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Interview

Wir Spieler können den Menschen in Deutschland mit unserem Auftreten Mut machen

Oliver Fritsch | Dienstag, 29. März 2005 Kommentare deaktiviert für Wir Spieler können den Menschen in Deutschland mit unserem Auftreten Mut machen

Oliver Kahn mit Lars Gartenschläger (WamS 27.3.)
WamS: Der Bundestrainer hat kürzlich gesagt: Wir beim DFB haben Oliver wieder stark gemacht. Hat er recht?
OK: Nachdem es zum Anfang dieser Saison hieß, daß ich meine Position als Nummer eins, also die Dinge, die ich mir erarbeitet hatte, neu verteidigen muß, stand ich vor einer neuen Situation. Aber sie hat bei mir zu noch konsequenterem Arbeiten geführt. Sie sorgte für eine Leistungssteigerung und für höhere Motivation. Insofern kann man das, was er gesagt hat, unterstreichen.
WamS: Wie beurteilen Sie sich derzeit selbst?
OK: Ich fühle mich vor allem geistig und mental sehr stark. Ich merke, wie mein Kopf in der Lage ist, meinen Körper zu aktivieren. Wenn das der Fall ist, fällt es mir relativ leicht, das von mir erwartete Leistungsvermögen zu zeigen.
WamS: Das war im vergangenen Jahr nicht immer der Fall.
OK: Es kann nicht immer hundertprozentig gut laufen. Manchmal mußt du sogar in ein Loch fallen und einen Punkt erreichen, an dem du dich neu hinterfragst, dich definierst und überlegst, was du anders machen kannst. Ich habe gelernt, die Balance zu finden, mich nicht total zu entleeren und auszubrennen.
WamS: Wie schwer war es für Sie, zu akzeptieren, daß Sie alles das, was Sie erreicht haben, neu verteidigen müssen, um weiterhin an vorderster Front zu stehen?
OK: Wenn man so etwas zu spüren bekommt, schüttelt man sich kurz, ist ein bißchen erschrocken und fängt an zu arbeiten. Niemand in unserer Gesellschaft kann sich auf irgendeiner Sache ausruhen. Deshalb habe mich damit so auseinandergesetzt, wie es wohl alle Menschen tun, wenn sie in ihrem Leben vor so einer Situation stehen. Das, was du in der Vergangenheit erreicht hast, ist eben vergangen. Es zählt nicht mehr. Du mußt das, was du kannst, permanent neu unter Beweis stellen. Ich habe mir klargemacht, daß ich nicht von dem, was ich in meiner Karriere gewonnen habe, zehren kann. Daran kannst du dich erinnern, wenn du nicht mehr aktiv bist. Aber ein Schauspieler ist auch immer nur so gut wie sein letzter Film. Beim Fußballer ist es das letzte Spiel. So sind die Regeln. (…)
WamS: Für den Ernstfall, den Gewinn des WM-Titels, ist in dieser Woche eine Prämie von 300 000 Euro pro Mann ausgehandelt worden. Sind Sie zufrieden damit?
OK: Mit dieser hohen Summe sollte das große Ziel unterstrichen werden, daß wir vor Augen haben und erreichen wollen.
WamS: Auf der einen Seite generiert der DFB mit der Nationalmannschaft viel Geld, an dem die Spieler partizipieren wollen. Auf der anderen Seite wird in Deutschland gerade in allen gesellschaftlichen Bereichen Verzicht gepredigt. Denken Sie als Spieler an die Außenwirkung solcher Summen?
OK: Natürlich ist uns die Situation in unserem Land bewußt. Aber ich glaube, daß viele Deutsche mittlerweile großes Vertrauen in uns setzen. Wir haben als Nationalmannschaft bei der WM eine große Möglichkeit, mit dem guten Fußball, den wir dann hoffentlich auch spielen, in unserem Land vielleicht eine neue, positive Stimmung zu erzeugen. Wir Spieler können den Menschen in Deutschland mit unserem Auftreten Mut machen und sie mitreißen.

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