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Frauenfußball-EM – Der tiefe Fall

Kai Butterweck | Freitag, 19. Juli 2013 3 Kommentare

Nach der ersten Niederlage bei einer EM seit 20 Jahren verspielt die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft ihre Favoritenrolle. Die Presse holt den Knüppel aus dem Sack

Im letzten EM-Gruppenspiel muss sich die Mannschaft von Bundestrainerin Silvia Neid kampfstarken Norwegerinnen geschlagen geben. Frank Hellmann (FR) kritisiert das Herzstück des Teams: „Vor allem das Mittelfeld um die kraftlose Nadine Keßler, die hilflose Simone Laudehr und die ideenlose Dzsenifer Marozsan versagte. Die Mängelliste war so lang, dass der Titelverteidiger im Vergleich zu den leidenschaftlichen Schwedinnen und den spielstarken Französinnen zum krassen Außenseiter wird. Deutschland fiel nach dem entscheidenden Gegentor von Ingvild Isaksen kaum noch etwas Gescheites ein. Viele Aktionen trugen Züge der Verzweiflung. Und als sich Annike Krahn und Lena Lotzen am Ende auf dem Platz ein Wortgefecht liefern, traten auch Disharmonien zutage.“

Lethargischer Spielaufbau

Kathrin Steinbichler (SZ) beschleicht bereits kurz nach dem Anpfiff ein mulmiges Gefühl: „Schon von Beginn der Partie an sah es nicht danach aus, als ob das deutsche Team erfolgreich sein würde. Denn so sehr die Deutschen sich mühten – sie kamen mit der defensiv eng gestaffelten norwegischen Elf einfach nicht zurecht. Schon in der vierten Minute musste Torhüterin Nadine Angerer ihre Klasse unter Beweis stellen, um einen Freistoß von Norwegens Emilie Haavi per Hechtsprung abzuwehren. Auch danach hatte die deutsche Torfrau mehr zu tun als ihre norwegische Kollegin, denn während die Deutschen immer wieder im Spielaufbau hängenblieben, suchte Norwegen nach seinen schnellen Kontern auch den schnellen Abschluss.“

Christoph Cöln (Welt Online) setzt die Bundestrainerin unter Druck: „Silvia Neid hat nicht nur die schwere Aufgabe, ihre Frauen wieder aufzurichten, wie schon nach dem Auftaktmatch. Sie muss vor allem den Teamgeist aus der Lethargie holen. Vielversprechende Angriffe, gute Chancen oder gar Tore waren meist das Ergebnis von Einzelaktionen. Der Mannschaft scheint ein schlüssiges Konzept zu fehlen. Wenn sie es hat, brachte sie es nicht mit auf den Platz.“

Verwaistes deutsches Zentrum

Daniel Meuren (FAZ) fordert mehr Spielwitz: „In Kalmar fand das deutsche Team im mit 11.000 Zuschauern ausverkauften Stadion nie die Mittel, um zwingend in den gegnerischen Strafraum vorzudringen. Lediglich bei Distanzschüssen durch Celia Okoyino da Mbabi und Dzsenifer Marozsan entwickelte sich eine gewisse Torgefahr. Die Norwegerinnen waren derweil deutlich gefährlicher bei ihren Kontern, die sie meist allzu leicht durch das oft verwaiste deutsche Zentrum aufziehen durften.“

Friedhard Teuffel  (Tagesspiegel) beschäftigt sich derweil mit der erneut auftretenden Fußballer/Fußballerinnen-Diskussion: „Es gibt Gründe, warum die Geschlechterdebatte im Frauenfußball weiter mitspielen wird. Zum einen die Geschichte des Frauenfußballs. Er hatte noch nicht die Gelegenheit, sich lange Traditionen zu erspielen und trifft so auf männliche Fußballfan-Identitäten, die von Vätern auf Söhne weitervererbt wurden. Vor allem musste sich der Frauenfußball erst einmal gegen die Widerstände der Männer durchsetzen. So ist seine Vergangenheit auch eine Emanzipationsgeschichte. Hinzu kommt eine tiefe Verunsicherung über Rollen in der Gesellschaft, spürbar in Debatten über Quoten und darüber, wann eigentlich die Grenze zum Sexismus überschritten ist.“

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Kommentare

3 Kommentare zu “Frauenfußball-EM – Der tiefe Fall”

  1. Sportnation
    Sonntag, 21. Juli 2013 um 09:57

    Wir würden die Interpretation Herrn Teuffels nicht teilen und das Sujet nicht so hoch aufhängen. Die Damen haben bisher schlecht gespielt und das sollte kritisiert werden dürfen. Viele verkennen, dass Kritik Interesse voraussetzt und somit auch adelt. Beschliche uns hingegen das Gefühl, dass Frauen-Fußball nicht von der Kritik besprochen werden könnte und stets nur dann eine intermediäre Akzeptanz erfahren würde, wenn er erfolgreich wäre, so würde das tatsächlich viel über die Gesellschaft aussagen.

  2. Hans Klemm
    Samstag, 27. Juli 2013 um 12:08

    Die besorgniserregenden Kommentare haben nach nur einer Woche bzw. einem Spiel eine völlig veränderte Bedeutung!

    Die gezeigten Fernseh-Bilder zum letzten Spiel gegen die überaus starken Schwedinnen und die von „Experten“ schon abgeschriebene sympathische, aber auch strenge Trainerin, S. Neid sowie das mit ihr sofort anschließend erfolgte Gespräch nach den gemeinsamen Jubelszenen bewiesen, dass sie mit ihren Auswechselungen und Anweisungen am Spielfeldrand richtig lag und sofort dieses insgesamt schon glücklich gewonnene sehr wichtige Treffen perfekt analysierte. Endlich traf die Parole: “nie wieder Dritter zu werden“, was zur letzten WM im eigenen Land gründlich daneben ging, diesmal zu.

    Die einzige Deutsche, die trotz des Sieges ein wenig traurig sein wird, ist die Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus, weil dieses Deutsche Weiterkommen für sie gleichzeitig das Aus für die erhoffte Leitung des Endspieles bedeutete.

    Viel Glück für den letzten Schritt, liebe „neue, junge Deutsche Fußball-Damen“, die auswählen können, ob sie sich vom DFB 15.000 € oder 22.500 € abholen können….!

  3. Frauenfußball-EM – Alles wieder in Butter - indirekter-freistoss.de - Nachrichten
    Dienstag, 30. Juli 2013 um 10:54

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