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Internationaler Fußball

Jürgen Klinsmann ist neuer US-Coach – Aller guten Dinge sind drei

Kai Butterweck | Montag, 1. August 2011 4 Kommentare

Bereits zweimal stand Jürgen Klinsmann kurz davor das amerikanische Nationalteam als Trainer zu übernehmen. Nun ist es endlich soweit: Der Schwabe soll die US-Mannschaft zur WM 2014 nach Brasilien führen

Philipp Selldorf (SZ) prophezeit dem neuen US-Coach einen vermeintlich leichten Gang: „Kaum hat Jürgen Klinsmann die Stelle als amerikanischer Nationaltrainer angenommen, hat er dem neuen Arbeitgeber schon einen schönen Dienst erwiesen: Er hat ihn am magischen Losglück teilhaben lassen, das traditionell dem deutschen Fußball zur Seite steht – und dessen Kindern offenbar ebenso. Es müsste also viel schief laufen, damit die Amerikaner den Weg zur WM in Brasilien verfehlen. Bei der Auslosung am Samstag wurde bisher zwar lediglich Jamaika als Gegner festgelegt, aber die übrigen beiden Widersacher ergeben sich aus einem Kreis, dem Staaten wie Curacao, Grenada oder Belize angehören, lauter Sonnenscheinparadiese, doch keine Fußballgrößen. Klinsmanns Qualifikationstour erscheint eher als Kreuzfahrt denn als Härteprüfung.“

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Die Zeitungen feiern ihn als Heilsbringer

Auch Nils Lehnebach (Spiegel Online) sieht der WM-Qualifikation gelassen entgegen: „Die Qualifikation dürfte für den 30. der Fifa-Weltrangliste Formsache sein, Klinsmann wird mit seiner Mannschaft also erst 2014 bei der WM in Brasilien wirklich gefordert werden. Bis dahin muss er seine Mannschaft allerdings auch umkrempeln, der Nachwuchs wird benötigt. Die Führungsspieler wie Torwart Tim Howard (32 Jahre alt), Kapitän Carlos Bocanegra (32), die Bundesliga-Profis Steven Cherundolo (32) und Jermaine Jones (29) sowie Stürmer Landon Donovan (29) sind bereits in die Jahre gekommen. Das Land scheint Klinsmann diese Aufgaben zuzutrauen, in den USA ist die Hoffnung auf Besserung groß. Die großen Zeitungen stehen hinter dem Deutschen, feiern ihn als Heilsbringer.“

Jürgen Kalwa (FAZ) begrüßt die Entscheidung: „Die Aufgabe ist auf Klinsmanns Lieblingsrolle als energiegeladener Reformer zugeschnitten: Er soll und muss einen Weg finden, wie man aus einem Reservoir an mittelmäßigen Talenten eine international konkurrenzfähige Mannschaft herausmodelliert. Wo die Amerikaner im weltweiten Vergleich derzeit stehen, hatte die WM im vergangenen Jahr in Südafrika gezeigt, an der der Schwabe als Fernsehkommentator des amerikanischen Senders ESPN teilnahm. Bob Bradleys Mannschaft schied im Achtelfinale gegen Ghana aus, woran der Trainer – Vater des Mönchengladbacher Mittelfeldspielers Michael Bradley – mit einer Reihe von taktischen Fehlleistungen einen erheblichen Anteil hatte.“

Klinsmann braucht fußballspezifisches Detailwissen an seiner Seite

Jan Christian Müller (FR) wünscht sich eine helfende Hand für Jürgen Klinsmann: „Im Juli 2006 ging Klinsmann als Held. Als er im April 2009 von den Bayern entlassen wurde, galt sein Ruf in Deutschland als ruiniert. Denn ohne Löw und ohne das Refugium Kalifornien als Rückzugsgebiet war er in der Tagesarbeit schlicht überfordert gewesen. Das Engagement des amerikanisierten Schwaben mit dem großen Ego beim heruntergewirtschafteten US-Soccerteam erscheint somit als logischer Schritt für beide Seiten. Um nicht wie in München als Blender demaskiert zu werden, wäre Klinsmann gut beraten, jemanden mit fußballspezifischen Detailwissen an seine Seite zu holen. Der Bundes-Jogi hat dafür freilich derzeit keine Zeit.“

Nach Ansicht Walter Brühl (derwesten.de) steht Jürgen Klinsmann in der Bringschuld: „Keine Frage: Klinsmanns  einst glänzender Ruf als Trainer ist angekratzt. Vor allem durch seinen vorzeitigen Abschied bei Bayern München, wo 2009 ausgerechnet  Jupp Heynckes das von ihm angerichtete Durcheinander aufräumen und ein schlimmes Saison-Ende verhindern musste. Gelitten hat Klinsmanns Renommee aber auch durch die glänzenden Spiele, die das DFB-Team unter seinem Nachfolger Joachim Löw gezeigt hat. Ist der Chef bei der WM 2006 etwa doch nicht viel mehr gewesen als ein Einpeitscher, ein Motivator? Einer, dessen Wirkung nicht lange vorhält? Beim US-Verband erhält er nun die Gelegenheit, das Gegenteil zu beweisen. Es wird eine entscheidende Station werden für Jürgen Klinsmann. Den Weg nach oben öffnen ihm nur neue Erfolge.“

 

Kommentare

4 Kommentare zu “Jürgen Klinsmann ist neuer US-Coach – Aller guten Dinge sind drei”

  1. anderl
    Montag, 1. August 2011 um 10:11

    Losglück…
    Eine herrliche Erfindung der deutschen Presse. Nimmt man den FIFA-Ranglistenplatz der ersten drei in einer Gruppe als Massstab, dannn hat Deutschland die härteste Gruppe. Und ich kann auch nicht einsehen, warum ein Gruppe mit Irland und Schweden leichter sein soll als andere Gruppen. Deutschland ist nun mal die drittbeste Mannschaft der Welt, da gibt es nicht mehr viele, die besser sind. Und so ist es logisch, dass es nur „Losglück“ gibt. Natürlich stellt jeder Gegner eine Herausforderung dar. Aber von der Klasse der Nationalmannschaft her, gibt es in Europa nur einen Gegner. Und das sind die Spanier. Alles andere sollte als machbar gelten. Die einzigen Gruppen, bei denen es härter wird. das ist die Gruppe A und I. Da sind die zweiten jeweils Serbien und Frankreich. Das sind wohl wirklich harte Konkurrenten. Der Rest dürfte Business as usual werden.

  2. Markus
    Dienstag, 2. August 2011 um 11:57

    Klinsmann wird erneut wegen seines eigenwilligen denkens/arbeiten scheitern. Ich bezweifel sogar ob er die WM „erlebt“.

  3. MS
    Dienstag, 2. August 2011 um 12:50

    Ähem – so wie er mit Deutschland die WM nicht erlebte?
    Für Klinsmann ist das ein „Projekt“, sogar mit einem klar abgesteckten Ende – etwa Halb- oder gar Finale 2014. Er hat keine tägliche Arbeit mit den Spielern und kann sich ganz auf „konzeptionelle Dinge“ konzentrieren.

    Und in diesem Rahmen – siehe Satz 1 – hat er bereits funktioniert.

    Im Grunde ist mir das egal, ich bin nicht mal gespannt, ob und was er mit den USA reissen wird, mich interessieren Werder, BL und Deutschland – Prognosen in die eine oder andere Richtung maße ich mir allerdings auch nicht an.

  4. Markus
    Dienstag, 2. August 2011 um 14:51

    @MS Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Ich hab in keinster weise was von Deutschland gesagt und vergleichen lässt sich das eh nicht.

    Ich bin auch gespannt wie sich das ganze entwickelt und vielleicht täusch ich mich auch, aber bis 2014 ist noch etwas hin…

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