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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2006

Der WM-Pokal steht ihnen zu wie ein Aston Martin

Oliver Fritsch | Mittwoch, 31. Mai 2006 Kommentare deaktiviert für Der WM-Pokal steht ihnen zu wie ein Aston Martin

Thomas Hüetlin (Spiegel) schildert den wiedererlangten Übermut der Engländer: „Wer die Champagnerlaune des englischen Teams dieser Tage erlebt, bekommt den Eindruck, die Mannschaft hätte den WM-Pokal bereits sicher in der Sporttasche und die vier Wochen in Deutschland seien nur noch eine Art Ehrenrunde, welche die Jungs absolvieren müssen, bevor sie das Ding endlich auspacken dürfen. Vorbei ist jener Schock, der sich über die Insel legte, als Ende April Chelsea-Verteidiger Paulo Ferreira Wayne Rooney umgrätschte, jener sich beim Sturz den vierten Knochen im rechten Mittelfuß brach und mit ihm die Hoffnungen der gesamten Fußballnation vom Platz getragen wurden. (…) Vorbei ist auch das jahrelange Theater um Sven-Göran Eriksson, einen Ausländer, dem die Engländer nie wirklich trauten. Schon klar, es gab schöne Momente, wie das 5:1 im Münchner Olympiastadion über den Erzrivalen Deutschland, aber richtig warm wurden die Fans mit der an Temperamentlosigkeit grenzenden Zurückhaltung ihres Nationaltrainers nie. Unvergessen und nicht vergeben sind auf der Insel Momente wie jene langen Minuten, als die Elf im WM-Viertelfinale der WM 2002 gegen Brasilien nach Ronaldinhos Platzverweis beim Stand 1:2 orientierungslos herumstolperte, Eriksson aber, statt die Initiative zu ergreifen, so still auf der Bank saß, als starrte er in die Asche eines Kaminfeuers. Richtig lebendig schien der Schwede nur, wenn es um Frauen oder um Geld ging. Sein Nachfolger und bisheriger Assistent, Steve McClaren, ist Trainer des FC Middlesbrough, eines Clubs, den jener vor fünf Jahren auf Platz 14 übernahm und genau auf dieser Position am Ende dieser Saison wieder abgab. Bei solchen Aussichten erscheint Eriksson auf einmal wieder wie eine Lichtgestalt – zumal jene ‚goldene Generation‘ um David Beckham, Steven Gerrard, Frank Lampard, John Terry, Rio Ferdinand, Joe Cole und Michael Owen auf den letzten Metern zu der Überzeugung gelangt, dass der WM-Pokal ihnen ebenso zusteht wie jene Aston Martin und diamantbesetzten Uhren, die sie sonst für sich beanspruchen.“

Sog

Georg Bucher (NZZ) begründet die Herkunft des Optimismus der Spanier: „Luis Aragonés verkörpert die kastilische Lebensart: den zuweilen schroffen, aggressiven Ton, Lebensfreude, Generosität und einen Schuss Bauernschläue. Wem, wenn nicht ihm, sollte es der Verbandspräsident Villar zutrauen, Spanien endlich aus dem Schatten grosser Nationen herauszuführen? Schon auf mehreren Klub-Bühnen war der 67-jährige Madrilene erfolgreich; nichts reizt ihn mehr als die Aussicht, ein Stück Nationalgeschichte zu schreiben, verschiedene Mentalitäten zu mischen und jenseits von Klubinteressen und Eitelkeiten ein Erfolgsteam zu formen. (…) So zerstritten die Spanier bisweilen sind, so gern sonnen sie sich im Erfolg von Landsleuten. Dann verwenden sie das Bild der Ananas, Symbol von Einheit. Auch der gute Lauf wird beschworen, heuer fast inflationär: Alonso in der Formel 1, Nadal im Tennis, Gibernau und Pedrosa auf Motorrädern, die Handballter aus Ciudad Real, die Futsal-Equipe von Boomerang – in etlichen Sportarten haben die Conquistadores Spitzenränge erobert, auch im Fussball: Sevilla und Barcelona in den europäischen Klubwettbewerben. Arsenal ist spanisch angehaucht. Die Vermutung liegt nahe, das Nationalteam werde in den gleichen Sog geraten, sich anstecken lassen vom Esprit der Winner.“

Die Erniedrigten

Peter Hartmann (NZZ) beschreibt die Hoffnung der Italiener, nichts von ihrer Stärke einzubüßen: „Es ist hundert Tage her, und Italien spielte wie der kommende Weltmeister, damals in Florenz. ‚Deutschland in Stücke zerschlagen‘, eine ‚Erniedrigung‘ der Klinsmänner, so las es sich nach dem 4:1. Die Squadra Azzurra ist fast dieselbe geblieben, aber nun ist sie die ‚Erniedrigte‘ – der beispiellose Skandal um das ‚System Moggi‘ belastet auch sie. Italien ist nicht Juventus, aber der genetische Baukasten, ein Teil der Identität dieser Mannschaft ist Juventus. Der Commissario Tecnico Marcello Lippi, dessen Sohn Davide als Agent tief im Sumpf steckt, arbeitete acht Jahre für Juventus, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass er nichts von den Machenschaften des Managers Moggi und von den übervollen Medizinschränken, die zum Dopingprozess führten, geahnt hat. Lippi baut auf einen Juve-Block, Capitano Cannavaro muss, wegen Verdachts auf Geldwäsche, immer wieder den Staatsanwälten zur Verfügung stehen, Torhüter Buffon steckt in einer Wettaffäre. Aber die Nationalmannschaft ist nun einmal der Italiener bevorzugtes Kind, 84 Prozent verfolgen ihre Auftritte mit patriotischer Leidenschaft, 72 Prozent lieben sie sogar mehr als ihren Herzensklub. Und der Hoffnungsträger heisst, wieder einmal, Alessandro Del Piero, der hamletische Juventus-Stürmer, der bisher an jedem Turnier unterging.“

FAZ: Ronaldo, im Schatten von Ronaldinho?

taz: Die französische Nationalmannschaft wirkt verunsichert. Ein Grund dafür: Drei der wichtigsten Spieler stehen beim Skandalclub Juventus Turin unter Vertrag und vor einer ungewissen Zukunft

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