vor der Nase weggeschnappt werden, zuletzt Mario Götze aus Dortmund.
    Nicht, damit sie ihre eigene Mannschaft verbessern, sondern primär, damit der Spieler nicht beim Konkurrenten spielt.
    Wo ist da die Moral?
    Für mich ist das genauso schlimm, wie ein Blutgrätsche auf dem Platz, wenn nicht schlimmer, denn der Spieler spielt ja nie mehr für den Gegner sondern findet sich häufig genug auf Bayern’s Bank wieder.
    Beispiel: Ismael, Schlaudraff, Herzog um nur einige zu nennen. Die Liste ist beliebig erweiterbar.

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