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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Ballack im Interview: Fußball und Kunst

Oliver Fritsch | Dienstag, 15. Juni 2004 1 Kommentar

Die FAZ (15.6.), weiter auf Definitionssuche nach der Schnittmenge zwischen Fußball und Kunst, interviewt Michael Ballack

FAZ: Was ist für Sie Kunst – und gehört Fußball womöglich sogar dazu?
MB: Kunst hat für mich mit Außergewöhnlichkeit zu tun, mit Extravaganz. Kunst gehört zu den Dingen, die nicht jeder kann. In diesem Sinne verstanden, ist Kunst breit gefächert. Es geht also nicht nur um Musik oder Malerei, sondern auch um Sport und Fußball – zumindest ist es für manche Zuschauer so, die in Fußballern den Künstler sehen. Fußballer sind ja auch Individualisten, denen keine mathematischen Aufgaben vorgeschrieben werden. Sie können vielmehr kreativ sein – und man weiß nie, was bei dieser Kunst herauskommen wird. Aber wenn man selbst Sportler ist wie ich, dann sieht man das mit der Kunst anders. Fußball ist für mich harte Arbeit.
FAZ: Gibt es einen Begriff aus der Kunst, der Ihnen zu Ihrer Spielweise einfällt?
MB: Es gibt keinen. Denn Kunst ist nicht ergebnisorientiert. Spielkunst oder Schönspielerei ist bei uns zweitrangig. Entscheidend im Fußball ist das Ergebnis, gleichgültig, ob ein Spiel von Zuschauern als „schön“ oder „schlecht“ beurteilt wird. Fußball ist kein Eiskunstlaufen mit B-Note.
FAZ: Gibt es so etwas wie einen „klassischen Ballack“, also immer wiederkehrende Situationen, die Ihr Spiel unverwechselbar machen?
MB: Ja, ich denke schon. Meine Stärke ist es, einen Angriff einzuleiten und ihn abzuschließen. Ich starte früh den Spielaufbau und versuche dann, in die Spitze reinzugehen und torgefährlich zu sein.
FAZ: Es gibt Phasen, in denen fliegt Torschützen der Erfolg zu, alles gelingt wie von selbst. Was tun Sie, damit solche Momente länger bestehen?
MB: Ich verändere möglichst nichts. Aber man darf andererseits auch nicht einfach sagen: „Wenn’s läuft, dann läuft’s.“ Man darf nicht nachlassen und muß weiter hart arbeiten. Es heißt ja immer: Wenn man erfolgreich ist, muß man noch härter arbeiten, um den Erfolg zu bestätigen. Das stimmt auch grundsätzlich. Aber man darf es nicht übertreiben.
FAZ: Und umgekehrt, wenn die schwächeren Perioden kommen und die Tore nicht fallen, wie kommt man aus diesen Phasen so schnell wie möglich wieder raus?
MB: Ich habe immer meine Tore gemacht. Auch nach Phasen, in denen es nicht so lief. Und wenn ich mal ein paar Spiele nicht treffe, werde ich nicht nervös. Die Tore kommen wieder. Man darf sich nicht von seinem Weg abbringen lassen. Man muß an seine Stärken glauben.
FAZ: Welches Spielsystem fördert bei Ihnen die Kunst des Toreschießens?
MB: Meine Stärken im Mittelfeld habe ich in der Kombination aus Defensive und Offensive. Ich bin ein zentraler Mittelfeldspieler, der nicht zu defensiv spielen darf, aber auch nicht genau hinter den Spitzen – dafür ist ein Spielertyp wie Sebastian Deisler prädestiniert. Ich dagegen habe gerne Anspielstationen vor mir, die ich einsetzen kann, um dann nachzurücken.
FAZ: Wann wurde Ihnen bewußt, daß Sie der torgefährlichste Mittelfeldspieler der Welt werden können?
Genau kann ich das nicht beantworten. Ich habe in der A-Jugend als Libero 35 Tore gemacht. Bei den Profis fängt dann jeder Spieler wieder bei Null an. Dann muß man sich erst einmal neu orientieren, um in den nächsten Jahren seine Stärken ausspielen zu können.
FAZ: Sie wehren sich immer gegen den Vergleich mit Zidane. Mit welchem Spielertyp würden Sie sich denn vergleichen lassen?
MB: Ich vergleiche mich nicht mehr mit anderen.

Holland alles andere als wild

Jean-Louis Donnay (Le Soir/Belgien 13.6.) sieht Holland und Deutschland mit gleichen Problemen: „Die Niederlage der Holländer gegen die „Teufel“ (Belgien) war nicht mehr als ein Unfall. Jedoch muss sich Advocaat mindestens genauso viele Sorgen machen wie sein Rivale Rudi Völler. (…) Zu unserem großen Bedauern, werden die „Teufel“ bei der EM nicht dabei sein. Schade, gerade wenn man sieht, was sie in Eindhoven geleistet haben, als sie zum ersten Mal seit fast 40 Jahren gegen Holland gewannen. Anstatt sich aber über den Erfolg zu freuen, machten einige Klagegeister die vom Gegner gezeigte Trägheit für diesen Sieg verantwortlich. Holland war alles andere als wild in der Höhle des Löwen des PSV Eindhoven. Leider genauso wenig wie beim letzten Test in Amsterdam: gegen durchschnittliche Iren, die auf einige ihrer erfahrensten Spieler verzichten mussten, verlor die Mannschaft von Advocaat erneut mit 0:1 und zog so den Unmut der Menge – Zuschauer und Reporter – auf sich. Die Holländer machen sich also mit von Selbstzweifel geprägten Gedanken auf den Weg; die Deutschen sind vor dem Aufeinandertreffen kaum optimistischer. Nachdem sie unsere unbeständigen Belgier in Köln völlig beherrscht hatten, kamen sie nun im ungünstigsten Moment durch das 0:2 gegen Ungarn unter die Räder. Ohne jegliche Inspiration scheint die Mannschaft zur Zeit von den internen Problemen Bayern Münchens und deren Kapitän Oliver Kahn und Spielmacher Michael Ballack, die beide gerne ins Ausland wechseln wollen, zerrüttet zu sein. Doch bilden sie das Herzstück der deutschen Nationalmannschaft.““

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1 Kommentar zu “Ballack im Interview: Fußball und Kunst”

  1. Kulturtipps zum Wochenende » Elfnachelf - Wichtige Nachrichten aus Köln
    Freitag, 15. April 2011 um 14:31

    […] sprach einst ein Kenner? “Kunst gehört zu den Dingen, die nicht jeder kann.” Und, wer war’s? Käthe Kollwitz? Andy Warhol? Nein. Michael Ballack, der Kapitän der […]

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