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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Desaströs

Oliver Fritsch | Montag, 31. Oktober 2005 Kommentare deaktiviert für Desaströs

Den wichtigsten Text des Wochenendes finden wir, wieder mal, in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung – auch wenn er nur eine Fortsetzung der Fitness-Debatte ist, die der Sportwissenschaftler Pedro Gonzalez mit seiner Dissertation angestoßen hat. Dass sie eine solche Resonanz erhält, liegt auch an der Aktualität des Themas, denn Jürgen Klinsmann sagt, zwischen den Zeilen, dasselbe und kann sich unterstützt fühlen. Vielleicht wird er demnächst nicht mehr alleine gegen die Windmühlen des deutschen Fußball-Stammtischs kämpfen. Gerd Schneider (FAS) fordert die Bundesliga auf, sich den Befunden der Wissenschaft zu öffnen und das Training zu professionalisieren: „Noch ist Gonzalez’ Dissertation nicht beendet. Doch schon jetzt steht fest, daß die Untersuchung der Bundesliga ein desaströses Zeugnis ausstellt. (…) Es wird zu wenig trainiert, es wird falsch trainiert, es fehlt an qualifizierten Konditionstrainern, die technische Ausstattung läßt zu wünschen übrig, außerdem gibt es kaum Leistungskontrollen. (…) Es ist jetzt, womöglich zum ersten Mal, gelungen, den undurchlässigen Vorhang zu heben, hinter dem sich der Profifußball abschottet. Aus der ‚Black Box’ Bundesliga dringt nichts heraus, aber eben auch nichts hinein – schon gar nicht neue Erkenntnisse aus der Sportwissenschaft, die dem Fußball seit je verdächtig ist. Symptomatisch – und verräterisch – waren die empörten Reaktionen der Liga auf das Klinsmannsche Fitnessprogramm. Dabei ist es höchste Zeit für eine seriöse Generaldebatte. Daß es in der Bundesliga (auch) bei der Fitness, der einstigen Mutter aller deutschen Fußballtugenden, Defizite gibt, dafür sprechen inzwischen viele Indizien. (…) Vor allem eine methodische Schulung von Kraft und Schnelligkeit werde in der Bundesliga vernachlässigt. Im deutschen Fußball herrscht vielerorts das Prinzip Bauchgefühl. Die meisten Bundesligatrainer sind jenseits der 50, sie verlassen sich oft auf das, was sie einst als Profis selbst im Training erlebt und erfahren haben.“

Rückläufig

Professor Wilfried Kindermann, Leiter des Instituts für Sport- und Präventivmedizin der Universität Saarbrücken, bestätigt in einem FAS-Interview Klinsmanns und Gonzalez’ Verdacht: „Die Diskussion über die Fitness der Nationalspieler ist von erschreckender Schlichtheit. Spieler, die sich überfordert fühlen, wenn sie an einem Tag siebenmal 30 Meter sprinten und 3,5 Kilometer im Joggingtempo laufen müssen, sollten über ihren Beruf nachdenken, bevor sie sich bei anderen ausheulen. (…) Unsere sportmedizinischen Analysen zeigen, daß Ausdauer und Schnelligkeit deutscher Nationalspieler einen rückläufigen Trend gegenüber den neunziger Jahren aufweisen. Dem entspricht auch die Beobachtung, daß die konditionelle Überlegenheit deutscher Mannschaften international nicht mehr besteht. Wenn ein Bundestrainer nun versucht, gegen den Trend anzukämpfen, ist das mehr als legitim, ja geradezu seine Aufgabe. (…) Mir ist bis heute unklar, warum die Spieler nicht tagsüber auf dem Klubgelände bleiben müssen und dort auch gemeinsam essen und regenerieren. Dann bliebe auch genügend Zeit, spezielle – nicht notwendigerweise anstrengende – Übungen zu absolvieren, um Schwächen zu beseitigen.“

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