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Ballschrank

Kahn-Affäre

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Kahn-Affäre

Klaus Hoeltzenbein (SZ 4.3.) analysiert die Kahn-Affäre. „In ihrer letzten Sendung konnte Deutschlands populärste Familienshow am Samstagabend, kurz nach 20.15 Uhr, einen modisch gekleideten Gast begrüßen. In Lederjacke, DolceGabana-Hemd und schwarzer Hose mit weißem Schlag erschien Oliver Kahn auf der ZDF-Bühne von „Wetten, dass …“, auf der ihm der neunjährige Wettkandidat Xaver vorgestellt wurde. Ein kurzes, ein öffentliches Gespräch, in dessen Verlauf der Torwart dem Schüler versicherte, wie sehr er sich seiner öffentlichen Rolle bewusst, wie klar ihm seine Funktion als Vorbild sei. Freigegeben für jeden, der sich daran orientieren möge. Anderthalb Wochen später ist dieses Bild zerbrochen (…) Dass Oliver Kahn kein kühl kalkulierender Fremdgänger sein kann, wird sich an den Folgen für ihn zeigen. Viele seiner Sponsorverträge waren auf sein Image gebaut, einige davon werden jetzt wohl überdacht. Wie einst bei Boris Becker, der in der Werbung nur noch eine nachrangige Rolle spielt. Die Willensstärke, die den Torwart prägt, ist offenbar nur auf den engen Rahmen eines Fußballplatzes begrenzt, außerhalb gibt es Versuchungen, denen er leicht zu erliegen scheint. Sportler als Vorbilder? Eine Maske. Immer schon.“

Philipp Selldorf (SZ 3.3.) berichtet. „Jetzt ist der Stein ins Rollen gekommen, und „da fällt sogar Schadensbegrenzung schwer“, wie es beim FC Bayern heißt. Nicht nur dort fragt man sich, wieso sich Kahn, 33, mit seiner jungen Liebschaft so öffentlich exponiert hat. Schon vor Wochen erlebten die Gäste der Münchner Premierenfeier des Kinofilms „Anatomie 2“, wie sich der blonde Fußballstar in der Diskothek P1 sehr ungezwungen der just dort als Aushilfskellnerin beschäftigten 21-Jährigen näherte. Er unternahm mit ihr einen Ausflug nach Monaco und besuchte den Jet-Set-Club „Jimmy’s“, in dem mehr Paparazzi als Gäste verkehren. Er zog mit ihr durch Schwabinger Bars, wo er munter Cocktails trank – und die perfekte Zielscheibe abgab für die grobkörnigen Schnappschüsse, welche die aktuelle und Bild präsentierten. Hat er wirklich geglaubt, ungeschoren zu bleiben? „Es kann keine Dummheit sein – denn dumm ist er nicht“, wundert man sich beim FC Bayern. Kahn war zwar schon immer ein Einzelgänger von seltsam zerrissener Wesensart, aber als er sich vor einem Jahr einen Ferrari 360 Modena Spider anschaffte und sich mondän gestylt und rauchend in Szenebars ins Zeug legte, staunten sogar seine Kollegen. So aber kann er sich den Schlussstrich unter die seit langem währende Kolportage seiner Eheprobleme nicht gewünscht haben. Als am Freitag das Unheil nicht mehr abzuwenden war, informierte er seine Frau und ließ dann den Medien eine gestelzt formulierte Erklärung über „private Schwierigkeiten“ zukommen. Kahn kündigte an, „auch in nächster Zeit mit meiner ganzen Kraft ausschließlich meiner Frau und meinen Kindern zur Verfügung zu stehen“. Darüber allerdings entscheidet er nicht allein.“

Marko Schumacher (NZZ 4.3.) blickt noch einmal auf den Rücktritt Hans Meyers zurück. „Der Abgang Meyers – aus persönlichen Gründen – nach dreieinhalb zumeist erfolgreichen Jahren in Mönchengladbach gehört ohne Zweifel zu den ungewöhnlichsten in der Geschichte der Bundesliga. Er passt bestens ins Bild des kauzigen Fussballlehrers aus Thüringen, der sein Geschäft stets mit selbstironischer Distanz betrachtete, der zuletzt aber auch müde wirkte und sich das Theater Bundesliga nicht länger antun mochte. Schon anderthalb Wochen zuvor, nach dem Sieg gegen Wolfsburg, hatte der 60-Jährige seinen Rücktritt angeboten. Damals war er von den Klubverantwortlichen noch abgelehnt worden. Es folgte das 0:4-Debakel in Stuttgart, mit dem Meyer seine 30-jährige Trainerkarriere nicht beenden wollte. Das 2:2 gegen Schalke schien ihm nun der genau richtige Zeitpunkt zu sein. Meyer bot hernach eine perfekte Selbstinszenierung und verschaffte sich einen grossen, würdigen Abgang (…) Lienen, im Gegensatz zu Meyer für eher humorfreie Auftritte bekannt, bemühte sich bei seiner Vorstellung am nächsten Tag denn auch redlich, den Anschein zu vermeiden, er selber habe die Entwicklung forciert. Von einer für alle Beteiligten sauberen Lösung sprach er und davon, die Arbeit in Mönchengladbach im Geiste Meyers fortsetzen zu wollen. Dazu gehört, dass auch Lienen künftig auf die Dienste der Routiniers Münch und Witeczek verzichten wird. Beide taten sich in den vergangenen Wochen vornehmlich als notorische Störenfriede hervor und waren von Meyer suspendiert worden. Der Abstieg soll mit charakterfesteren Spielern vermieden werden, was angesichts des derzeit drittletzten Tabellenplatzes zwar nicht aussichtslos, aber dennoch schwierig werden dürfte. Zur Not kann sich Lienen Ratschläge bei seinem Vorgänger holen. Hans Meyer nämlich bleibt der Borussia als Talentscout erhalten. Die Bundesliga allerdings hat eines ihrer letzten wirklichen Originale verloren. Nicht nur sein denkwürdiger Abgang wird noch eine Weile in Erinnerung bleiben.“

Der DFB-Präsident ist 70 geworden. Michael Horeni (FAZ 1.3.) gratuliert. “Trotz der objektiven Erfolge in jüngster Vergangenheit – Mayer-Vorfelders öffentliche Reputation ist nicht ansatzweise in dem Maße mitgewachsen, wie es der Aufschwung im deutschen Fußball nahelegt. Dafür ist die Vergangenheit von MV zu lang, zu polarisierend und zu wirkungsmächtig. Zwei Jahre DFB-Präsidentschaft werden von knapp 20 Jahren als Minister in Baden-Württemberg und rund 25 Jahren als Präsident des VfB Stuttgart weitgehend überlagert. Nicht zuletzt, weil die Stuttgarter Staatsanwaltschaft noch immer gegen den einstigen und letzten Patriarchen des VfB wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt (…) Der Präsident hat den Verband mit taktischem Geschick vorangebracht. Eine unangreifbare Autorität aber fehlt dem DFB gerade in diesen Zeiten. Kirchs geheime Verbindungen zum FC Bayern München und zum WM-Organisationskomitee sowie die Krise beim 1. FC Kaiserslautern tragen allesamt zu einem massiven Glaubwürdigkeitsverlust bei, dem zu begegnen sich der DFB kaum in der Lage sieht. Jenseits der aktuellen Turbulenzen mit noch nicht absehbaren Konsequenzen leuchtet einigend allein die Weltmeisterschaft 2006.“

Evi Simeoni (FAZ 1.3.) fordert. “Jetzt ist es also raus: Im Profifußball geht es nur ums Geld. Das ist natürlich allerhand. Und eine große Enttäuschung. Und wer ist schuld? Natürlich die mauschelnden Lederhosen aus der Olympiastadt, vom FC Bayern. Da gehen sie Jahr für Jahr als brave Seppl verkleidet aufs Oktoberfest, als könnten sie höchstens einmal einer zarten Weißwurst etwas zuleide tun. Und nun kommt heraus, daß sie vor Jahren einen Geheimvertrag mit dem mittlerweile verkrachten Medienunternehmer Leo Kirch abgeschlossen haben, in dem sie sich ihre Solidarität mit dem Rest der Liga haben vergolden lassen. Seitdem wird landauf, landab sehr viel von Moral gesprochen. Aber wahrscheinlich nur, weil man dem Kaiser und seinen Untertanen juristisch nicht viel nachweisen kann. Und nur in dem Sinne, daß es sie eben nicht mehr gäbe, die Moral im deutschen Fußball. Das ist interessant. Denn das klingt ja gerade so, als hätte es sie vor dem Geheimvertrag noch gegeben, die Moral im Fußball. Und der FC Bayern hätte sie verdorben. Da lobt sich der Fußball-Moralist doch Borussia Dortmund. Die haben allzeit offen gezeigt, wie unsolidarisch sie sind, wie liebend gerne sie aus der Interessengemeinschaft Fußball-Bundesliga aussteigen, ihre Fernsehrechte allein vermarkten und den Rest der Liga im Regen stehen lassen würden. Weil das dem Rechtehändler und Bayern-Spezi Kirch nicht gefallen haben dürfte, stellt sich an diesem Punkt eigentlich die Frage, wieso er der Borussia die Rückkehr zur Solidarität nicht auch mit einem millionenschweren Geheimvertrag erleichtert hat. War der deutsche Meister nicht wichtig genug? Das wäre ja echt peinlich. Bleiben wir noch einen Moment bei der moralischen Frage, bevor wir auf die Lederhosen zurückkommen: Ist es nicht ein ideales, ein gerade von moralisch untadeligen Menschen zu lobendes Geschäft, das einerseits den kleinen Klubs ihre Fernseheinnahmen sichert und andererseits dem FC Bayern einen Batzen Geld einbringt? Wir meinen: ja. Und deswegen fordern wir das Fußballvolk in dieser moralischen Krise auf: Zeigt ihr nun auch Solidarität! Tragt an Karneval Lederhosen.“

Reaktionen der Konkurrenz auf die Kirch-MillionenFR SZ

Unterhaus

„In der Regionalliga kämpfen immer mehr Vereine um die nackte Existenz, in der Zweiten Liga steht fast die Hälfte der Klubs am finanziellen Abgrund. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird größer“, vermeldet Christoph Ruf (taz 4.3.). „Preußen Münster, Dresdner SC, KFC Uerdingen, SC Paderborn – die Liste der Vereine, die allein in der Regionalliga Nord ums nackte Überleben kämpfen, ließe sich lange fortsetzen. Wenn, wie in Uerdingen, auf der Homepage Vereinsvideos aus besseren Zeiten online versteigert werden, kommt das Liga-Insidern schon lange nicht mehr skurril vor. Längst werben Vereine mit einer Banalität für ihre angebliche Bonität: dass pünktlich die Gehälter ausbezahlt werden. Das Dilemma, in dem die Liga steckt, hat viele Ursachen. Vor allem die Vereine, die höhere Ambitionen haben, investieren Unsummen in ihre Kader, um möglichst schnell wieder an die Fleischtöpfe zu gelangen. Entweder der Kraftakt gelingt oder der Club findet sich binnen kurzem in der Bedeutungslosigkeit wieder. Diese Gamblermentalität ehrgeiziger Vereins-Potentaten wurde in der Vergangenheit durch die millionenschweren Darlehen der Kinowelt-Gruppe um Dr. Michael Kölmel befördert. Nun steht der Filmrechteverwertungsgesellschaft selbst das Wasser bis zum Hals, und fast alle Clubs, die Kölmel unter den Fittichen hatte, gehören zu den Pleitiers des Genres. Das Dilemma scheint ausweglos: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und wer wagt, verliert meist trotzdem. Und dann gleich alles. Auch für Uwe Wiesinger von Darmstadt 98 ist das Problem ein grundsätzliches, denn Zweit- und Erstligisten seien von den Entwicklungen in der dritten Liga in gleichem Maße betroffen: Die Kluft zwischen den paar reichen Vereinen, die ums internationale Geschäft mitspielen, und den anderen Clubs wird doch Jahr für Jahr immer breiter, sagt der Steuerberater, der als einer von zwei Ligasprechern die Vereinsinteressen gegenüber dem DFB vertritt. Daher müssten auch die Vertreter der Zweiten Liga ein Interesse daran haben, die Regionalliga attraktiver zu machen: Jeder Zweitligist kann absteigen und steht dann vor dem gleichen Dilemma wie wir jetzt schon. Etwa 400.000 Euro bekommt jeder Drittligist aus dem Topf der Fernsehgelder, in Liga zwei ist es ungefähr das Zehnfache. Darüber, dass die Regionalligisten so stiefmütterlich bedacht und als Amateure behandelt werden, könnte sich Uwe Wiesinger stundenlang echauffieren. Es gibt meines Wissens keinen Verein, wo die Spieler nicht hauptberuflich Fußball spielen. Das sind Profis. Dass Spieler, die unter Profibedingungen arbeiten, auch wie Profis bezahlt werden wollen, versteht sich von selbst. Umso wichtiger sind die Zuschauereinnahmen. Und die gehen in den Keller, weil immer mehr Amateurabteilungen von Profivereinen in die Regionalliga drängen. Zu den Heimspielen der Amateure von Leverkusen, Dortmund und Bayern kommen manchmal nur 200 Zuschauer, auch auswärts will die oft mit Bundesligaspielern gespickten Nachwuchsschmieden kein Mensch sehen. Die Regionalliga lebt von den Lokalderbys. Gegen Offenbach haben wir die Hütte voll, Lauterns Amateure will aber kein Mensch hier sehen, sagt Wiesinger. Auch aus rein sportlichen Gründen ist es immer mehr Vereinsvertretern ein Dorn im Auge, dass so viele Profiklubs mit Macht in die Liga drängen. Denn nicht nur Borussia Dortmund kann wesentlich mehr Geld in seinen Nachwuchs investieren, als die meisten Ligakonkurrenten in der Lage wären. Hinter vorgehaltener Hand fällt da schon mal das Wort Wettbewerbsverzerrung, zumal auch gestandene Profis wie Lars Ricken, Rudolfo Cardoso oder Colin Benjamin schon in Liga drei die Stiefel schnürten.“

„Der hoch verschuldete Traditionsverein Borussia Neunkirchen steckt in den schwersten Zeiten seiner langen Geschichte“taz

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