indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ball und Buchstabe

Die unendliche Geschichte

Matthias Nedoklan | Freitag, 26. August 2011 18 Kommentare

Eines ist Philipp Lahm auf jeden Fall gelungen – sein Buch „Der feine Unterschied“ steht seit Tagen in den Schlagzeilen und noch vor der Veröffentlichung in den Bestsellerlisten. Es wird weiter gestritten – obwohl das Buch noch kaum jemand gelesen hat.

Josef Kelnberger (SZ) teilt aus: „Er ist so klein, er ist so süß, er sieht so harmlos aus. Kann dieser Philipp Lahm jemandem etwas zuleide tun? Natürlich nicht, sagen seine Bewunderer, vor allem Frauen, bei denen er den Beschützerinstinkt weckt. Aber nette Männer machen keine Karriere, vor allem nicht, wenn sie nur eins siebzig messen. Nur nett, so wird niemand Kapitän des FC Bayern München und der Nationalmannschaft, der beiden wichtigsten deutschen Fußballmannschaften also.“

Lars Wallrodt und Lars Gartenschläger (Welt): „Im Eiltempo haben sich die Vereins- und Verbandsbosse das Pamphlet kommen lassen, um sich schnell einen Eindruck vom neuen Giftblatt des deutschen Fußballs zu verschaffen. Dort finden sich durchaus pikante Passagen, die am Donnerstagabend den DFB zum Handeln zwangen. Zwar bleibt Lahm Kapitän der Nationalmannschaft, allerdings kassierte er von den DFB-Bossen eine harsche Rüge. In der kommenden Woche wird es zudem ein Gespräch zwischen Lahm und Bundestrainer Joachim Löw, DFB-Manager Oliver Bierhoff und dem Spielerrat der Nationalmannschaft geben.“

Jan Christian Müller (FR) verzeiht nicht: „Offenbar dünkt den Ex-Schwarm vieler Schwiegermütter nun, dass er es mit seinem Imagewandel vom braven Buben zum Typen mit Ecken und Kanten diesmal zu weit getrieben haben könnte. Jedenfalls ließ er am Donnerstagnachmittag um 15.47 Uhr über seinen Berater Roman Grill eine Pressemitteilung im demütigen Grundton verbreiten.“

Andreas Rüttenauer (taz) verteidigt Lahm: „Nichtssagend. So stellen sich nicht nur die Fußballherrschaften, die Klubs und Verbände den modernen Fußballprofi vor. Spielen sollen sie, 65-mal im Jahr höchste Leidenschaft entwickeln und hinterher vielleicht noch darüber reden, wie gut sie an diesem Tag in die Zweikämpfe gekommen sind. Ansonsten sollen sie neben dem Platz Charakter zeigen. Charakter heißt Schweigen. Philipp Lahm macht da schon länger nicht mehr mit.“

freistoss des tages

Kommentare

18 Kommentare zu “Die unendliche Geschichte”

  1. breeze
    Freitag, 26. August 2011 um 10:58

    Bei der Einleitung hat jemand schneller gedacht als geschrieben 😉

    „sein Buch „Der feine Unterschied“ steht seit Tagen in den Schlagzeilen und noch vor der Veröffentlichung die Bestsellerlisten.“

    Eine Kleinigkeit scheint da zu fehlen.

  2. manu76
    Freitag, 26. August 2011 um 11:26

    Ich finde den Kommentar von Andreas Rüttenauer gut und denke da genauso.
    Es wird im Fussball sehr viel verheimlicht und nun macht einer den Mund auf und schon wird auf ihn geschossen…schade…!finde es gut von Lahm, dass er sich traut. Fände es schade, wenn es gravierende Konsequenzen für ihn in der DFB Elf oder bei den Bayern gäbe.

  3. Matthias Nedoklan
    Freitag, 26. August 2011 um 12:00

    Ups, das passiert, wenn man mit der heißen Nadel strikt – ist natürlich verbessert. Vielen Dank für den Tipp.

  4. Lasse
    Freitag, 26. August 2011 um 13:57

    Ist schon interessant, wie problemlos für viele der Leute, denen es doch so wichtig ist, dass ihr Deutschland alle möglichen Titel gewinnt, der Inhalt der Lahmschen Textauszüge ist. Auch interessant: Die Dauer des Trainings der Nationalmannschaft vor und bei einer EM, ist also etwas ganz ganz Internes, das niemanden, was angeht.

    Schlimm ist natürlich, dass Jogi einen Schal trägt und Werbung für Nivea macht, denn das ist irgendwie „schwul“. Ein Trainer, der aber einen Haufen Fußball-Millionäre jeden Tag nur eine Stunde lasch trainieren und sonst Playstation zocken lässt, ist aber nach wie vor der Held und „ein Rudi Völler.“

  5. Dirk
    Freitag, 26. August 2011 um 15:14

    @Lasse

    man stellt nicht jemanden an den Pranger, nur um sich entweder selbst zu profilieren oder um dem anderen einen rein zu würgen. Das ist peinlich.

    Nur weil ich so ein Verhalten kritisiere heißt das nicht, dass Rudi Völler mein Trainerheld ist. Der damalige Rumpelfußball war schwer auszuhalten.

    Wenn es Lahm um Inhalte ginge, dann könnte er seine Botschaften auf verträglichere Art kommunizieren. Oder, was wirklich spannend wäre, er könnte ein Buch darüber veröffentlichen, was seiner Meinung nach im Training von Löw und Heynckes nicht gut läuft und optimiert werden sollte.

  6. Lasse
    Freitag, 26. August 2011 um 15:33

    Mir geht es weniger um Lahm oder um die Kommentatoren hier als um die öffentliche Inszenzierung, in der Lahm die Rolle als mieser kleiner Intrigant zugewiesen wird, während v.a. Rudi Völler als armes Opfer dargestellt wird, dem schlimmstes Unrecht widerfährt. Hätte Oliver Kahn nach einer (fiktiven verkorksten WM 2006) ein Buch veröffentlicht, in dem geschrieben stünde: „Unter Klinsmann haben die Spieler vor allem Playstation gezockt“ – die Geschichte wäre vermutlich als die des hart arbeitenden, tugendhaften Deutschen erzählt worden, der über den neumodischen verweichlichten California-Klinsi richtig auspackt.

  7. Dirk
    Freitag, 26. August 2011 um 15:36

    @Lasse

    Deine Argumentation kann ich nachvollziehen.

  8. mustard
    Freitag, 26. August 2011 um 16:29

    Haette Lahm ein Rueckgrat, so haette er die Punkte, die er jetzt kritisiert, dann angesprochen, als sie aktuell waren. Dann auch gerne in der Oeffentlichkeit. Ab an z.B: Kritik an Voeller zu seiner Zeit als Trainer kann ich mich nicht erinnern.

    Diese Kritik im Nachhinein hat erinnert irgendwie eher an unsportliches Nachtreten.

    Das es anscheinend keine Kritik an aktuellen Trainern gibt, obwohl diese sicher auch Fehler machen, laesst Lahm auch nicht besser erscheinen.

    Erschreckend ist die Tatsache, das Lahms Kritikpunkte, die selbst ja wohl in der Sache berechtigt und die auch am Fussball interessierten Beobachtern nicht gaenzlich unbekannt sind, seinerzeit nicht von den Journalisten thematisiert wurden.

  9. Horst Kaputnik
    Samstag, 27. August 2011 um 09:18

    Philipp Lahm ist ein typischer Vertreter des Napoleon-Komplexes und muss darum sofort aus dem Verkehr gezogen werden.

    Mit ihm ist die EM nächstes Jahr stark gefährdet, wer will sich denn von so einem Zwerg etwas sagen lassen?

  10. OF
    Samstag, 27. August 2011 um 16:19

    @mustard: Lahm war unter Völler 20 Jahre alt. Und ein Neuling in der Nationalmannschaft.

  11. OF
    Samstag, 27. August 2011 um 16:20
  12. Ulfert
    Sonntag, 28. August 2011 um 19:03

    Andreas Rüttenauer hat Recht: Phillip Lahm zeigt keinen Charakter 😉

    Ich finds ja fast schon amüsant, wie er jetzt so tut, als sei er falsch verstanden worden. Immerhin hat er der BILD sein Buch gegeben zum Vorabdruck – hat er etwa erwartet dass dann eine 2-Seiten-Rezension erscheint, in der dann analysiert wird wie fundiert seine Kritik ist?

    Schade dass Vogts nicht mehr Bundestrainer ist. Der hätte das Rückgrad, um Lahm wegen seiner Beziehung zur BILD aus dem Kader zu schmeißen. Statt dessen haben wir nun einen zweiten Matthäus an der Backe,

    Inhaltlich kann ich, wie wohl die allermeisten, nicht entscheiden wer Recht hat. Daher ist es mir auch egal – die Art und Weise ist einfach nur schäbig, zumal aufgrund der Medienpräsenz sich die Position von Lahm durchsetzen wird.

    Lahm könnte ja das Geld aus seinem Buch für Trainerschulungen spenden, aber wenn er soviel sozialen Geist hätte, wäre das Buch wohl ungeschrieben 😉

  13. Oliver Fritsch
    Sonntag, 28. August 2011 um 20:37

    @Ulfert: Das stimmt, Lahm macht jetzt zu unrecht auf unschuldig.

  14. qualitätsbeiträge ausnahmsweise
    Sonntag, 28. August 2011 um 21:20

    Isch weiß net, Jungs hiä.
    Kann es sei, dass iä des alles für zu wischtig nemmt?
    Isch glaube, der Philipp hat in däm Buuch kaine belaidischt! Er hat nuä de Wahrheit gesaacht.
    Der Maddäus hat damals glaub isch abbä so richtisch vom Ledä gezogn…

    nur son Gedanke…

  15. mustard
    Sonntag, 28. August 2011 um 21:25

    @OF: Ich werfe Lahm nicht vor, das er damals nichts gesagt hat. Aber mir gefaellt es nicht, wenn jemand nichts sagt wenn das Thema aktuell ist, und dann irgendwann spaeter eine oeffentliche ‚Abrechnung‘ publiziert. Und es hat einen Beigeschmack, wenn es anscheinend an keinem aktuell Verantortlichen etwas auszusetzen gibt, und nur Menschen Fehler gemacht haben, mit denen er heute nichts mehr zu tun hat.

    Wenn nun herauskommt, das Voeller/Skibbe recht unbedarfte Trainer waren, ist das natuerlich bitter. Aber eine ehrliche Aufarbeitung muss das in den zeitlichen Kontext einbetten. War das seinerzeit so offensichtlich ein Zeichen von Inkompetenz? Das Abschneiden der NM in 2002 war z.B. nicht so schlecht. Wie hat man in anderen NM’s trainiert, wie haben Voellers Vorgaenger im Vergleich gearbeitet? Meiner Meinung nach geht z.B. die Modernisierung der DFB-Strukturen in erster Linie auf Klinsmann zurueck. Der aber wohl auch nicht so gut weg kommt.

    Das sind Themen, die sich IMHO nicht so gut fuer eine Biographie eigenen, zumindest nicht fuer eine Biographie wie sie Lahm der Bild nach zu urteilen wohl veroeffentlicht hat. Allerdings ist das alleine Lahms Verantwortlichkeit.

    Kurzum: In der Sache mag Lahm Recht haben, die Art gefaellt mir aber trotzdem nicht.

    Mir stuende es auch nicht gut an, oeffentlich ehemalige Kollegen, Vorgesetzte oder z.B. meine Verflossene zu kritisieren. Auch wenn ich Recht haette, einene Beigeschmack haette es doch. Ich werde so etwas nicht tun.

  16. OF
    Montag, 29. August 2011 um 13:18
  17. Dirk
    Montag, 29. August 2011 um 21:27

    @mustard

    volle Zustimmung.

  18. OF
    Mittwoch, 31. August 2011 um 10:06
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