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Ballschrank

WM-Finale 1974

Oliver Fritsch | Mittwoch, 7. Juli 2004 Kommentare deaktiviert für WM-Finale 1974

Deutschland-Holland 2:1

Taktisch und technisch großartiges Finale

Von wegen Schwalbe – die SZ (8.7.74) ist mit dem Schiedsrichter zufrieden und von dem Spiel begeistert: „In einem taktisch und technisch großartigen Finale, das reich an Dramatik und Höhepunkten war, hätten ebenso gut die Holländer triumphieren können. Die Niederländer verlangtem ihrem Gegner alles ab, gingen aber letztlich doch mit fliegenden Fahnen unter. Der Knalleffekt gleich zum Anfang, wie ihn nur ein routinierter Regisseur hätte im Drehbuch stehen haben können, ließ bereits ahnen, was sich in diesen nachfolgenden gehaltvollen, nervenaufreibenden 89 Minuten noch ereignen würde. Keine Frage, die Elfmeter-Entscheidung von Schiedsrichter Taylor war beim Foul gegen Cruyff ebenso korrekt wie hernach beim Foulspiel gegen Hölzenbein. Ohne die klare und bestimmte Spielleitung des Engländers – wer weiß, welch betrüblichen Ausgang dieses Finale genommen hätte? Die Hektik war ohnehin schon groß genug.“

Genugtuung und Befriedigung

Die NZZ (10.7.74) beobachtet verhaltene deutsche Freude: „Wie einige Beobachtungen in der Nacht nach dem Sieg zeigten, haben sich bei den Fußballanhängern in Deutschland nicht etwa Deliriumserscheinungen bemerkbar gemacht. Genugtuung und Befriedigung über das Resultat eines Endspiels, dessen Ausgang lange Zeit auf des Messers Schneide stand, lag auf den Gesichtern; Genugtuung vielleicht darüber, daß die betont selbstsicher, im Match selbst gelegentlich fast überheblich wirkenden Holländer einen Dämpfer erhalten hatten. Johan Cruyff, der in diesem Final einiges von seinem Glanz verlor, hätte einsehen müssen, daß er mit Einzelaktionen wie zu Beginn nicht mehr Erfolg haben werde, zu aufmerksam war Vogts.“

Nichts anderes als ein sportlicher Erfolg

Die FAZ (8.7.74) rückt die Bedeutung des Ereignisses zurecht: „Eine Leistung, auf die unsere siegreiche Auswahl stolz sein kann. Stolz aber auf nichts anderes als einen sportlichen Erfolg. Daran sei erinnert. Dieses Land hat schon mehr Weltmeister hervorgebracht und Olympiasieger dazu, Nobelpreisträger auch, weltberühmte Dichter, Komponisten, Maler. Menschen, deren Ruhm Jahrhunderte überdauert hat. Für sie gab und gibt es keine Weltmeisterschaft. Im Sport unserer Tage ist dieser Titel möglich. In dieser Stunde, in der ein nicht unbeträchtlicher Teil der Menschen unseres Landes meint, im Olympiastadion sei etwas ganz Außergewöhnliches geschehen, muß daran gedacht werden. Das schmälert weder die Freude der Spieler, eine Sternstunde ihrer Laufbahn erreicht zu haben, noch die Freude der Millionenschar ihrer Anhänger über den Triumph. Der Glückwunsch eines jeden Sportlers und eines jeden Sportfreundes an die Fußball-Nationalmannschaft kommt aus vollem Herzen.“

So sollte ein Finale nicht aussehen

Ist Trainer Rinus Michels ein guter Verlierer? Die SZ (9.7.74) antwortet: „Michels machte die letzte Pressekonferenz zu einer Demonstration seiner Friedfertigkeit. „Es tut weh, wenn man so anfangen muß, aber ich möchte allen Deutschen zu ihrer Mannschaft und zum Weltmeistertitel gratulieren. Die deutsche Mannschaft hat in der letzten halben Stunde der ersten Halbzeit von der Schwäche meiner Spieler profitiert. Das 2:1 zur Pause war gerecht.“ Die einzige Einschränkung, mit der er die Leistung des neuen Weltmeisters abschwächte, verkleidete Michels in elegante Formulierungen: „In der zweiten Halbzeit haben die Deutschen gut verteidigt. Der Torhüter hatte das Glück, das man braucht, um ein Spiel zu entscheiden. In der zweiten Halbzeit haben aber auch die Holländer in einem Spiel zweier ausgezeichneter Mannschaften für meinen Geschmack zu stark dominiert. So sollte ein Finale nicht aussehen.“ Durch die Blume ein paar Disteln im Gratulationsstrauß.“

Internationale Presse

Verdiente Glückwünsche von allen Seiten

Das SED-Zentralorgan Neues Deutschland (8.7.74) sendet Glückwünsche: „Die Mannschaft, die sich in diesem letzten und alles entscheidenden Spiel noch zu steigern wußte, gewann den Titel, was ihr den Goldpokal der Fifa und die verdienten Glückwünsche von allen Seiten eintrug. Der minutenlange Jubel um die Mannschaft der BRD auf den Rängen war mehr als verständlich.“

Das Deutsche Sportecho (Ost-Berlin) beißt sich auf die Zähne: „Dieser Final wird nicht als einer der brillantesten in die Fußballgeschichte eingehen. Er sah jedoch zwei Mannschaften, die mit ihrer Spielweise (die Polen sind in dieses Lob eingeschlossen) Maßstäbe für die nächsten Jahre sind. Beide waren des neugeschaffenen Weltpokals würdig.“

Ein Kombinationsgame mit begeisternden Varianten

„Der neue Weltmeister, eine Turniermannschaft – harter, nur abschnittweiser hochklassiger Kampf um den Titel“, urteilt die NZZ (9.7.74): „Der Schlußpfiff des ausgezeichneten englischen Schiedsrichters Taylor, mit der Vorteilbestimmung bestens vertraut und durch spektakuläre Sturzflüge scheinbar schwer getroffener Spieler ebenso wenig wie durch gestenreiche Auftritte zu beeindrucken, in diesem bei einwandfreien Bedingungen [kursiv im i. O., die Red.] ausgetragenen Final kam wie eine Erlösung. In den letzten Minuten des mit großer Härte, jedoch nie in gehässiger Stimmung geführten Kampfes, konnten sich hier wie dort einzelne Spieler kaum mehr auf den Beinen halten, derart schonungslos hatten sie sich eingesetzt, ja in einem Maße verausgabt, wie das einzig in einem solchen Titeltreffen, der siebenten Partie innert dreieinhalb Wochen, überhaupt noch möglich ist. Müller ausgenommen, der sich auf einige weite Abschläge Torhüter Maiers einstellte, war die deutsche Mannschaft in der zweiten Hälfte fast 40 Minuten lang nur mehr damit beschäftigt, die allerdings wenig variantenreich vorgetragenen holländischen Vorstöße abzufangen und den oft unerträglichen Druck im eigenen Strafraum zu lockern. (…) Zwei Minuten waren noch nicht verstrichen, da placierte Johan Cruyff einen seiner gefürchteten Antritte, drang in den Strafraum ein und wurde dort in „dritter Instanz“ (Höness brachte ihn regelwidrig zu Fall) am Durchbrechen gehindert. Penalty gegen die Heimmannschaft zu Beginn des Finals. Konsternation bei Deutschen, Empörung auf den Rängen, wo „man“ in solchen Fällen kein Foul zu sehen pflegt. Die Gereiztheit und verständlich nervöse Spannung legte sich allmählich, Deutschlands Team begann überlegt Tempofußball zu spielen. Der Ausgleich durch Breitner (ebenfalls auf Penalty) wirkte vollends befreiend, bis zur Pause zogen die „Platzherren“ ein Kombinationsgame mit begeisternden Varianten auf, so schwung- und kraftvoll, daß die holländische Deckung, wie bereits in der Begegnung mit Brasilien, aus den Fugen zu geraten schien.“

Marca (Spanien) gratuliert, wie immer bei deutschen Siegen, von ganzem Herzen: „Der schlechteste Weltmeister, den es je gegeben hat.“

Die Holländer haben nicht den geringsten Grund, sich zu beklagen

Im Extrablatt (Kopenhagen) lesen wir: „Was niemand für möglich gehalten hatte, leistete der kleine Berti Vogts. Er war dafür verantwortlich, daß der „fliegende Holländer“ Cruyff in einem solchen Maße einbrach, daß er die ganze Mannschaft in seinen Sturz mitriss. Die Holländer haben nicht den geringsten Grund, sich über die von ihnen vergebenen Chancen zu beklagen – schon gar nicht über die Leistung des englischen Schiedsrichters Taylor.“

Johan Cruyff: „Berti Vogts war sehr gut, aber nicht mein stärkster Gegenspieler in diesem Turnier.“

Ein Abenteuer, das man nicht vergißt

L’Equipe (9.7.74) ist sehr angetan: „Wer die Holländer in München als Favoriten sah, hat vergessen, daß sich die deutsche Mannschaft in entscheidenden Spielen immer übertreffen konnte. Alles, was wir nach München sagen können, ist daß das Endspiel in einem wunderbaren Stadion vor einer begeisterten Menge stattfand und zu einem der reichsten und mitreißendsten Momente in der Geschichte des Sports wurde – zu einem Abenteuer, das man nicht vergißt.“

Arroganz, Dummheit und der Mangel an Selbstdisziplin verdienen keine Sympathie

Der Daily Telegraph (9.7.74) hat nichts übrig für die Verlierer: „Die Holländer vergaßen nach ihrer schnellen Führung wie so viele Teams vor ihnen, daß die Deutschen unüberbietbare Kämpfer sind. Wenn einem Holländer Schuld an der Niederlage einer Mannschaft gegeben werden muß, dann Johan Cruyff. Er war einer der ersten, der die Kontrolle über sich verlor und die Inspiration einbüßte, weil er seinen Schatten, den hartnäckigen Vogts, nicht abschütteln konnte. Im Gegensatz zu ihm führte Beckenbauer seine Truppe mit der Autorität, der Geschicklichkeit und der Eingebung eines großen Generals. Ich kann kein Mitleid mit den Holländern haben. Arroganz, Dummheit und der Mangel an Selbstdisziplin verdienen keine Sympathie.“

Dahingegen räumt Il Giorno (Mailand) ein: „Holland kann den Ruhm verbuchen, ein großer Verlierer zu sein. Objektiv gesehen war es ein Spiel zweier völlig gleichwertiger Mannschaften. Die Deutschen siegten vielleicht deshalb, weil sie kraftvoller spielten und einen viel größeren Willen zum Sieg besaßen als die Holländer. Beckenbauer bewies, welch ein Genie er ist. Von Cruyff war nichts zu sehen.“

Politika (Belgrad) fügt hinzu: „Die Holländer spielten schöner, die Deutschen rationeller und in der Gesamtrechnung produktiver.“

Die Holländer werden die Niederlage schnell vergessen, behauptet die NZZ (9.7.74) allen Ernstes, steif und fest: „Es hat nicht sollen sein. So läßt sich wohl die Stimmung in Amsterdam nach der knappen Niederlage Oranjes gegen Deutschland am besten beschreiben. Die Enttäuschung der relativ wenigen, die sich auf die Straßen begaben, läßt sich unschwer auf ihren Gesichtern ablesen. Sie ist zurückhaltend und durchaus nordisch geprägt. Das deutsche Generalkonsulat ist unversehrt geblieben, Herzschläge sind bisher keine gemeldet worden, und Fenster und Fernsehgeräte sind intakt geblieben. Am wenigsten lassen sich die in Amsterdam zu dieser Zeit so zahlreich vorhandenen „Blumenkinder“ ihre gute Stimmung verderben. (…) Am Montag wird den Niederländern ihr Pils beinahe schon wieder so köstlich schmecken wie am Sonntag den Münchnern ihr Bräu.“

Grandioser Empfang

Einen Tag später berichtet die NZZ (10.7.74) Feierstimmung in Holland: „Mehr als 100000 Menschen haben in den drei großen Städten des Landes, Amsterdam, Rotterdam und Den Haag, der holländischen Nationalmannschaft am Montag einen grandiosen Empfang bereitet. Ministerpräsident Joop den Uyl tanzte mit den Spielern und ihren Frauen eine Polonaise auf dem Rasen seines Amtssitzes. Ueberall gab es Blumen, Fähnchen, Musik und Festfreude. Vor allem Amsterdam war außer Rand und Band. Schon auf dem Flughafen waren den Spielern Lorbeerkränze umgehängt worden. Bei den Rundfahrten durch die Städte sah es aus, als ob Holland den Titel errungen hätte. Das war ein Trost für die eigentlich sehr enttäuschte Equipe.“

Ball und Buchstabe

Lange Zeit wirkte die WM eher unterkühlt

WM-Fazit – Steffen Haffner (FAZ 9.7.74) blickt nachdenklich in die Zukunft: „Immer wenn wir in Zukunft an die Tage der Weltmeisterschaft zurückdenken, werden wir die jubelnden, freudetrunkenen Menschen vor Augen haben. Wie es mitunter mit Erinnerungen so geht, trügt auch diese ein wenig. Denn sie wird wahrscheinlich das Bild der WM verklären. Im Grunde genommen hat es nämlich bis zum packenden Endspiel gedauert, bis der Funke der Begeisterung vom Rasen auf die Ränge übersprang und ein Feuer der Leidenschaft entzündete. Lange Zeit wirkte die WM eher unterkühlt. (…) Der spürbare Mangel an Begeisterung hat Gründe: Sicherlich gehört die zum Teil maßlose publizistische Überhitzung im Vorfeld der WM dazu. Die Menschen wurden von den Massenmedien schon Wochen vor dem Start mit einer „Information total“ übersättigt, zu einer Zeit, als es eigentlich noch gar nichts zu informieren gab. Hierzulande wurden zudem die Erwartungen hochgeschraubt. Der Titelgewinn war nur noch Formsache, und über Selbstverständliches gerät man nun einmal nicht aus dem Häuschen. Als dann die bundesdeutsche Mannschaft nur schwer in Schwung kam, schlug die Stimmung zeitweise in bittere Enttäuschung um, und erst mit der Tendenzwende in der zweiten Finalrunde zog auch beim deutschen Fußballpublikum Freude ein, die sich letztlich beim Endspiel zu großen Enthusiasmus steigerte. Dieser Schlußakt des Jubels ist freilich auch dem Umstand zuzuschreiben, daß eine Portion Glück den Sieg gegen die hervorragenden Holländer ermöglichte.“

Interviews in der Art der politischen Hofberichterstattung

Das Feuilleton der FAZ (6.7.74) beschwert sich über unkritischen und unreflektierten Sport-Journalismus: „Die Fragen der Fernsehreporter waren nicht ohne Brisanz: Was wurde den bundesdeutschen Fußballspielern gestern aufgetischt, war es die anzuratende vitaminreiche Kost, schmeckte es den Spielern, mußte gar nachgereicht werden? Es musste, der Koch verriet es, und so wie er wurde auch keiner der andern Mitmenschen mit der Weihe zweiter Ordnung von den bohrenden Fragen des Fernsehens verschont. Wer den Fußballheroen das Süppchen gekocht, die Wade geknechtet, den Puls gemessen, die Stollen geschraubt, konnte auf angemessene Beachtung rechnen. Fragen über Fragen, vor und zwischen den Spielen, in diesem und jenem Magazin, nichts, was die Nation quälte, blieb unerörtert. Die Frau „unseres Außenstürmers“ Hölzenbein würde nicht wie ein italienischer Fanatiker ihren Fernsehapparat vor Wut aus dem Fenster werfen, „Kaiser Franz“ nie wie ein Lama spucken und Helmut Schön schon das Richtige machen. In Mode war die Wiederkehr des immergleichen „Wer wird morgen gewinnen?“, „Glauben Sie, daß es ein hartes Spiel wird?“, „Wer wird Weltmeister?“. Die Befragten legten ihr Gesicht in Grübelfalten, tippten mal dieses und mal jenes. Die Fragen waren nicht selten so stereotyp und nichtssagend, daß man schon argwöhnen mußte, die Fernsehanstalten hätten einen hausinternen Preis für die banalste Frage ausgesetzt. Fragen ohne Biß, ohne Einfallsreichtum, die in dem Frage-und-Antwort-Spiel mit dem Bundestrainer ihren Tiefpunkt hatten. Das waren nun wirklich Interviews in der Art der politischen Hofberichterstattung, Konflikte wurden heruntergespielt, dem Trainer die harmonisierenden Antworten förmlich in den Mund gelegt. Kritischer Journalismus: Fehlanzeige. (…) Viel Sendezeit, wenig zündende Einfälle, das Verhältnis hätte ungünstiger nicht sein können. Was waren das teilweise für Nebensächlichkeiten, die mit dem Gestus des Bedeutenden verlesen wurden. Die strikte Trennung des Sports und Politik in der Berichterstattung des Fernsehens hat Tradition. „Kommen wir zum Thema zurück“, hat es schon immer dann geheißen, wenn jemand versuchte, den Sport aus der politikfreien Oase herauszumanövrieren. Da legten chilenische Demonstranten eine Flagge mit der Aufschrift „Chile Socialistica“ auf das Spielfeld. Die Kamera registrierte den Zwischenfall kurz, der Sprecher gab einen pikierten Kommentar, zu mehr konnte sich ein Medium nicht entschließen, das noch der marginalsten Begebenheit rund um den Fußball endlose Sendeminuten zubilligte. (…) Die heile Welt des Fußballs sollte uns erhalten bleiben. Das galt freilich nicht nur für die Ausklammerung von Politik und Kommerz. Auch die „häßliche“ Seite dieses Ballspiels wurde, so gut es eben ging, verschwiegen. Das fing an mit der verniedlichenden Sprache der Sportsprecher – wenn die Knochen knirschten, war einer „ganz schön zur Sache gegangen“ –, und das hörte auf mit dem Nichtzeigen von unschönen Randepisoden, wie dem Spucken Franz Beckenbauers. Dafür durfte er sich dann im Studio für seine Missetat entschuldigen, so als sei das Fernsehen der Beichtstuhl der Nation. (…) Der Zuschauer wird das freilich nachsehen. Zumindest dann, wenn „wir“ Weltmeister werden. Denn wie gut und wie schlecht er eine Fußballübertragung findet – so hat die Zuschauerforschung nachgewiesen –, hängt noch immer vom Ergebnis ab. Haben die bundesdeutschen Kicker gewonnen, findet er die Sendung vorzüglich, haben sie verloren, schlecht und unverständlich, weil er sich nicht erklären kann, wieso. So einfach ist das.“

Die NZZ (10.7.74) warnt: „In verstärktem Maße zu denken gibt die weiter fortschreitende Kommerzialisierung im internationalen Spitzenfußball, den bestimmte Industriezweige und die Werbung im Einverständnis der Spieler noch ausgeprägter als bisher in die Hand bekommen möchten. Die Zeichen für eine Rückkehr zum Vertretbaren stehen jedenfalls nicht günstig.“

Der Fußballsport ist nicht von feudaler Herkunft; er ist ein Emporkömmling

Im FAZ-Leitartikel auf Seite 1 definiert Jürgen Eick (8.7.74) Bedeutung und Genese des Fußballs: „Fußball kann gewiß nationale Gegensätze zum Glühen bringen, besonders wenn sie mit skrupellosen Mitteln der Publizistik aufgeheizt enden. Aber diese Weltmeisterschaft war „inter“-national im besten Sinne des Wortes. Das Verbindende war stärker als das Trennende. Die gemeinsame Passion für diesen so spektakulären und ausgesprochen telegenen Sport schafft und festigt auch Gemeinsamkeiten zwischen den Völkern. (…) Der Fußballsport ist nicht von feudaler Herkunft; er ist ein Emporkömmling. Es war das Spiel der Armen, ein Produkt der rauchgeschwärzten Industrieviertel. Heute ist der Profifußball das Spiel der Arrivierten; die Spieler kommen aus gutbürgerlichen Familien und bilden wieder solche. Ein Stück klassenloser Gesellschaft finden wir auch hier. Fußball zieht alle in seinen Bann. Früher gingen die gekrönten Häupter, die Regierungschefs und Spitzen der Gesellschaft zum Pferderennen, heute gehen sie auch zum Fußball. In München gab sich nationale und internationale Prominenz ein Stelldichein – bis hin zum amerikanischen Außenminister Henry Kissinger.“

Der Gastgeber

Typical bavarian Leberkäse

Sehr lesenswert! Herbert Riehl-Heyse (SZ/Seite 3, 8.7.74) beschreibt die Hauptsache – das Treffen der High Society: „Am Ende waren die deutschen Gastgeber genauso wie Ausländer sich die Deutschen vorstellen: eine prächtige Mischung aus Kunst und Kraft. Fanfaren hatte man aufgeboten, Trommeln und junge Burschen im Gleichschritt und gleich 1500 Sängerinnen und Sänger, damit es machtvoll klänge: die Herren in blauen Anzügen, die Damen in wollenden roten Kleidern, sinnreich ein W und ein M bildend oder im Ringelreihen über den Rasen tanzend – ein prächtiger Beweis deutschen Formwillens. Seemann Freddy Quinn machte ein begeistertes Gesicht zur eigenen Schallplatte (…) Als sie schließlich gesiegt hatten, als Deutschland Weltmeister geworden war, war nur sicher, daß man von seinem holländischen Nachbarn in den nächsten Wochen nicht gerade herzlicher geliebt werden würde als bisher. Wie das anderswo in der Welt sein würde, war weitgehend Geschmackssache. Auf diese Liebe war es den Organisatoren ursprünglich sehr angekommen. Die Olympischen Spiele waren noch kaum zu Ende gewesen, da begannen die Kicker-Funktionäre schon ausdauernd von der „zweiten Gelegenheit“ zu schwärmen, der Welt ein neues Deutschlandbild vorzustellen – und es sollte nicht weniger heiter und gelöst sein als das von 1972, nur billiger. Wo Olympia einen ganzen Stab von Künstlern beschäftigt hatte, um den Spielen ein einheitliches Bild zu schneidern, hatte Oberorganisator Hermann Neuberger, im Zivilleben Direktor einer Lottogesellschaft, seinen Hausgraphiker und seine eigenen Vorstellungen davon, was schön ist. (…) Einige Journalisten, nicht zuletzt ausländische, ärgerten sich manchmal lauthals über die Inkompetenz deutscher Fußballfunktionäre und schrieben das dann auch in ihren Zeitungen. Der eine oder andere „kleinkarierte Kritiker“ (Neuberger) hatte auch jene überdimensionalen Fußbälle nur mäßig geschmackvoll gefunden, aus denen bei der Eröffnungsfeier deutsche Winzer kugelten und der Welt zeigten, daß Deutschland immer noch die Heimat des Schunkelns ist (…) Für Politiker war eine WM-Party geradezu eine Pflichtveranstaltung. Wer, möglichst vor einer Fernsehkamera, einen Tip für das Endspiel wagte, gab sich als Mann des Volkes zu erkennen, auch wenn er eine Eckfahne nicht vor einer Torstange unterscheiden kann. Also kam Bundeskanzler Schmidt, der am Samstag mehr als 800 Gäste aus Anlaß der Weltmeisterschaft in den Bayerischen Hof geladen hatte, gar nicht umhin, auf Anfrage zu betonen, wie wichtig ihm jeden Samstag Fußball sei; also mochte bei dem gesellschaftlichen Großereignis auch Ernst Benda, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, nicht fehlen, der zwar früher auch einmal Sportminister war, aber im kleinen Kreis zugab, an diesem Samstag zum erstenmal einen Fußballplatz betreten zu haben. Man konnte nicht einmal davon sprechen, die Politiker hätten sich bei den Fußballern angebiedert. Als man die allerersten Höflichkeitsbezeugungen hinter sich gebracht hatte, standen in der einen Ecke des Saales die Vertreter des öffentlichen Lebens und diskutierten die Ernennung Egon Bahrs, während sich weit davon entfernt die Funktionäre und Schiedsrichter immer noch ausgiebig darüber wunderten, warum der Schiedsrichter beim Spiel am Nachmittag gegen den Polen Kasperczak keinen Elfmeter verhängt hatte. Nur Innenminister Maihofer bemühte sich, zwischen den beiden Lagern pendelnd, rührend darum, mit den internationalen Fußballgästen ins Gespräch zu kommen und wies sie, wenn der Stoff ausging, wenigstens auf den „typical bavarian Leberkäse“ hin. (…) Beim eigentlichen Galaauftritt des großen Stars Henry Kissinger waren Fußballer nicht zugegen, was der Ungezwungenheit der Atmosphäre womöglich zugute kam. Hatten die gemischten Parties ein wenig unter dem Hochmut gelitten, mit dem Geistesschaffende Körperertüchtigern gerne auf die Schultern klopfen, war die Stimmung beim bayerischen Abend recht ungezwungen. Ein einfallreiches Protokoll hatte alles aufgeboten, was man auswärts für „München“ hält: weißblaue Drapierung und Braurösser, Steckerlfisch, Schrammelmusik und die unvermeidlichen „Käfer“-Schmankerl. Kissinger durfte die Künstler Uschi Glas und Hildegard Knef begrüßen, den Fröbe und Ernst Maria Lang, den Fußballkünstler Uwe Seeler, beispielsweise, bekam er nicht geboten. Diplomatische Vorsicht, so konnte man lernen, ist ihm nicht in jedem Augenblick gegeben. Später kam auch der Bundeskanzler von „seinem“ Empfang herüber und gesellte sich sogleich zu Franz Josef Strauß und Rudolf Augstein, der seinerseits nicht aufhören wollte, an seinen früheren bayerischen Intimfeind hinzureden. Draußen goß es in Strömen, doch die tausend Polizisten schien es nicht zu verdrießen, daß der Gast aus Washington erst lang nach Mitternacht das Lokal verließ und die Tischrunde Genscher-Strauß sich noch viel später auflöste. „Fahren’s halt ein bisserl vorsichtig“, riet ein Polizist fröhlich im Morgengrauen. Hermann Neuberger war bei diesem munteren Treiben nicht zugelassen, dafür hatte er umso mehr Sorgen mit Prominenten aller Art. Wenn gerade kein Betroffener in der Nähe war, schüttelte der Organisationschef gern sein Herz aus über die „schreckliche Sache mit den Ehrenkarten“. Noch am Samstagnachmittag hatte es zwei solcher Fälle gegeben: Michael Kohl, unser Mann aus der DDR, traf mit vierstündiger Verspätung in München ein und brachte dann auch noch mehr Begleiter mit, als er eigentlich avisiert hatte. Das Problem wurde gelöst, wenn auch nicht so einfach wie der Wunsch der Fürstin von Monaco, die ihre kleine Tochter Stephanie unter Umgehung des Protokolls bei sich sitzen haben wollte. Die Fürstin brauchte schließlich ihre Neunjährige nicht auf den Schoß zu nehmen, weil es sich gefügt hatte, daß Frau Kronawitter keinen Babysitter fand und Frau Goppel so freundlich war, einen Platz weiterzurücken. Durch solche Bemühungen gelang es schließlich, das aktuelle Deutschlandbild des monegassischen Herrscherpaares lediglich durch die Tatsachen getrübt zu lassen, daß es gleich nach seiner Ankunft in München im Hotelaufzug stecken blieb. Für Michael Kohl indes hatte sich die Organisation noch eine besondere Aufmerksamkeit einfallen lassen. „Wir wären besonders froh,“ hatte Kohl erklärt, „wenn es uns gelungen wäre, als einzige den Weltmeister zu besiegen“. Als er von dem Wunsch erfuhr, zögerte Herr Gerd Müller nicht lange, das Siegestor zu schießen.“

Welchen Anteil nehmen die Münchner am WM-Finale, Thomas Meyer (FAZ 8.7.74)? „Solche Stadt von vorn bis hinten in den berühmte Fußballtaumel zu versetzen, dazu gehört schon mehr als ein WM-Endspiel. Was hier Wirbel veranstaltet, ist eine lauthalsige Minderheit. Als wir im tiefen Frieden im Englischen Garten saßen, und die Schweinswürste zur Maß probierten, drang Gesang in die Ohren. Um die Ecke bog ein zweispänniges Pferdefuhrwerk mit etlichen jungen Herrn, die vom Wirt in unzweideutiger Sprache Erfrischung heischten, offensichtlich nicht die erste des Tages. Fans aus dem Ruhrgebiet? Holländer gar? Nicht die Bohne. Es handelt sich um einen akademischen Mittagsausflug.“

Sechs Bayern im Endspiel? Na, wenn schon

Vor dem Finale – München kennt nur ein Thema: Fußball. Oder? Die FAZ (6.7.74) klärt uns auf: „WM-Finale in München: Eine Stadt im Fußball-Fieber? Die Münchner geben sich da noch defensiver als die Brasilianer auf dem Spielfeld: Alles auf sich zukommen lassen, und dann sehen wir weiter. Heute ist „langer Samstag“ in der bayerischen Landeshauptstadt, aber nicht wegen der WM, sondern trotz der WM. Die Geschäfte bleiben bis 18 Uhr geöffnet. Verkäufer und Verkäuferinnen hätten natürlich gerne frei gehabt. Aber kaum, um das Spiel zu sehen, sondern eher zum Ausflug in die Berge oder an die See. Knapp zwei Jahre nach Olympia bleibt Fußball eben Fußball. Sechs Bayern im Endspiel? Na, wenn schon. Die Münchner haben derzeit ganz andere Sorgen. Da ist zum Beispiel die Sache mit der „Wiesn-Maß“ (für Nicht-Bayern: eine kleine Badewanne mit Bier für die Besucher des Oktoberfestes). Diese Art Maßhalten ist den Bayern zwar noch nie sonderlich schwergefallen, doch die Wirte, die Brauereien und die Stadt halten da einfach nicht mehr mit. Heuer soll die Wiesn-Maß nämlich 3 Mark 50 kosten. „Wer soll das bezahlen?“, fragte die Abendzeitung stellvertretend für alle armen (Bier-)Schlucker. Im Olympiajahr kostete die Maß noch 3,05 Mark. Das war nach 13, 14 Maß zwar eine „saublöde“ Rechnerei, aber was tut ein Bayer nicht alles für sein Bier? „Danach könnte man jetzt schon ausrechnen, was die Maß 1980 kosten wird“, fährt die Abendzeitung bierernst fort. Zwei Worte, 5 Mark? Dann dürfte es mit der Bierruhe auf der Wiesn endgültig vorbei sein.“

Portrait

Einer von ihnen war zuviel im WM-Finale

Franz Beckenbauer und Johan Cruyff sind Platzhirsche, schreibt der Spiegel (8.7.74): „“In diesem Turnier hatten Cruyff und Beckenbauer in ihren Mannschaften absolut das Sagen“, urteilte der Mönchengladbacher Trainer Hennes Weisweiler, „solche Führungskräfte hat es im Weltfußball noch nicht gegeben.“ Trainer-Kollege Max Merkel aus München schnitt auf: „Der Franz und der Johan könnten in ihren Mannschaften auch die Todesstrafe einführen, jeder fänd’s recht so.“ Der erfolgreiche Pariser Spielervermittler Julius Ukrainczyk hatte einst prophezeit: „Der Fußball stirbt, weil die großen Persönlichkeiten im modernen Spiel untergehen.“ Die zehnte WM bewies das Gegenteil: Keine bedeutende Mannschaft hat auf Dauer ohne Autoritäten Erfolg. Betriebspsychologie und zentrale Lenkung entschieden auch die WM 74. Holland mit Cruyff und Deutschland mit Beckenbauer hatten im WM-Turnier die beiden zur Zeit besten Fußballer der Welt aufzubieten und stießen mit ihnen ins Endspiel vor. Im modernen Fußball „entscheidet immer mehr die von der Mannschaftsleistung losgelöste Eigeninitiative großer Spieler“, meinte der frühere Herberger-Assistent Dettmar Cramer. Als die favorisierten Bundesdeutschen nach mattem Turnierstart gegen die DDR 0:1 unterlagen, ergriff im Bundesquartier der bis dahin eher zurückhaltende Spielführer Beckenbauer entschlossen Initiative und Führung: „Einige haben jämmerlich versagt“, kritisierte er im Fernsehen viel härter, als es der konziliante Bundestrainer Helmut Schön jemals getan hatte. (…) Das Spiel der Finalgegner bestimmten Cruyff und Beckenbauer, obschon der Holländer als Mittelstürmer, der Deutsche als Libero so „unterschiedlich wie ein Klavierspieler und ein Geiger“ (Weisweiler). Beide haben alle Früchte des Fußballruhms genossen, beiden fehlte nur noch die Weltmeisterschaft – einer von ihnen war zuviel im WM-Finale. (…) Ein erfolgreicher Geschäftsmann band „Superstar Johan Cruyff“ („Time“) kommerziell und familiär auf Lebenszeit an sich: der Amsterdamer Juwelier Cornelius Coster. Mit Cruyffs Club Ajax Amsterdam schloß er einen fast 20 Seiten langen Vertrag. Wichtigster Passus: Der Verein setzte Cruyff eine Rente aus, falls er chronisch erkranke oder die mit sechs Millionen Mark versicherten Beine auf immer versagen sollten. Coster, der inzwischen seine Tochter Danny mit dem total verplanten Fußballstar vermählt hatte, ließ abermals einen Vertrag ausarbeiten. Er enthielt sogar eine Geburtsklausel: Falls ein Cruyff an einem Spieltag geboren werden sollte, müßte der FC Barcelona auf seinen Ballkünstler verzichten. Im letzten Februar war die Situation da. Just zum vorausberechneten Geburtstermin stand ein wichtiges Meisterschaftsspiel gegen Real Madrid an. Einer der besten Geburtshelfer Amsterdams entband dann Frau Danny am spielfreien Wochenende zuvor durch einen Kaiserschnitt. Cruyff spielte, Barcelona erkämpfte gegen Madrid den Meistertitel – erstmal seit 14 Jahren. Seinen Sohn nannte Johan Cruyff eingedenk seiner katalanischen Zuschauer Jordi.“

Bei mir freut sich nur mein Hund, wenn ich nach Hause komme

Berti Vogts sieht das, sich unterordnend, genauso, erfahren wir aus der SZ (9.7.74): „“Der Franz“, sagt Berti Vogts, und Bewunderung schwingt in seiner Stimme mit, „der erreicht mit einem Paß, wofür wir zehn Minuten laufen müssen.“ Daß sich Franz Beckenbauer in diesem WM-Turnier auch noch als Kämpfer profilierte, läßt ihn für den kleinen Berti als einen Heros erscheinen. „Er ging ‚´rein, er machte Kopfbälle, er hat gekämpft; wir sagen malochen dazu.“ (…) Während viele aufgemuckt haben gegen die strenge Kasernierung vor und während der Weltmeisterschaft, findet Berti Vogts alle Maßnahmen richtig. „Wir haben doch gewußt, auf was wir uns einlassen. Sicher, für mich als Jungegeselle ist das piepegal. Bei mir freut sich nur mein Hund, wenn ich nach Hause komme. Die Jugoslawen sind jeden Abend aus gewesen, und wo sind sie geblieben? Bei den Holländern ist das etwas anderes, die machen das immer so und nehmen ihre Frauen mit ins Trainingslager. Die haben eine andere Mentalität und sind das gewohnt.“ (…) Berti Vogts (26) will nicht freiwillig Platz machen. „Ich hab noch nicht genug Geld verdient.““

Die haben ja überhaupt kein Gefühl für zwischenmenschliche Beziehungen

Von Funktionären hält Franz Beckenbauer nicht viel, berichtet die FAZ (9.7.74): „Franz Beckenbauer im Münchner Pressezentrum am Tag nach dem Triumph: ruhig, überlegt, souverän. Der Mannschaftskapitän verliert auch außerhalb des Strafraums nicht so schnell die Übersicht. Nicht nur seine überragenden Leistungen auf dem Spielfeld haben den 28jährigen Profi im Verlauf dieses Weltturniers zum Aushängeschild des DFB gemacht. Kein anderer Spieler, weder Fritz Walter noch Uwe Seeler, hatten je eine so starke Position in diesem mächtigen Verband. Doch des DFB bestes Stück verhält sich zum Leidwesen vieler Funktionäre nicht mehr so, wie man es von Spielern gewöhnt war: kritiklos, ja geradezu untertänig. Die Angst, bei unliebsamen Äußerungen nicht mehr in die Nationalelf zu kommen, hat schon so manchem Spieler den Mund verschlossen, selbst Günter Netzer. Doch worum sollte Franz Beckenbauer, mit 85 Berufungen der Rekordnationalspieler des DFB, schon groß bangen? Der Münchner scheint sich auf dem Weg zu seinem sportlichen Höhepunkt nicht nur seines finanziellen Wertes bewußt geworden zu sein. Den Zweikampf mit den Funktionären sucht er zwar nicht mit Gewalt, aber er weicht ihm auch nicht mehr aus. Zum Eklat kam es nur wenige Stunden nach dem großen Triumph, als DFB-Delegationsleiter Deckert die Frau von Nationalspieler Hoeneß mit dem Kommentar „Hier herrscht Zucht und Ordnung“ vom offiziellen Abschlußbankett ausschließen wollte. Deckert zu Hoeneß: „Wenn Ihre Frau nicht den Saal verläßt, lasse ich sie hinausbringen.“ WM-Organisationschef Neuberger wollte sich in derselben Angelegenheit nicht einmal mit dem holländischen Mannschaftskapitän Cruyff unterhalten: „Mit Ihnen rede ich doch gar nicht, wenden Sie sich an den Delegationsleiter.“ Und schließlich die schulmeisterliche Aufforderung: „Setzen Sie sich hin, das hier ist offiziell.“ Doch selbstbewußte, intelligente Stars des Showgeschäfts Fußball wie Beckenbauer, Cruyff und Hoeneß sind eben keine Schuljungen mehr, die sich in solch rüdem Ton kommandieren lassen. Beckenbauer: „Das Verhalten einiger Funktionäre ist einfach unmöglich Die haben ja überhaupt kein Gefühl für zwischenmenschliche Beziehungen. Einige sind schon jenseits von Gut und Böse.““

Tränenstrom

Wer tröstet Günter Netzer?, fragt die SZ (9.7.74): „In den Sekunden, als Sepp Maier, Paul Breitner, Gerd Müller, Franz Beckenbauer und sieben weitere gerade gekürte Weltmeister im überschwenglichen Glücksgefühl den glänzenden Goldpokal von Hand zu Hand reichten und die Jubelrunde drehte, da fiel die Fassade der Gleichgültigkeit von Günter Netzer ab. Er, dem sie vor zwei Jahren, im Brüsseler Heysel-Stadion, nach dem Europapokalmeisterschaftsgewinn noch vor Begeisterung das Trikot vom Leibe zu reißen versuchten, weinte hemmungslos. Der Schmerz, nicht zu denen da drunten auf dem Rasen zu gehören, sondern droben im nachtblauen Anzug untätig in der Rolle des Zuschauers sitzen zu müssen, ließ dem Tränenstrom freien Lauf.“

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