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WM 2014

Pisco & Testosteron: Der chilenische Cocktail?

Erik Meyer | Freitag, 20. Juni 2014 1 Kommentar

Nach der spanischen Niederlage wendet sich die Presse dem Sieger zu. Derweil beantwortet Beckenbauer offene Fragen und Deutschland wird wieder zu Schland.

Tobias Escher (Welt Online) analysiert die unkonventionelle Taktik des chilenischen Trainers unter Bezug auf einen Vorgänger in diesem Amt, Marcelo Bielsa: „Sein Schützling Sampaoli konterkarierte an diesem Abend viele Gewissheiten, die vor der WM postuliert wurden. (…)  Man kann den technisch exzellenten Welt- und Europameister nicht durchgehend unter Druck setzen? Doch, Chile kann. Manndeckungen sind von gestern? Nur wenn sie starr gespielt werden, nicht aber, wenn sie flexibel ausgeführt werden.“

Javier Cáceres (SZ) würzt seine Würdigung des chilenischen Sieges mit Landeskunde: „Das Tor ließ die Spanier unter der Last der Verantwortung endgültig zusammenbrechen, dass Mittelfeldspieler Charles Aránguiz von Internacional Porto Alegre noch das 2:0 erzielte (43.), trug die Züge einer Zwangsläufigkeit, mit der zwischen Feuerland und Atacama-Wüste der Pisco als Digestif gereicht wird. Pisco ist für die Chilenen so etwas wie Muttermilch, allerdings mit einem Alkoholgehalt von 38 Prozent an aufwärts.“

„Die ewige Last von 1998″, so lautet der Titel des Porträts des französischen Nationaltrainers von Peter B. Birrer (NZZ ): „Deschamps verkörperte Solidität, Verbindlichkeit und Rückendeckung und ist vielleicht darum der ideale Sélectionneur. Von ihm ist weder ein geniales Tor, ein punkartiger Kopfstoss im WM-Final, ein Panenka-Penalty noch ein geniales Dribbling in Erinnerung. Er hatte Ende der neunziger Jahre mit Juventus Turin und Zidane grosse Zeiten, die hinterher aber auch in den Doping-Dunst gerieten.“ 

Die Berufung von Spielern mit Migrationshintergrund in Nationalmannschaften ist inzwischen verbreitet, aber nicht unumstritten wie Christian Eichler (FAZ) feststellt: „In den meisten Fällen nimmt das Publikum die multikulturelle Mischung und multinationale Herkunft seiner Nationalteams inzwischen aber als völlig selbstverständlich hin. Bei der weit überwiegenden Anzahl von Doppel-Staatsbürgerschaften unter Fußballern, wie sie in Europa beschäftigte südamerikanische Profis gern aufgrund irgendwann aus Europa ausgewanderter Vorfahren bekommen, gibt es solch öffentliche Kontroversen wie zuletzt um Costa in Brasilien nicht – oder nicht mehr. Laut ‚Volkskrant‘ haben 247 Spieler der WM, mehr als Drittel, eine solche Doppel-Staatsbürgerschaft.“

Die Nation der Narren

Dirk Gieselmann (Tagesspiegel) kritisiert die Hofberichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender, die „derart affirmativ zu Werke zugehen, dass man glauben könnte, sie seien der verlängerte Arm der DFB-Pressestelle. (…) Alle zwei Jahre, bei den großen Turnieren, wird Deutschland zu Schland, einer Nation der Narren. Den Fans sei dieser Ausnahmezustand vergönnt und verziehen. Die Sender und ihre Journalisten allerdings dürfen sich davon nicht mitreißen lassen.“

Welche Auswirkungen die mittlerweile erfolgten Einlassungen von Franz Beckenbauer auf die Fragen der FIFA-Ethikkommission haben, ist weiterhin unklar, berichten Johannes Aumüller und Thomas Kistner (SZ): „‚Provisorische Maßnahmen können bis zu 90 Tage gültig sein‘, heißt es im Ethik-Code. Dieser schildert auch die Möglichkeit, eine Sperre unter bestimmten Umständen um 45 Tage zu verlängern; nur zur Frage, ob eine verhängte Sperre reduziert oder ganz aufgehoben werden kann, findet sich dort nichts.“

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Kommentare

1 Kommentar zu “Pisco & Testosteron: Der chilenische Cocktail?”

  1. Fußball-WM 2014: Meine Tage mit Übungsleiter Löw (9) | sportinsider
    Freitag, 20. Juni 2014 um 12:28

    […] spanische Kontrahent Chile also souverän mit zwei Auftaktsiegen in der nächsten Runde. Indirekter-Freistoss hat bei seiner Presseschau unter dem Titel Pisco & Testeron: Der chilenische […]

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