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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2018

WM 2018 – Kick it like Kroos!

Kai Butterweck | Montag, 25. Juni 2018 1 Kommentar

Nachspielzeit. Freistoß. Tor. Alles wieder gut. Dank Toni Kroos dürfen Joachim Löw und Co weiterhin von einer erfolgreichen Titelverteidigung träumen

Nach seinem erlösenden Zaubertor gegen Schweden nimmt sich Toni Kroos alle Nationalelf-Kritiker zur Brust. Michael Horeni (FAZ) hört genau hin: „Manche Fans mögen die Worte von Kroos kurz nach seinem Tor für trotzig halten. Andere für kindisch. Einige vielleicht auch für arrogant. Aber in dem Satz drückte sich vor allem etwas anderes aus: Der Druck, unter dem selbst der Schütze dieses wunderbaren Tores nach dem Abpfiff noch stand, vielleicht auch seine Einsamkeit und die seiner Kollegen.“

Ein Tor ist ein Tor ist ein Tor

Frank Nägele (ksta.de) gerät ins Schwärmen: „Ein Tor ist ein Tor ist ein Tor. Wie eine Rose. Die Rose ist schön, riecht gut und hat Dornen. Ein Tor entsteht, wenn der Ball die Linie überquert. Aber ein Tor wie dieses, das Toni Kroos am Samstagabend zum 2:1-Sieg über Schweden in Sotschi erzielt hat, ist noch viel mehr. Es ist ein Ereignis, eine Eruption, ein kollektiver Höhepunkt. Dieses Tor war in einem emotionalen Summa Summarum unserer Nation der schönste Moment des Jahres.“

Neben Toni Kroos wird auch Joachim Löw gefeiert. Philipp Selldorf (SZ) gratuliert dem Bundestrainer: „Das Spielfeld in Sotschi verließ Löw als einer der Haupt-Gewinner, weil er andernfalls seinen Job wohl hätte kündigen müssen, er hatte seinen Anteil am Erfolg, auch wenn der erst in vorletzter Sekunde zustande kam. Doch Fortune zu haben, das gehört inzwischen zu Löws Trainerhandwerk.“

Stefan Frommann (Welt) schließt sich an: „Jogi Löw brillierte mit einem ungebrochenen Selbstbewusstsein und übertrug das auf seine Mannschaft. Vor allem auf Toni Kroos, der nach seinem fatalen Fehler zum bestmöglichen Darsteller eines Happy End aufspielte. In Kroos hat Löw nun endlich den Leader, den er so dringend brauchte, denn in Kroos brodelt es. Den vielen Besserwissern wie Matthäus, Effenberg oder Basler, die zusammen keine vier Champions-League-Titel holten wie er, möchte es Kroos zeigen, und Wut ist ein guter Motor.“

Jan Christian Müller (FR) steht neben der deutschen Coaching-Zone und macht große Augen: „Nie zuvor wurde Löw derart hibbelig an der Außenlinie gesichtet wie am Samstagabend gegen Schweden. Er ruderte mit den Armen wie verrückt, er drehte sich mit wegwerfenden Gesten und zur Grimasse verzerrten Gesichtsausdruck  ab, er legte in der Coaching Zone mehr Meter hinter sich als in der gesamten Qualifikation, er haderte und lamentierte wie nie. Die Choreografie des für ein DFB-Team ungewohnt frühen ersten Entscheidungsspiels dieser WM war kaum zu ertragen.“

Eine demütige Art des Führens

Eva Schläfer (FAZ) beschäftigt sich mit der Frage, wie Fußball-Trainer mit besonderen Drucksituationen umgehen: „Ein deutliches Anzeichen für Löws überdurchschnittliche Ausgeglichenheit ist eine Verhaltensweise des 58 Jahre alten Trainers, die Hans-Dieter Hermann, der Sportpsychologe des DFB-Teams, als außergewöhnlich bezeichnet. Über Löw sagt er in einem gerade erschienenen Porträt: Er habe an ihm etwas beobachtet, was sehr selten sei. Obwohl er selbst unter immensem Druck stehe, gebe er diesen Druck nie an andere weiter. Dies sei „eine demütige Art des Führens“.“

Jan Feddersen (taz) steht vor der AfD-Zentrale und verteilt Boateng-Autogrammkarten: „Fußball mit politischem Sinn zu versehen, ist riskant. Was die WM in Russland anbetrifft, ist es so: Jedes Spiel, dass dieses DFB-Team gewinnt, ist wie ein Maulkorb für jene, die sich über das Scheitern der Boatengs & Co. freuen würden – weil sie, wie nicht nur die eiskalte AfD-Spitzenfrau Alice Weidel sagte, dieses Team nicht als ihres, weil nicht deutsches nehmen möchten.“

Claus Vetter (Tagesspiegel) ist Trauzeuge bei der Hochzeit von Fußball und Politik: „Der Fußball kann der Politisierung nicht entgehen. Das wurde in diesen Tagen bei der Fußball-WM deutlich, zum Beispiel, als zwei Schweizer Spieler kosovarischer Herkunft gegen Serbien beim Torjubel die Hände übereinanderlegten – zum Doppeladler, dem Wappentier der Albaner. Im Positiven kann der Sport der Politik aber auch ein Vorbild sein. Der deutsche Sieg am Sonnabend war ein wichtiger Sieg für die Fußball-Nationalmannschaft, aber eben auch ein kleiner großer Sieg für die gute Laune im Lande.“

Experte mit differenzierten Sichtweisen

Nils Balke (morgenpost.de) klopft TV-Experte Thomas Hitzlsperger anerkennend auf die Schulter: „Der 36-Jährige ordnet die Spiele der deutschen Nationalmannschaft mit hoher fachlicher Kompetenz ein. Er erweist sich als Fußball-Experte mit differenzierten Sichtweisen. Ihm gelingt es, im Duo mit Moderator Matthias Opdenhövel ein Gespräch zu lenken. Vor allem aber hinterlässt der gebürtige Münchener bei seinen Auftritten stets einen sympathischen Eindruck: locker, freundlich, niemals aufgesetzt.“

Stefan Krieger (blog-g.de) stößt mit einem ganz besonderen Nationalelf-Fan an: „Man könnte jetzt sagen, es sei Zufall, dass man sich beim Friedberger Markt trifft, aber so groß ist der Platz ja nicht. Und offenbar ist es auch kein Zufall, Heike bei einer Weltmeisterschaft zu treffen. Südafrika 2010 in Pretoria, Brasilien 2014 in Rio, Russland 2018 in Sotschi. Was ganz einfach daran liegt, dass Heike wahrscheinlich der riesengrößte und umtriebigste Deutschland-Fan ist, den man sich überhaupt nur vorstellen kann.

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Kommentare

1 Kommentar zu “WM 2018 – Kick it like Kroos!”

  1. Charly
    Montag, 25. Juni 2018 um 17:46

    Zum Michael-Horeni-Zitat / FAZ:

    „Manche Fans mögen die Worte von Kroos kurz nach seinem Tor für trotzig halten. Andere für kindisch. Einige vielleicht auch für arrogant.“

    Ich bin auch ein Fan und halte die Kroos-Worte für angemessen und zutreffend.

    Dieser ebenfalls gelungene Freistoß zielte nicht auf kritische Fans oder Journalisten, sondern auf Gruselstorys und Unterstellungen verbreitende Dauermiesepeter aus dem Medienzirkus und ihre willfährigen Follower.

    Nicht nur bei Horeni fehlt mir da ein Tropfen Selbstkritik. Sie wird leider nicht kommen.

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