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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Unterhaus

Vielleicht braucht es einen frischen Windstoß

Oliver Fritsch | Freitag, 15. Dezember 2006 Kommentare deaktiviert für Vielleicht braucht es einen frischen Windstoß

Freiburg und Volker Finke werden sich am Saisonende trennen, und obwohl die Presse an Finkes Großtaten in der Vergangenheit erinnert, findet sich keine kritische Stimme zu dieser Entscheidung

Andreas Lesch (BLZ) ehrt Volker Finke und will ihn daran messen, welches Erbe er hinterläßt: „Finke ist als Gesamtkunstwerk zu verstehen. Er hat die erstaunte Konkurrenz gelehrt, daß Geld ersetzbar ist – durch Kreativität. Er hat seinen Klub zum Gegenentwurf der anderen Vereine gemacht, zum cleveren Nischenfinder, ökologisch abbaubar. Als Finke alles anders gemacht hat, hat die Bundesliga gemerkt, daß sie alles gleich macht. Der Hype um seine Ideen hat erst die verschnarchte Stromlinienförmigkeit der Rivalen offenbart. (…) Ob die Arbeit des Trainers wirklich nachhaltig war, ob sie dem Klub auch in der Zukunft helfen wird, ist noch nicht zu ermessen – Werder Bremen und der Karlsruher SC jedenfalls sind nach der Trennung von ihren Langzeitherrschern Rehhagel und Schäfer abgestürzt.“

Stefan Hermanns (Tsp) schätzt vor allem Finkes unabhängigen Geist: „Volker Finke hat – wider alle Erfahrung – fünfzehn Jahre in Freiburg durchgehalten und in dieser Zeit sogar drei Abstiege überstanden. Für die Branchengesetzeshüter hat er sich damit der fortgesetzten Anarchie verdächtig gemacht. Aber Finke hat die Legislative aus Bild und DSF-Stammtisch genauso wenig anerkannt wie Udo Lattek als obersten Verfassungsrichter. Vielleicht war dieser Akt des Widerstands seine größte Leistung für den deutschen Fußball.“

Finke steht schon jetzt für die Vergangenheit

Nadeschda Scharfenberg (SZ) würdigt Finkes große Verdienste, hält aber auch einen Abschied von ihm für geboten: „Es gibt keinen anderen Trainer, der aus wenig so viel gemacht hat. Die Spielstätte, einst ein Acker mit einem Bretterverschlag als Tribüne, ist zu einem modernen Stadion mit 25.000 Plätzen und Solarzellen auf dem Dach ausgebaut, und es gibt die Fußballschule, der Stolz der Freiburger. Das sind bleibende Werte, die sich der Verein aufgebaut hat, ohne Schulden zu machen. (…) In jüngster Zeit scheint die Philosophie zu verstauben, im Treibsand zu versinken wie eine Oase in der Wüste. Die Freiburger Verantwortlichen, Manager, PR-Manager, Trainerteam, sind alle im System Finke großgeworden, sie haben es so verinnerlicht, daß es ihnen schwer wird, es weiterzuentwickeln. Vielleicht braucht es einen frischen Windstoß, um den Sand wegzupusten.“

Mathias Schneider (StZ) kritisiert den Kompromiß als halbherzig: „Der SC und sein Finke wirken wie ein Ehepaar, das weiß, daß es miteinander nicht mehr geht, aber es nicht fertigbringt, sich diese Niederlage einzugestehen. Der dringend benötigte Aufbruch der Mannschaft zu neuen Ufern wird durch das Zaudern der Entscheidungsträger eher gehemmt als provoziert. Dafür dokumentiert die Scheu vor einem klaren Votum – und sei es pro Finke! –, unter welch großem Führungsvakuum der Klub unter seinem Präsidenten Achim Stocker mittlerweile leidet. Seit gestern hat die Krise den ganzen Verein erreicht – mit unabsehbaren Folgen.“ Frieder Pfeiffer (SpOn) ergänzt: „Auch Ankündigungen, wie die geplante Einbeziehung Finkes in die Suche nach einem Nachfolger täuschen nicht darüber hinweg, daß die Tage des Gutsherren aus Freiburg gezählt sind. Finke steht schon jetzt für die Vergangenheit.“ Oliver Trust (Tsp) schreibt über die Freiburger Presseankündigung: „Der Sportclub hat ihm viel zu verdanken, das schimmert überall durch, allein deshalb kommt es nicht zur sofortigen Trennung. Manches klang deshalb so verklärt, als teile der Pfadfinderbezirk Breisgau eine Entscheidung mit.“

FR-Interview mit Freiburgs Manager Andreas Bornemann über Finke

Wissen Sie was? Behalten Sie doch Ihr Vorurteil!

Ein Auszug aus dem Spiegel-Interview mit Christoph Daum
Spiegel: „Sie wurden in Köln wie der Messias empfangen. Eine Zeitung schrieb: ‚Wir sind Daum‘. Das wirkt wie die Sehnsucht nach jemandem, der die Hand auflegt, und alles wird gut. Von Arbeit will in Köln niemand etwas hören.“
Daum: „Dann muß man das eben wiederholen, wiederholen, wiederholen. Lernen heißt wiederholen. Bei einem Verein wie dem 1. FC Köln kann man nur mit knallharter Arbeit etwas ändern. Aber Fußball hat heute nicht nur hier Event-Charakter, das Spiel hat sich von seinen Ursprüngen gelöst.“
Spiegel: „Sie könnten versuchen, sich dagegenzustemmen.“
Daum: „Keine Chance, vergiß es! Das wäre eine Aufgabe für Don Quichotte. Man kann nur versuchen, die wichtigen Dinge in den Vordergrund zu rücken: das Spiel und die Arbeit. Andererseits lebt das Großereignis Fußball zu einem großen Teil von dieser Emotionalität. Nun könnte man da eine Käseglocke drüberstülpen, aber dann würde man der Sache eine ihrer Grundsäulen nehmen, die Fußball zu so einer unvergleichlichen Erlebniswelt gemacht hat.“
Spiegel: „Sie haben in Ihrer Karriere diese Erlebniswelt oft bedient.“
Daum: „Das ist der größte Unsinn, der mir immer wieder vorgeworfen wird. Wer war eigentlich zuerst da? Ich oder die Medien? Es heißt: Daum inszeniert sich selbst, weil es Ihnen gut gefällt, mich als einen Selbstdarsteller zu bezeichnen. Aber im Prinzip ist die Presse oft der Provokateur.“
Spiegel: „Herr Daum, Sie haben 1989 live im Fernsehen Jupp Heynckes und Uli Hoeneß beleidigt. Sie haben Geldscheine an die Kabinentür genagelt, um die Spieler heißzumachen. Sie haben während Ihrer Kokainaffäre die Öffentlichkeit belogen, und später nach Ihrer Rückkehr aus den USA wurde Ihre Entschuldigungspressekonferenz zur Comedy-Show. Dann war der Trainer Christoph Daum ein paar Jahre weg aus Deutschland, und wo gibt er seine erste Pressekonferenz, um Auskunft über ein mögliches Engagement beim 1. FC Köln zu geben? Im Krankenhaus.“
Daum: „Wissen Sie was? Behalten Sie doch Ihr Vorurteil!“
Spiegel: „Wir sind hier, um zu erfahren, warum Sie tun, was Sie tun. Es geht nicht um Vorurteile.“
Daum: „Ich bin bei Ihnen in der Schublade drin. Wissen Sie, ich will Sie doch gar nicht verunsichern und aus Ihrer Komfortzone herausholen, weil ich Sie damit vielleicht überfordere. Es gibt ein paar Leute, die kennen mich, und das reicht mir.“
Auf die Doping-Affäre angesprochen, blockt Daum: „Darüber will ich einfach nicht mehr reden. Das war eine Episode in meinem Leben, die ich gerne missen möchte, aber nicht ausradieren kann. Es war eine Zäsur und hat mir die Möglichkeit gegeben, mich auf einige Dinge für die Zukunft zu besinnen. Wissen Sie, für mein Leben ist nicht das Wichtigste, was Sie von mir halten, sondern was ich von mir halte. Ich bin aus der Sache gestärkt hervorgegangen, ich habe das alles mit meiner Familie und meinen Kindern, die mir die nächsten Menschen sind, aufgearbeitet. Ich bin im Reinen mit mir und auf alle Leute zugegangen, von denen ich meinte, da müßte es ein klärendes Gespräch geben. Ich habe Briefe geschrieben und alles Menschenmögliche getan, um die Sache auszuräumen, die nicht mehr rückgängig zu machen war. Niemand ist fehlerfrei, das kann, glaube ich, keiner von sich behaupten.“
Spiegel: „Haben Sie auch das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein?“
Daum: „Das ist kein Gefühl, das ist belegbar. Das stand sogar im Spiegel.“

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