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Confed-Cup

Das wichtigste Spiel des Planeten

Oliver Fritsch | Mittwoch, 29. Juni 2005 Kommentare deaktiviert für Das wichtigste Spiel des Planeten

Das Finale zwischen Argentinien und Brasilien, mehr als ein Endspiel – Ronny Blaschke (BLZ 28.6.): „Die inoffizielle Südamerika-Meisterschaft wertet das Tunierchen auf. Brasilien gegen Argentinien ist Brasilien gegen Argentinien – das wichtigste Spiel des Planeten, wie die Beteiligten finden. Ob diese Partie in Buenos Aires stattfindet, in Frankfurt oder auf Ronaldinhos Dachterrasse, interessiert die Akteure so sehr wie ein Friseurbesuch von Günter Netzer. So muss der Rest der Welt sich damit abfinden, dass sich die Bedeutung einer Sportart auf dieses Duell reduzieren lässt.“

Krieg

Christoph Biermann (SZ 29.6.) ergänzt: „Das Finale des Konföderationen-Pokals ist nur ein Teil des argentinisch-brasilianischen Kräftemessens, das dieser Tage auf dem Fußballprogramm steht. Bei der U20-WM in Holland treffen die Junioren beider Länder aufeinander, während im Halbfinale der Copa Libertadores die Vereinsteams des FC Sao Paulo und von River Plate Buenos Aires um den Einzug ins Finale der südamerikanischen Champions League spielen. Unter dem Slogan „Woche der Rivalität“ vermarktet des Sender Sport TV die Übertragung dieser Partien, und ehemalige Profis gießen eifrig Öl ins Feuer. „Jedes Spiel gegen Argentinien ist Krieg“, sagte etwa der ehemalige Nationalspieler Batista.“

Lebensmittellieferungen

Sven Goldmann (Tsp 29.6.) vertieft: „Als Europa nach dem Zweiten Weltkrieg hungerte, zählte das mit Rindern und Weiden gesegnete Argentinien zu den wohlhabendsten Ländern der Welt, bis die verschwenderische Haushaltspolitik des Generals Juan-Domingo Perón den natürlichen Reichtum aufzehrte. Der Zusammenbruch der Wirtschaft vor zwei Jahren hat die Argentinier den Brasilianern etwas näher gebracht. Mittlerweile bemüht sich Argentiniens Staatspräsident Nestor Kirchner gemeinsam mit seinem brasilianischen Kollegen Lula Silva um eine Währungsunion, an deren Ende der Latino stehen könnte, Südamerikas Gegenstück zum Euro. Was auf politischer Ebene möglich ist, ist im Fußball schwer vorstellbar. Zu viel steht zwischen beiden Ländern. Zum Beispiel die seltsame Art, wie die Argentinier 1978 bei der WM ins Finale kamen. Im letzen Spiel der Zwischenrunde musste ein 4:0-Sieg gegen Peru her, um die Brasilianer noch abzufangen. Es wurde sogar ein 6:0, und seit ein paar Jahren weiß man, dass argentinische Lebensmittellieferungen ins arme Peru den Fußballern die hohe Niederlage erträglicher machten.“

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Stil eines Architekten

Michael Eder (FAZ 29.6.) beschreibt den Gestus der Argentinier: „Wenn die Brasilianer trainieren, fühlt sich der Zuschauer wie bei einem Popkonzert. Die Fans feiern auf der Tribüne, und die Mädels kreischen, wenn Stars wie Ronaldinho über den Rasen stolzieren, der für diese Künstler kein Arbeitsplatz ist, sondern eine Bühne. Im Finale treffen sie auf den Nachbarn, schillernde brasilianische Ballartisten gegen eine unscheinbare argentinische Arbeitsgemeinschaft, der Starkult so fremd ist wie sonst kaum einer anderen Mannschaft im Turnier. Der einzige Weltstar, den sie haben, Hernan Crespo vom AC Mailand, ist nicht dabei, die Stützen der Mannschaft wirken gegen Ronaldinho und Kollegen fast bieder, alles ruhige Zeitgenossen, nichts zu sehen vom Machogehabe, das den argentinischen Fußball nicht nur in der Ära Maradona geprägt hatte. (…) Die taktische Ausrichtung der Argentinier basiert auf einem gleichberechtigten Zusammenspiel, auf einer Mannschaft ohne erkennbare Hierarchie. (…) Taktische Systeme hält Pekerman für zweitrangig, die letzte taktische Neuerung, pflegt er zu sagen, habe die holländische Schule vor dreißig Jahren kreiert. Nicht das System sei wichtig, so seine Überzeugung, sie ähnelten sich weitgehend, sondern die perfekte Vernetzung der Mannschaftsteile. Pekermans Stil ist der eines Architekten, am Reißbrett skizziert und auf dem Platz umgesetzt. Dem spektakulären, angriffslustigen Stil der Brasilianer setzt er einen nüchternen Plan entgegen.“

Pathos

Wiebke Hollersen (BLZ 29.6.) fügt hinzu: „Zum Image der argentinischen Mannschaft scheint zu passen, Stachel im Herzen zu tragen und unter öffentlicher Anteilnahme an ihnen zu operieren. Was den kanariengelben Kickern die große Lässigkeit ist, ist den himmelblauen das große Pathos. Sie trainieren am liebsten unter Ausschluss jeglicher Beobachter, sie langen im Spiel hart hin, wenn es nicht anders geht. Nach einem Sieg küssen sie sich auf die Wangen und reden in einem fort von Diego, dem schönsten Trikot der Welt, und ihrem Leben, das sie für alles geben würden.“

Herzstück und Faustpfand

Ralf Weitbrecht (FAZ 29.6.) befasst sich mit Brasilien: „Ronaldinho, Robinho, Kaka und Adriano: Das magische Viereck des Weltmeisters ist Herzstück und Faustpfand zugleich für die unvergleichlichen Momente brasilianischer Leichtigkeit.“

NZZ-Portrait Dida
BLZ-Portrait Adriano

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