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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Internationaler Fußball

Um Sport geht es ohnehin nie

Oliver Fritsch | Mittwoch, 30. März 2005 Kommentare deaktiviert für Um Sport geht es ohnehin nie

Griechenland spielt gegen Albanien, und Michael Martens (FAZ 30.3.) rechnet mit Gewalt: „Ressentiments gegen Albaner, von denen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus mehrere hunderttausend als Gastarbeiter in Griechenland ihr Auskommen gesucht und gefunden haben, sind in der griechischen Gesellschaft weit verbreitet – obwohl man sich der billigen Arbeitskraft aus dem Norden gern bedient und die griechische Wirtschaft seit langem auf importierte Muskelkraft angewiesen ist. (…) Um Sport geht es bei solchen Auseinandersetzungen ohnehin nie. In Gewalt mündende, mit politischer Bedeutung aufgeladene Sportereignisse sind auf dem Balkan zwar keine eherne Regel, aber auch keine große Ausnahme. (…) Politischen Anschauungsunterricht liefern regelmäßig auch die Heimspiele der albanischen Nationalmannschaft, denn im Sport scheint die Befürchtung mancher Balkanfachleute, daß sich die Albaner des Kosovos und die albanischen Minderheiten Mazedoniens, Südserbiens und Montenegros eines Tages zu einem „Großalbanien“ zusammenschließen könnten, bereits eingetroffen zu sein. Wenn Briegels Team um Punkte kämpft, reisen regelmäßig Albaner aus den umliegenden Staaten an, weil sie sich mit den Nationalmannschaften ihrer Heimatstaaten nicht identifizieren.“

Rassismus ist ein dramatisches Problem im israelischen Fußball

Raphael Honigstein (SZ 30.3.): „Seinen Feinden großes Glück zuzufügen, ist die eleganteste Form der Rache. Abbas Suan hat das sehr schön hinbekommen. Gegen Irland traf der Einwechselspieler in der 90. Minute zum 1:1, das Ramat Gan Stadion schien vor Freude fast zu zerplatzen. „Dieses Tor widme ich allen Menschen in Israel“, sagte Suan, „es ist Zeit, dass wir nicht mehr von Juden oder Arabern reden. Wir sind alle ein Volk.“ Die für ihre anti-arabische Einstellung berüchtigten Fans im Jerusalemer Teddy-(Kollek-)Stadion hatten das im Februar ganz anders gesehen. Suan, der stolze Kapitän des arabischen Vereins Bnei Sachnin, wurde in seinem vierten Länderspiel für Israel ausgepfiffen und als Terrorist beschimpft. Rassismus ist ein dramatisches Problem im israelischen Fußball, Woche für Woche werden Spieler muslimischen Glaubens von Hooligans ausgebuht und mit Obst beworfen, in vielen Vereinen machen sogar die eigenen Anhänger Stimmung gegen die Araber. Am Samstag jubelten 40 000 überwiegend jüdische Fans Suan zu, der sichtlich gerührt war. Die Geschichte des 29-jährigen Mittelfeldspielers und seines Vereins, der sich gegen viele Widerstände in der israelischen Liga etabliert, besitzt jedoch nicht nur eine politische Dimension; Suan steht mit seinem körperbetonten, geradlinigen Spiel auch für den neuen, bisher sehr erfolgreichen Fußball unter Avraham Grant.“

Es fehlt an einer Grundidee, Tempo, Zusammenspiel; einer Seele

Ronald Reng (FR 30.3.) kritisiert den spanischen Nationaltrainer: „Spanien, das eine der drei besten Ligen der Welt hat, ist unter Luis Aragonés ein Team ohne Richtung und Konzept – eine deprimierte Ansammlung von beachtlichen Spielern, die scheitern wird; die Frage ist nur: früher oder später? Dies war einmal eine hoffnungsvolle Generation. Es ist gerade ein Jahr her. Aragonés‘ Vorgänger Iñaki Saéz startete ein aufregendes Projekt mit jungen Spielern wie Iker Casillas, Vicente Rodríguez, Fernando Torres und vor allem mit einer klaren Idee: dem offensiven 4-3-3-System mit klassischen Flügelstürmern. Dann kam die EM 2004, sie scheiterten in der Vorrunde unglücklich an Portugal und Griechenland; ein Ausscheiden, das später relativiert wurde, als diese beiden Teams das Endspiel erreichten. Aber da war Saéz schon zurückgetreten, gemobbt von einer spanischen Sportpresse, die nie über die jüngste Niederlage hinausdenkt, allein gelassen von Ángel María Villar, einem Verbandspräsidenten ohne Rückgrat. Aragonés übernahm, und heute ist noch immer nicht zu erkennen, was er mit der Elf eigentlich vorhat. Er wechselt Aufstellung und System in jeder Partie, und jedesmal sieht Spanien gleichsam beliebig aus. Es fehlt an einer Grundidee, Tempo, Zusammenspiel; einer Seele.“

Zwischen den Mühlsteinen von Politik, Justiz und Fußball

Der Machtwechsel in der Ukraine beeinflusst den Fußball; Katja Tichomirowa (BLZ 30.3.) kommentiert die Annullierung der Entlassung des Nationaltrainers Oleg Blochin, der auch Politiker ist: „Mit der Selbstherrlichkeit des ukrainischen Fußballverbandes ist es vorbei. Die neue Staatsführung geht nicht zimperlich vor gegen den Verband, dem neben den Brüder Surkis noch andere sogenannte Oligarchen, wie der Präsident von Schachtjor Donezk, Rinat Achmetow, angehören. Den Paten der Bergbau- und Industrieregion im Osten der Ukraine weht seit dem Amtsantritt Viktor Juschtschenkos ein scharfer Westwind ins Gesicht. Bereits im Februar kündigte der neu gewählte Präsident an, die unter undurchsichtigen Bedingungen erfolgten Privatisierungen in der Ostukraine rückgängig machen zu wollen. (…) Zwischen die Mühlsteine von Politik, Justiz und Fußballverband geriet auch Oleg Blochin. Unklar blieb, ob seine Gegner in den Regierungsreihen des Parlaments ihn wirklich zur Aufgabe seines Postens als Trainer oder zur Abgabe seines Mandats zwingen wollten. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss jedenfalls befand, die beiden Ämter seien nicht vereinbar. Blochin entschied sich daraufhin – scheinbar – für die Politik und gab seinen Rücktritt vom Amt des Nationaltrainers bekannt. Der melodramatische Auftritt des einstigen Ausnahmekickers im Parlament verfehlte seine Wirkung indes nicht. (…) Bis sich die Seilschaften zwischen Politik und Sport in der Ukraine entwirren lassen, wird es wohl noch etwas dauern.“

NZZ: Zur Lage in Zypern

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