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Nachschuss

Masannek, Joachim – Die wilden Fußballkerle

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Masannek, Joachim – Die wilden Fußballkerle

Die im folgenden vorzustellende Neuerscheinung auf dem Markt der Fußballliteratur beschäftigt sich endlich einmal nicht mit den Beckenbauers, Maradonas oder Effenbergs dieser Welt; sie ist auch nicht abstrakten Spielsystemen oder gar Tante Käthes Eleven gewidmet. Der dreibändige Fußballroman für Kinder huldigt vielmehr den einzig wahren Helden des Spiels: Den ebenso unbekannten wie leidenschaftlichen Dribblern und Keepern unserer Kindheit. Unter dem Titel „Leon der Slalomdribbler“ porträtiert der erste Band die Auseinandersetzungen von zwei Jungengruppen um die Nutzungsrechte an einem lokalen Bolzplatz. Die Entscheidung im finalen Verteilungskampf soll – wie nicht anders zu erwarten – in einem Fußballmatch beider Parteien fallen. Das Buch erzählt nun von den Bemühungen der jüngeren und körperlich unterlegenen Mannschaft sich auf dieses ungleiche Duell vorzubereiten. Es berichtet von Leons Motivationskünsten und vom Ex-Profi Willi (Lippens? Entenmann? Schulz?), der die wilden Fußballkerle nun zu trainieren beginnt. Wie das Spiel am Ende ausgeht, soll natürlich nicht verraten werden. Aber wenn der wenig sympathische Anführer der gegnerischen Partei uns als „Dicker Michi“ präsentiert wird, können wir den Ausgang wohl erahnen.

Im zweiten Band wird die Grundmelodie der im Sport möglichen Siege über die soziale Ungleichheit auf die Kategorien Ethnizität und Klasse bezogen. Hier geht es um die sich entwickelnde Freundschaft von Rocce, dem Sohn eines brasilianischen Bayern-Profis, und von Felix, dem Wirbelwind einer Straßenmannschaft. Das gemeinsame Fußballspielen gerät in Gefahr als der Vater von Rocce – in typischer Bayern-Manier – diesem das Mitwirken in der unstandesgemäßen Straßenmannschaft verbieten will. Von da ab geht es weiter wie oben beschrieben : Die Truppe um Felix und Rocce gibt die Straßen-Attitude schrittweise auf, legt sich eine bürgerliche Arbeitsethik zu (Trikots, Satzung sowie Training, Training, Training) und fordert die Jugendauswahl des großen FCB zum Duell. Alles wird gut! Und Uli Hoeneß geht als Sozialarbeiter an die Grünwalderstrasse. Wer nun glaubt, dass dieses Ausmaß an Political Correctness nicht zu überbieten sei, wird im dritten Band überrascht. Wie zu befürchten war, steht nun ein kickendes Mädchen im Mittelpunkt. Vanessa ist ein echter Fußballfreak und will – laut Klappentext – „die erste Frau sein, die in der Männer-Nationalmannschaft spielt. Ihre Mädchen-Mannschaft geht ihr auf den Keks, mit denen wird sie nie gewinnen“. Also wechselt die unerschrockene Maid in eine Jungenmannschaft, begegnet dort vielen Widerständen und setzt sich am Ende bei den wilden Fußballkerlen durch. Das Buch ersetzt spielend die oft recht anstrengende Lektüre einschlägiger Befunde der Gender Studies, da es recht plastisch schildert, wie Geschlecht sozial konstruiert wird: „Oh, Mann! Das war´s. Ich hatte es endlich geschafft. Endlich war ich, Vanessa, die Unerschrockene, ein Wilder Kerl. Ich fühlte mich wie ein Bauernjunge, den man zum Ritter geschlagen hatte…“ (Originalzitat).

Die Erzählstruktur aller Bände folgt im wesentlichen jenem Muster, dass aus einer Vielzahl us-amerikanischer Sportfilme seit Jahrzehnten bekannt ist: Die benachteiligten Außenseiter können im Sport (und im Leben) alles erreichen, wenn sie sich nur hinreichend anstrengen und solidarisch zusammenarbeiten. So wie Leon, Felix, Vanesssa, der kleine Rudi (später: Tante Käthe) oder Jerry Maguire. In diesem Sinne zeigen die Bücher von Joachim Massannek auch wie nahtlos sich die Mythologie des Sports mit der Mythologie der Kindheit verschmelzen lässt.

Jürgen Schwier

Masannek, Joachim (2002), Die wilden Fußballkerle, 3 Bände, Frankfurt/Main: Baumhaus Verlag.

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