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Internationaler Fußball

Tottenhams trauriger Rekord

Oliver Fritsch | Dienstag, 5. November 2002 Kommentare deaktiviert für Tottenhams trauriger Rekord

Porträt Real Sociedad, Ronaldos Probleme, Robert Huth in England, vieles Weitere aus der englischen Premier League und aus Schotland

Walter Haubrich (FAZ 4.11.) porträtiert den spanischen Tabellenführer. „Die Basken haben die Spielzeit so begonnen, als wollten sie wieder einmal im Kampf um die spanische Meisterschaft dabeisein. Die haben sie zum letzten Mal wie im Jahr davor vor zwanzig Jahren gewonnen – 1982, im Jahr der Weltmeisterschaft in Spanien. Das war die bisher größte Zeit des baskischen Fußballs. In der Standardaufstellung der spanischen Nationalmannschaft standen in jenen Jahren fünf Spieler aus San Sebastián. Damals wurden bei Real Sociedad, wie heute noch beim regional größten Rivalen Athletic Bilbao, nur Basken aufgestellt: Spieler aus dem eigenen Nachwuchs oder aus kleineren Vereinen der Umgebung, die regelmäßig von Real Sociedad mitfinanziert wurden. Inzwischen verzichtet Real Sociedad nicht mehr auf Ausländer. Zur Zeit spielen der holländische Torhüter Westerveld, der Este Karpin, der Türke Nihat und der jugoslawische Torjäger Kovacevic für San Sebastián. Trainer ist der Franzose Raynald Denoueix. Er hatte den FC Nantes im Sommer 2001 zur französischen Meisterschaft geführt. Denoueix kann sich auf eine Mischung aus erfahrenen und hochtalentierten Spielern stützen (…) Einige der prominentesten Einwohner der Stadt spielten früher bei Real Sociedad: Der vor einigen Monaten verstorbene weltberühmte Bildhauer Chillida stand im Tor, Spaniens bedeutendster Filmproduzent Elías Querejeta im Angriff. Real Sociedad San Sebastián findet besonders viele Sympathien bei Spaniens Intellektuellen und Künstlern – sicher nicht nur wegen Chillida und Querejeta – und trotz des monarchistischen Vereinsnamens Königliche Gesellschaft. Der Name Real Sociedad stammt aus dem ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts, als das spanische Königshaus seinen Sommerurlaub in San Sebastián zu verbringen pflegte. In den letzten Jahren des Franco-Regimes versteckte der Fußballklub Real Sociedad – genauso wie Athletic Bilbao – nicht seine Sympathien für die demokratische Opposition. Die Mannschaften protestierten sogar einige Male auf dem Spielfeld gegen die Übergriffe der Diktatur; manche Spieler erschienen nach den letzten Hinrichtungen des Regimes mit Trauerbinden am Arm. In dieser Saison kann Real Sociedad viele baskische Fußballfreunde trösten; die beiden anderen Erstligavereine – das von Jupp Heynckes trainierte Athletic Bilbao und Alavés Vitoria – halten sich hartnäckig im letzten Tabellenviertel auf.“

Fast hätte sich Ronaldo erneut am Knie verletzt. Peter Burghardt (SZ 4.11.) dazu. „Chirurgischer Schaden hätte der teuersten Vereinsmannschaft der Welt gerade noch gefehlt in diesem ersten Viertel der Saison, das statt von Fallrückziehern, Doppelpässen und Siegesserien vornehmlich von Blutergüssen, Magenbeschwerden und Panikattacken handelt. Um ihren neuesten Weltstar machen sie sich bei Real Madrid schon genug Sorgen, denn der Mann mit der Zahnlücke verkörpert zur Zeit die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Bei seinem Debüt vor vier Wochen gegen Alaves, dem letzten Triumph überhaupt, schoss der berühmteste aller Stürmer gleich ein Tor. Seither hat er 436 Minuten lang nicht mehr getroffen, und dem Rest ging es kaum besser. Das 0:0 am Samstag in La Coruña wurde in Anbetracht der Umstände gar als Erfolgserlebnis gefeiert, wenigstens hat bei der Krankengymnastik diesmal die Abwehr gehalten. Und Ronaldos Knie. Welche Bescheidenheit, dabei sollte ein Dreamteam zaubern in diesen letzten Monaten des 100. Jubiläums. Am Mittwoch in der Champions League gegen AS Rom waren trotz der gesammelten Blessuren erstmals alle Prominenten gemeinsam aufgelaufen, also Ronaldo, Zinédine Zidane, Luis Figo, Roberto Carlos und Raul Gonzalez, lauter Weltmeister und Weltfußballer. Nach 90 Minuten hatten die Vips 0:1 verloren, den Italienern genügte ihr zielsicherer Spielmacher Totti – der frühere Madrider Trainer Fabio Capello entführte drei Punkte und zehn Schinkenkeulen vom Eichelschwein, zurück blieben 65.000 irritierte Madrilenen, die schließlich wie immer in Notfällen nach Ersatzspieler Guti riefen. Für die europäische Zwischenrunde reicht es zwar auch so, doch in Spaniens Meisterschaft führt überraschenderweise ein anderes Real, das aus San Sebastian, während der wichtigste Königsklub Wunden und Nerven pflegt (…) Krise? Trainer Vicente Del Bosque, zuletzt wegen seines Systems gescholten, erinnerte in einem Anfall von Jähzorn sogar an andere, was er sonst nie tut. Der FC Barcelona sei vielleicht in der Krise, der habe ja jahrelang nichts mehrgewonnen, oder der FC Bayern, brummte Del Bosque, nahm den Vergleich jedoch schnell zurück, denn die Katalanen waren sofort beleidigt.“

Spielbericht Deportivo – Real (0:0) NZZ

England

Unser neuer Korrespondent aus London Jonas Schorfheide porträtiert den jungen Deutschen Robert Huth (Chelsea London): der „eiserne Robert“

Zum Showdown kam es am Wochenende in London, wo vier der sechs Londoner Clubs aufeinander trafen. Ein tragisches Ende nahm das Spiel im Craven Cottage am Ufer der Themse, da das Derby durch ein Eigentor von Fulhams Steve Marlet in der 31 Minute entschieden wurde. Der Club von Harrods Besitzer Al Fayed verharrt somit weiter im Niemandsland der Tabelle und muß auf das nächste Match in Birmingham bei Aston Villa hoffen. Arsenal hingegen konnte seine negativ Serie beenden und den Kontakt zu Tabellenführer Liverpool halten: näheres oder hier.

Martin Pütter (NZZ 5.11.) zum Spiel. „Um die Negativserie zu beenden, musste der französische Manager nicht die Taktik, die Spielweise oder Aufstellung überdenken. Vielmehr galt es für ihn, die Moral unter den Spielern zu stärken. Einen Teil der Schuld für den eher überraschenden Rückfall muss Wenger auch auf sich nehmen. Er hatte den Druck mit gewagten Aussagen in der Öffentlichkeit enorm erhöht. Sein Ziel sei es, dass Arsenal die Saison ohne Niederlage beende, hatte er zum Beispiel vor vier Wochen gesagt – kurz darauf folgte in Liverpool gegen Everton prompt die erste Saisonniederlage. Dann verglich der Elsässer die Gunners schon mit Hennes Weisweilers „Fohlenteam“ (Borussia Mönchengladbach), mit Ajax Amsterdam und Liverpool zu deren besten Zeiten – und fand damit Applaus in den Medien. Als Folge begann der Motor zu lahmen, verrückten sich die Visiere der Kanoniere, wodurch das so flüssige und attraktive Kombinationsspiel beeinträchtigt wurde. Arsenal muss Extreme meiden und einen Mittelweg finden.“

Tottenham vs. Chelsea 0:0

Tottenhams trauriger Rekord hielt auch in diesem Match: Noch nie konnten die Spurs aus dem Londoner Norden gegen die Blues aus dem Nobelstadtteil Chelsea in der Premierleague gewinnen. Obwohl die bessere Mannschaft konnte Tottenham den brilliant agierenden italienischen Chelsea Keeper Cudicini nicht überwinden. Mehr oder hier.

Liverpool vs. West Ham 2:0

Die Tabellenführung weiter ausbauen konnte Liverpool durch einen ungefährdeten Sieg gegen die abstiegsbedrohten Hammers aus London. Als zweifacher Torschütze für die Reds konnte sich Michael Owen eintragen, der nun mit 8 Treffern die Torschützenliste der Premierleague anführt. Spielbericht oder hier

Newcastle vs. Middlesborough 2:0

Im Montagsspiel konnten sich im Duell der Tabellennachbarn die Magpies durchsetzen. Positiv konnte sich dabei der Jungnationale Stephen Caldwell in Szene setzen, der durch seinen Treffer zum 2:0 seine Einsätze in Bertis schottischen Nationalmannschaft rechtfertigte. Für Sir Bobby Robson lohnte der Einsatz junger Spieler, da zuvor bereits der U-21 Nationalspieler Shola Ameobi zum 1:0 einnetzen konnte. Spielbericht oder hier

Weiterer Auslandsfußball

Georg Bucher (NZZ5.11.) über Portugals beliebtesten Klub: Académica de Coimbra. „Mário Soares, einst Minister- und Staatspräsident, der Schriftsteller und Abgeordnete Manuel Alegre sowie der verstorbene Revolutionsbarde Zeca Alfonso outeten sich als Academistas (…) Alegres geflügelter Satz, Académica sei ein Fest und eine Träne, stimuliere Erinnerungen an jugendliche Hochgefühle und die Sehnsucht nach einer heilen Welt, spiegelte nur im zweiten Teil die Stimmung im nach acht Runden sieglosen Tabellenletzten.“

Peter Hartmann (NZZ 5.11.) über den AC Turin. „Nicht nur die Placierung am Abgrund ist ein Untergangs-Menetekel. Denn in der schwersten Wirtschaftskrise der piemontesischen Metropole, hervorgerufen durch die fundamentalen Probleme bei Fiat, ist nicht etwa der mehrheitlich zum Portefeuille der Agnelli-Familie gehörende 25fache Rekordmeister Juventus in seiner Existenz bedroht. Der Absturz droht den Abtrünnigen und Alternativen der AC Torino, die im Jahre 1906 von Juve-Sezessionisten in einer Arbeiter-Bierhalle gegründet wurde. Die Juve-Exekutive hat gerade wieder einen hervorragenden Geschäftsabschluss für das Jahr 2001/2002 mit einem Überschuss von 6,1 Millionen Euro hingezaubert, den sechsten in Folge. Der ‚Toro‘ dagegen zahlt – wie übrigens auch Lazio Rom – seit Juni keine Spielerlöhne mehr. Die Spieler tragen, zur Schonung der Wäscherechnung, unter dem Trikot keine Unterleibchen mehr, das Essen in der Kantine müssen sie selber bezahlen, und die Reisen zu den Auswärtsspielen werden als strapazierende Busfahrten und nicht mehr im Flugzeug unternommen (…) Es ist düster geworden in Turin. Fiat schliesst wochenlang die Tore und lässt die Bänder stillstehen. Und der „Toro“, einst rot und stark wie guter Barbera, droht auszubluten. Nur noch eine Gefahr geht von ihm aus. Da war einmal, vor zehn Jahren, ein Spieler, der hiess Lentini, und Silvio Berlusconi, der Präsident der AC Milan, glaubte, dieser schlafwandlerische Ballkünstler sei der neue Meroni. Er kaufte ihn für die Rekordsumme von angeblich 33 Milliarden Lire, damals rund 25 Millionen Franken, und wie die Prozessanklage behauptet, mit Schwarzgeld über Offshore-Konten. Lentini überlebte einen schweren Autounfall und verschwand in der Provinz. Bringt der ‚Toro‘, welche Ironie, vielleicht Italiens allmächtigen Berlusconi zu Fall?“

Markus Völker (taz 5.11.) über das Verhältnis zwischen Austria-Klubchef Stronach und Austria-Trainer Daum. „Das Problem des Frank Stronach indessen ist: So dick sein Portmonnaie auch immer sein mag, ihm wird eine gewisse Sprunghaftigkeit nachgesagt. So hat Austria in zehn Jahren zwölf Trainer verschlissen. Das Epizentrum von Hire and Fire hat der Kurier deshalb am Verteilerkreis geortet. Dabei war es völlig egal, ob die Gefeuerten erfolgreich waren oder nicht. Wer Stronachs Verdikt (Niederlagen dulde ich nicht) missachtete, musste mit dem Bannstrahl rechnen. Stronachs Aufenthalte in Österreich sind gefürchtet. Mit einem bunten Strauß neuer Ideen im Gepäck, wie er seinen Landsleuten die Behäbigkeit austreiben könnte, scheucht er nicht nur die Austrianer auf, sondern treibt auch die Betriebsräte seiner Unternehmen zur Verzweiflung. Daum und Stronach aber haben sich auf Anhieb verstanden. Wer ohne Fehler ist, steht auf, hatte Stronach beim ersten Treffen gesagt. Beide blieben wie angewurzelt sitzen. Danach musste der neue Trainer nur noch dem traditionell skeptischen Wiener verkauft werden. Das gestaltete sich schwierig, schon weil Vorgänger Walter Schoko Schachner beliebt war. Kaum spielte die Austria mit Daum unter den Erwartungen, forderten die Fans auf der Westtribüne Schoko. Fans meinten in Internet-Foren, Daum sei kein Trainer, sondern allenfalls ein Motivator. Eine Auseinandersetzung der beiden Egomanen sei vorprogrammiert.“

Djurgarden Stockholm ist neuer schwedischer Meister, wie wir von Gerhard Fischer (SZ 4.11.) erfahren. „Es gibt viele Gründe für Djurgardens Triumph. Einer davon ist auch der Charakter des schwedischen Spitzenfußballs. Es gibt keine Bonzenklubs, die Fußballer verdienen gut, aber nicht so viel, dass Profis aus Brasilien oder Italien anheuern würden. Schwedische Talente können spielen und bekommen Zeit, besonders bei Djurgarden. Das Tempo in den Spielen ist mäßig. Viel schneller wechseln die Meister und die Kandidaten für den Abstieg. 2001 gewann Hammarby den Titel, 2002 verhinderte Hammarby erst am letzten Spieltag den Abstieg. Und der Traditionsverein IFK Göteborg wurde diesmal Drittletzter, er muss zwei Abstiegsspiele bestreiten – gegen eine Mannschaft aus einem Vorort von Göteborg. Fast jeder kann fast jeden schlagen. Die Zuschauer finden das spannend.“

Scottish Premier League

Das wichtige Edinburgher Stadtderby zwischen Hibernian und den Hearts of Midlothian konnten die Hearts für sich entscheiden und so den dritten Tabellenplatz hinter den Rangers und Celtic behaupten. Das Spiel konnte an Dramatik kaum überboten werden, da die Hibs bis zur 85. Minute wie der sichere Sieger aussah und die Hearts in der 86. Minute und in der Nachspielzeit das Spiel durch Tore des kanadischen Intenationalen McKenna und Stamp noch drehten: mehr

Interview mit Rune Bratseth, Sportdirektor von Champions-League-Teilnehmer Rosenborg Trondheim NZZ

Zur Lage von Xamax Neuchatel NZZ

Europäischer Fußball: Ergebnisse, Tabellen, Torschützen NZZ

Gewinnspiel für Experten

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