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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

EM 2016

EM 2016 – Aufgeblähte Langeweile

Kai Butterweck | Dienstag, 12. Juli 2016 Kommentare deaktiviert für EM 2016 – Aufgeblähte Langeweile

Die EM ist Geschichte. Der Ball ruht. Ganz Portugal freut sich über den ersten großen Titel. Zeit, Bilanz zu ziehen

Der neue Europameister ist gekürt. Der Drops ist gelutscht. War die EM ein Fest? Peter Penders (FAZ) runzelt die Stirn: „Diese Europameisterschaft sei ein großartiger Erfolg gewesen. Man habe beobachten können, dass die Spiele umkämpfter gewesen seien als je zuvor. Wer das sagt? Natürlich die Europäische Fußball-Union (Uefa), aber vielleicht sind die Uefa-Funktionäre in ihrem Urteilsvermögen über ihre eigene Veranstaltung ja doch etwas eingeschränkt. Andere sind von diesem erstmals mit 24 Teilnehmern ausgespielten Turnier nicht so begeistert. Welchen Bundesligatrainer man in diesen Tagen auch fragt, heraus kommt immer derselbe Tenor: Die Vorrunde? Ein Graus, ein Horror, ein Witz. Das Niveau? Erbärmlich, todlangweilig, nur zweitligareif. Das Fazit? Weg mit diesem Modus.“

Der Fußball frisst seine Kinder

Christian Spiller (Zeit Online) braucht eine Pause: „Der Fußball frisst seine Kinder. Und damit ist nicht einmal die Entscheidung der Uefa gemeint, die Kinder von Spielern nach den Partien nicht mehr aufs Feld zu lassen, die in ihrer kalten Geschäftsmäßigkeit kaum zu übertreffen ist. Es ist nicht so, dass das Problem nicht erkannt ist. „Wir killen die Spieler, wir verlangen zu viel von ihnen“, sagte Pep Guardiola bereits vor gut zwei Jahren. „Bei den Spitzenspielern im Fußball sind wir schon lange über den Bereich hinaus, in dem es vertretbar ist. Wir müssen irgendwann das Rad zurückdrehen“, sagte Jürgen Klopp. Nur dreht niemand, und wenn, dann in die andere Richtung.“

Matti Lieske (FR) feiert die Underdogs: „Letztlich muss man Abbitte bei der Uefa leisten, die man für die 24 Teams gegeißelt hatte. Schon die Qualifikation, bei der Holland scheiterte und Deutschland um ein Haar in die Playoffs gemusst hätte, war unterhaltsam, und beim Turnier selbst gab es keine Mannschaft, welche sich die Teilnahme nicht nachträglich verdiente. Am ehesten enttäuschten Russland, Ukraine und Schweden, aber an deren Anwesenheit hätte auch beim früheren Format niemand etwas auszusetzen gehabt. Der Unterschied zwischen den alten Platzhirschen und den kleinen aufstrebenden Ländern hat sich stark verringert, so dass 16 Teams tatsächlich nicht mehr zeitgemäß sind.“

Spielt gerade der HSV?

Auch Hendrik Buchheister (Spiegel Online) spendet den Neulingen Beifall: „Ich fand es interessant und abwechslungsreich, ein paar Mannschaften zu sehen, die man sonst nicht sieht. Zu denen einem sonst der Zugang fehlt. Alleine das hat die EM für mich persönlich zu einem Gewinn gemacht. Doch vom spielerischen Niveau und dem Flair, das viele Spiele des Turniers umwehte, fühlte man sich teilweise ins Hamburger Volksparkstadion versetzt, zu den Bundesliga-Partien des HSV.“

Ivo Hrstic (Sport1.de) fordert ein Umdenken: „Das Turnier war überwiegend geprägt von Langeweile und spielerischer Armut. Zu viele Spiele, zu wenig Tore und zu wenig Emotionen. Das Fazit ist ernüchternd, trotz positiver Farbtupfer wie Island und Wales. Ein Großteil der Teams agierte zurückhaltend und destruktiv, die Folge einer zähen Gruppenphase, die neben zu vielen mittelmäßigen Mannschaften selbst Spitzenteams zum Abwarten und Kräfteschonen nötigte. Dieser EM-Mogel-Modus ist Schwachsinn und muss schnell wieder weg!“

Sven Westerschulze (tz.de) verneigt sich vor den Fans: „Es ist bezeichnend, wenn während eines Turniers mehr über feiernde Fans als über spektakuläre Spiele gesprochen wird. Dazu muss allerdings gesagt werden: Was die Anhänger aus Island, Irland und Nordirland ablieferten, war großartig. Und sorgte zumindest abseits des Platzes dafür, dass diese EM nicht an ihrer selbst produzierten Langeweile erstickte.“

Turnierfeeling wird nur schwerlich aufkommen

Stephan Reich (Tagesspiegel) blickt voller Sorge in die Zukunft: „Ausgetragen wird die EM 2020 in insgesamt 13 Städten in 13 Ländern, genauer: in München, Amsterdam, Baku, Bilbao, Brüssel, Budapest, Bukarest, Dublin, Glasgow, Kopenhagen, Rom, St. Petersburg und London. In jedem dieser Orte findet zudem ein K.o.-Spiel statt – in München zum Beispiel ein Viertelfinale. Im Londoner Wembleystadion finden beide Halbfinals und das Endspiel statt. Eine logistische Herausforderung, für die Fans ohnehin, aber auch für die Mannschaften. Flugdistanzen von mehr als 4000 Kilometern kreuz und quer über den Kontinent werden bei der EM 2020 die Regel sein. Zwischen Bilbao und Baku liegen knapp 5500 Kilometer. Ein weiteres Extrembeispiel: Der Sieger des Viertelfinals in Baku muss drei Zeitzonen Richtung Halbfinale in London passieren. Turnierfeeling wird so nur schwerlich aufkommen.“

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