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Am Grünen Tisch

Zwanziger und der Fall Amerell: atemberaubendes Versagen

Frank Baade | Montag, 22. Februar 2010 2 Kommentare

Theo Zwanziger befindet sich in einer schweren Formkrise, Volker Roth hat seinen Bereich offenbar nicht im Griff, der DFB offenbart bedenkliche strukturelle Mängel

Den „Zickzack-Zwanziger“ nennt Michael Horeni den DFB-Präsidenten in der FAZ: „Nur wenige Tage nach dem Desaster in Sachen Vertragsverlängerung mit dem Bundestrainer versagt Zwanziger auch im ‚Fall Amerell‘ in atemberaubender Weise. Es ist mehr als nur eine Formkrise, die den Präsidenten im WM-Jahr befallen hat. Es taucht eine altbekanntes Phänomen auf, das unter Zwanziger beim DFB eigentlich als erledigt galt: das Führungsproblem. (…) Es ist keine neue Entwicklung, dass sich der Präsident mitunter für wichtiger hält als den DFB.“ Selbst bei seinem Besuch im Kanzleramt sei er in politischen Kreisen mit seiner belehrenden Art unangenehm aufgefallen, weil er sich offensichtlich auf Augenhöhe mit seinen Gegenübern wähnte. „Dem Anwalt aus Altendiez bekomme die Höhenluft als omnipräsenter DFB-Präsident mit den Jahren immer schlechter“, zitiert Horeni jahrelange Begleiter von Zwanzigers Weg. Immer wieder werde deutlich, was beim DFB ein Problem darstelle: „Die wachsende Beratungsresistenz des Präsidenten und ein fehlendes Korrektiv innerhalb des deutschen Fußballs.“ Und dass Generalsekretär Niersbach Zwanziger bei dessen Fehlgriffen nicht immer bremsen könne, könnte durchaus in Niersbachs eigenem Interesse sein.

Festhalten an Roth unerklärlich

Den Umgang mit dem eigentlich Zuständigen Volker Roth deutet Thomas Kistner (SZ) als den Wunsch, eine Sache gar nicht erst auf den Tisch kommen zu lassen: „Dass sich ‚unaufgefordert‘ (Niersbach) immer mehr Referees beim DFB meldeten, zeugt nicht davon, dass Roth seinen Bereich im Griff hatte.“ Dennoch sei eine Trennung von Roth nicht geplant. „Das Festhalten an Roth, politisch Verantwortlicher des Gesamtgeschehens, erscheint weiter unerklärlich. Das könnte den Eindruck nähren, dass der DFB ein Thema begraben wollte, das früher bekannt und Dimensionen über den aktuellen Fall hinaus besitzen könnte.“

Probleme im Umgang mit Schwulen

Einen deutlichen Hinweis auf „Reformstau“ sehen Frank Bachner, Robert Ide und Michael Rosentritt im Tagesspiegel in den Vorfällen: „In beiden Fällen ist öffentlich offensichtlich: Das Krisenmanagement klappt nicht, und viel Vertrauen ist zerstört. Die Affäre offenbart neben personellen Problemen schwere strukturelle Mängel. (…) In Verbandskreisen ist längst klar, was getan werden muss. Insider berichten, dass es zu wenig Kontrollmöglichkeiten gibt, den eventuellen Missbrauch von Macht zu verhindern oder wenigstens rechtzeitig zu erkennen. Amerell hatte durchaus die Möglichkeit, Talente gezielt zu fördern oder eben nicht. Er setzte nicht nur die Schiedsrichter für Spiele in der Regionalliga und in der Junioren-Bundesliga an, sondern beobachtete sie auch und bewertete dann ihre Leistungen. Für einen Aufstieg in den lukrativen Profifußball, in dem es regelmäßig eingesetzte Referees monatlich auf einen fünfstelligen Zuverdienst bringen können, war einer wie Amerell unerlässlich.“ Zum offiziellen Umgang mit dem Thema Homosexualität äußern sich die Autoren wie folgt: „Der DFB, der sich zumindest in Gestalt von Zwanziger müht, das Tabu zu brechen, zeigt nach Ansicht von Kritikern Probleme im souveränen Umgang mit Schwulen. Der homosexuelle Präsident des Zweitligisten FC St. Pauli, Corny Littmann, sieht jedenfalls Amerell als Täter und Opfer. Der DFB spricht in einer Pressemitteilung von ’sexuellen Kontakten‘. Musste das sein?, fragt nicht nur Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.“

Deckel drauf?

Jan Christian Müller in der FR: „Aber das war von vorne herein Wunschdenken. Schon am selben vergangenen Mittwoch, als DFB-Präsident Theo Zwanziger die Akte offiziell für geschlossen betrachtete, hatte der Boss des Süddeutschen Verbandes, Rolf Hocke, in der FR eine realistischere Einschätzung vorgebracht: Hocke wusste da nämlich schon, dass weitere Schiedsrichter sich gemeldet hätten und deren Aussagen selbstverständlich nachgegangen würde. Inzwischen ist beim DFB noch mehr Post von Unparteiischen eingegangen, die zur Sache etwas zu sagen haben. Von wegen Deckel drauf.“

Kommentare

2 Kommentare zu “Zwanziger und der Fall Amerell: atemberaubendes Versagen”

  1. Lena
    Mittwoch, 24. Februar 2010 um 15:54

    Ich frage mich ja schon, wieso Ihr Euch den Vergleich von DFB und kath.Kirche so lange verkneift. 20er und die Unfehlbarkeit. Der dunkle Schiedsrichterorden als Männerbund der besonderen Ordnung.

    Das wäre mit dem „Männer trinken keine Milch“ Schiri nie passiert ( http://www.youtube.com/watch?v=lyM21BPR5kw&feature=fvw ). War das ( http://www.youtube.com/watch?v=b6×7WKtQKQU&feature=related) das erklärte Ziel der Schiedsrichterbeobachtung?

    Ok. Ernst jetzt: Schiedsrichter, die denken, sich für den Aufstieg prostituieren zu müssen, die denken, sie müssten so was wie Mundküsse und was weiß ich noch alles über sich ergehen lassen, haben ein in meinen Augen schlechtes Urteilsvermögen. Da gehört auch beim Vorgesetzten aber sofort die gelbe Karte gezückt. Mann sind das alles Memmen.

    Ich hab höchsten Respekt vor dem Schiri aus Bayern, der da nicht mitgemacht hat.

  2. Mitchell
    Samstag, 2. Juli 2011 um 18:08

    Well done article that. I‘ll make sure to use it welisy.

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