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Am Grünen Tisch

Die schleichende Chelseasierung des Fußballs

Oliver Fritsch | Freitag, 25. August 2006 Kommentare deaktiviert für Die schleichende Chelseasierung des Fußballs

Ein bemerkenswerter Text in der SZ über die neuesten Gewohnheiten der Spieler, Vereinswechsel zu initiieren oder zu beschleunigen. Christof Kneer denkt noch mal über den Boulahrouz-Transfer nach: „Der Fall Boulahrouz ist sicher der kurioseste Transferfall gewesen im Sommer, und man muß kein Mediziner sein, um eine Stauchung am Taktikgelenk zu diagnostizieren. Niemand bestätigt beim HSV, daß hier ein Profi eine Verletzung simuliert hat, aber sie dementieren es auch nicht.“ Weiter beobachtet Kneer den wechselwilligen Hargreaves und leitet daraus Fragen ab: Was sind Spielern Verträge noch wert? Zu welchen Tricks und anderen Skrupellosigkeiten lassen sie sich hinreißen? Inwieweit forcieren die reichen Vereine, die diese Spieler verpflichten wollen, den Werteverfall (der Verträge und der Branche)? Er gibt zu bedenken: „Es ist wieder so weit, der morbus sommerschlußverkauf geht wieder um. Das ist eine ansteckende Krankheit, die gerne über Profifußballer herfällt, speziell über solche, die bei Verein A unter Vertrag stehen, aber gerne zu Verein B wechseln würden. Auch Hargreaves ist ja sogleich eine influenza tactica unterstellt worden, als er in Bochum grippig fehlte. Zu dieser Zeit stand er in, nun ja, lautstarken Verhandlungen mit dem eigenen Klub, weil er an einem Angebot Manchester Uniteds Gefallen gefunden hatte, was dem FC Bayern weniger gefiel. Es ist dann wohl doch eine handelsübliche Verschnupfung gewesen, dennoch paßt der Fall Hargreaves in die neuen Mechanismen der Branche: Immer skurriler geht es zu auf dem Sommertransfermarkt, und immer häufiger sind es die Spieler, die sich – unter Mithilfe des Beraters oder des neuen Vereins – aus bestehenden Verträgen herauszuwinden versuchen. Sie organisieren sich Verletzungen wie Boulahrouz oder insistieren wie Hargreaves so nachhaltig, daß es die Vorgesetzten zur Weißglut bringt. Man könnte es die schleichende Chelseasierung des Fußballs nennen, weil die 1001 legalen Transfertricks längst die tieferen Etagen der Branche erreicht haben.“ Noch einmal zeigt Kneer auf die Hintermänner: „Das Transfergeschäft ist nicht nur deshalb so skurril geworden, weil im August alles schnell, schnell, schnell gehen muß. Es liegt auch daran, daß, angezogen vom großen und kleinen Geld, immer mehr undurchsichtige Gestalten mitmischen.“

Fragen drängen sich nach der Lektüre von Kneers Analyse auf: Hat eine dieser undurchsichtigen Gestalten beim Boulahrouz-Transfer im Hintergrund die Strippen gezogen? Wie verhält es sich beim Hargreaves-Poker? Wir haben die Hoffnung ja noch nicht aufgegeben, daß die deutschen Sportredaktionen alles daran setzen, diese dunkle Welt zu durchleuchten oder zu durchleuchten versuchen; die Fußballhalbwelt würden wir schon gerne näher kennenlernen.

allesaussersport hat festgestellt, daß englische Medien über die Wechselabsicht Owen Hargreaves‘ anders berichten als deutsche: „Die Geschichte Hargreaves wird von deutsche Medien schon fast devot aus bayrischer Perspektive berichterstattet.“

Welt: „Das Bayern-Imperium wankt: Michael Ballack ist schon weg, Owen Hargreaves will weg, und der schwer verletzte Valerien Ismael darbt im Krankenhaus bei Kohlrouladen aus der Tupperdose. Deutschlands mächtigster Fußballklub gibt derzeit ein schwaches Bild ab“

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