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Asketische Fußballpragmatiker ohne Ecken

Frank Baade | Mittwoch, 9. September 2009 Kommentare deaktiviert für Asketische Fußballpragmatiker ohne Ecken

Seltenes über Clemens Fritz, nichts Neues über Berti Vogts, während Michael Ballack klarmacht, wie es um seine Motivation bestellt ist

Selten liest man etwas über Clemens Fritz, bei der Financial Times Deutschland findet sich eine Ausnahme. Und gleich auch die Erklärung für die seltenen Auftritte Fritz‘ außerhalb des Fußballplatzes, wie uns Alexander Linden über „Fritz, den Anti-Schweini“ aufklärt: „Fritz hasst es, im Rampenlicht zu stehen. Den Zusammenhang zwischen seinem Job als Sportler und den Fragen nach seinem Privatleben müsse ihm mal jemand logisch erklären, sagt er. Nach der Sommerpause wollte er voll angreifen. Doch schon zu Beginn der neuen Saison wurden alte Fehler sichtbar: Sein Problem, nach vorne zu wenig Druck auszuüben, begleitet ihn auch in den ersten Partien der neuen Spielzeit. Er reagiert oft zu spät, gewinnt selten einen entscheidenden Zweikampf und wird in der Rückwärtsbewegung oft überlaufen. Unterm Strich: Es kommt zu wenig, Fritz drängt sich nicht auf. Nicht für die Nationalmannschaft, und schon gar nicht außerhalb des Spielfeldes. Konsequent hat er sich bis jetzt persönlichen Interviews und Homestorys entzogen. ‚Ich mache meinen Job, darauf hab‘ ich Lust, da will ich alles geben‘, sagt Fritz. Wer sich Clemens Fritz menschlich nähern will, braucht Zeit und Geduld. Es vergeht eine komplette Stunde, in der Fritz stoisch und mürrisch seinen Werdegang im Osten schildert. Fritz‘ Werdegang war zögerlich und wechselvoll. Das Sportgymnasium verließ er ohne Abitur. Heute bereut er seinen Entschluss, kein Abitur gemacht zu haben. Er grinst schief. Wenige Spieler sind so selbstkritisch. Damit reiht sich der Verteidiger Fritz in einer Riege mit Namen wie Kießling, Tasci, Friedrich, Hitzelsperger oder Rolfes ein – eine neue Generation von Nationalspielern –, allesamt asketische Fußballpragmatiker, ohne Ecken, aber nicht ohne Emotionen. Vor einiger Zeit ist Fritz aus dem angesagten ‚Viertel‘ in Bremen-Mitte ins bürgerliche Schwachhausen in eine 152-Quadratmeter-Wohnung im ersten Stock gezogen, zu oft nervten ihn Klingelorgien. Inzwischen lebt seine ältere Schwester Conny bei ihm. Seine Schwester ist nicht die einzige Frau in seinem Leben. Doch seine Freundin Millie öffentlich zur Schau zu stellen, kommt für Fritz nicht in Frage. Seit Ende 2007 ist er mit der 25-Jährigen, die in England arbeitet, liiert. Kraft geben ihm seine Freunde und Besuche in der thüringischen Heimat. Er bemüht sich nach Kräften, die Bodenhaftung nicht zu verlieren, setzt andere Schwerpunkte im Leben als manche seiner Teamkameraden. Ausdrucksstärkster Beweis dafür war ein Moment bei der EM nach dem sensationellen Viertelfinalsieg der Deutschen gegen Portugal. Die Spieler flippten aus, Bastian Schweinsteiger lief mit nacktem Oberkörper und einem albernen Hut zu seiner Model-Freundin Sarah Brandner. Solche Szenen wird es von Clemens Fritz nicht geben. Er stürmte zu seinen Eltern und umarmte seinen Vater, lange und fest. Sekundenlang wurde der Moment von den Kameras eingefangen. Er war ganz bei sich.“

Berti bewirbt sich

Christian Gödecke hört für Spiegel Online der alten Schallplatte zu, die Berti Vogts ableiert: „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich Schottland für die Playoffs qualifiziert. Schottland ist erfolgreich, seit Vogts nicht mehr da ist. Das ist die eine Version. Vogts sagt, Schottland sei erfolgreich, weil er da war. Fünf Jahre ist das jetzt her. Berti Vogts, 62, war schon in Kuwait (2001-2002) und Nigeria (2007-2008) beschäftigt, der ehemalige Bundestrainer ist ein Entwicklungshelfer in Sachen Fußball geworden. Als er nach Schottland ging, verjüngte er die Mannschaft, professionalisierte die Scouting-Arbeit, und er baute neue Strukturen auf, von denen die Insel-Kicker heute profitieren. Auch die Arbeit in Aserbaidschan hat Kraft gekostet, vielleicht fühlt er sich auch mittlerweile wie ein alternder Maurer, der einfach mal in einem Haus wohnen will statt immer wieder andere einziehen zu lassen. Vielleicht will er sogar noch mal richtig angreifen? Er war ja schließlich mal deutscher Bundestrainer. Vogts genießt diesen Auftritt in Hannover, er genießt die besondere Situation. (…) Das Verhältnis der aserbaidschanischen Journalisten zum Nationaltrainer scheint ohnehin ein sehr besonderes zu sein, denn Vogts lobt die Kollegen sogar für deren respektvollen Umgang mit ihm. Er kennt es anders – aus Schottland und vor allem auch aus Deutschland. Nur so ist vielleicht auch zu erklären, dass der Trainer ganz am Ende noch gefragt wird, ob er sich denn aufgrund seiner erfolgreichen Vergangenheit beim DFB denn vorstellen könnte, noch mal Bundestrainer zu werden. Nein, sagt Vogts, die Zeit sei vorbei. Eine beratende Funktion könne er sich allerdings vorstellen.“

Michael Ballack äußert sich im Tagesspiegel-Interview mit Stefan Hermanns und Michael Rosentritt, welches man getrost auf einen Satz zusammenfassen kann, wie es auch die Autoren im Titel tun: „Ich scheue keine Konflikte.“ Von Amtsmüdigkeit ist beim Kapitän der Nationalmannschaft jedenfalls keine Spur zu finden.

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