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Bundesliga

Zufallsmeister, das Unwort des Jahres

Oliver Fritsch | Montag, 26. November 2007 Kommentare deaktiviert für Zufallsmeister, das Unwort des Jahres

Pressestimmen zum 14. Spieltag: Stuttgart wie im Mai / Bremer Wunder in neuer Form / Bayerns Sieg mit Schönheitsfehlern / Schalkes bisher unbekannter Angriffsmut

Peter Heß (FAZ) erlebt in Frankfurt wiedererstarkte Stuttgarter: „Der Meister hat nicht nur aus der Krise herausgefunden, er spielt wieder so souverän und frisch wie einst im Mai. Das 4:1 bei der überforderten Eintracht trug die Merkmale der erfolgreichen Stuttgarter Titel-Kampagne im Frühling 2007. Wurde der VfB im bisherigen Saisonverlauf fast ausschließlich durch den Torjäger Mario Gomez vor dem Abrutschen in die Abstiegszone bewahrt, brachte jetzt ein nicht zu bändigendes Stuttgarter Kollektiv die Eintracht zur Verzweiflung. (…) So verhalten und ruhig die Stuttgarter mit ihrer Krise umgegangen waren, so abgeklärt reagierten sie auf die Lobeshymnen nach dem Spiel.“ Tobias Schächter (Berliner Zeitung) stellt klar: „Zufallsmeister, in Stuttgart das Unwort des Jahres, spielen anders.“

Frank Heike (FAZ) belohnt den Angriffsmut des Schalker Trainers beim 3:2 in Hannover mit Lob und rät den Verlierern, bessere Spieler zu kaufen: „Mirko Slomka durfte sich über einen gelungenen Schachzug freuen: Mesut Özil agierte meist aus dem rechten Mittelfeld heraus, in der linken Spielhälfte vergnügte sich Ivan Rakitic. Zwei Spielmacher auf den Außenbahnen, dazu zwei Stürmer in der Mitte – so offensiv und mit der besseren Spielanlage als die gewiss nicht schwachen ‚Roten’ kam Schalke sofort zu Chancen und hatte sich am Ende drei Tore erspielt, ungewohnt viel für Schalke. Tabellarisch ist der Weg für den selbsternannten Meisterschaftsanwärter nach wie vor weit, doch für den Moment wurde das 3:2 nur allzu gern als Beginn eines nervenschonenden Jahresendspurts gewertet. Auch und vor allem von Slomka. Sein Freund Dieter Hecking hingegen durfte die eigene Mannschaft nur für ihre gute Leistung loben – wieder einmal ausgerechnet dann, als der Sprung nach ziemlich weit oben hätte gelingen können. Hannover fehlt es an entscheidenden Figuren: einem wirklich starken zentral-defensiven Mittelfeldspieler und einem Stürmer. Die gute Grundordnung und sichtbare Freude am Spiel überdecken individuelle Schwächen. Das ist Heckings Verdienst. Doch um im derzeit außergewöhnlich fußballbegeisterten Niedersachsen weiter zu kommen, müsste Hannover 96 auf dem Transfermarkt mal gebündelt zuschlagen und sein Geld nicht für Mittelklasse-Spieler wie Christian Schulz oder Benjamin Lauth ausgeben.“

Wunder

Ronny Blaschke (SZ) betont das Außergewöhnliche beim Spiel zwischen Cottbus und Bremen, dem Auftritt zweier ehemaliger schwerkranker Patienten: „Ein Sieg ohne Schnörkel wie der des SV Werder verschwindet in der Regel schnell im Schlund der Geschichte. Dass aber niemand die Schatulle der Floskeln öffnete, um Sprachunkraut wie ‚Bayern-Jäger’ oder ‚Arbeitssieg’ an die Luft zu lassen, deutete auf eine Besonderheit hin. Der Wettlauf um Nachrichten, die keine sind, und die Gier nach Zitaten, die schneller vergessen als gesagt sind, machte eine Pause. Die Geschichte des Tages hatten zwei Spieler geschrieben, für die vor Monaten noch unklar war, ob sie es jemals wieder in die Bundesliga schaffen würden: Ivan Klasnic und John Jairo Mosquera prägten das Spiel auf ihre Art. Sie haben sich zu Symbolfiguren einer Elf emporgeschwungen, die sich derzeit weniger durch Ideenflut in der Offensive auszeichnet, sondern durch Effizienz und Beharrlichkeit, und das, obwohl zeitweise so viele Spieler auf der Verletztenliste standen wie auf dem Spielberichtsbogen. In der Liga ist Bremen seit neun Spielen unbesiegt. Dabei wäre es noch untertrieben, Klasnic und Mosquera als Langzeitverletzte zu bezeichnen. Beide waren gesundheitlich so sehr angeschlagen, dass manche Begleiter um ihr Leben fürchteten.“

Auch Matthias Wolf (FAZ) staunt mit der Fachwelt: „In der Tat ist der Begriff Wunder an einem Tag, als der Sieg der Bremer zur Randnotiz verkam, nicht überstrapaziert. Schließlich ist Klasnic weltweit der erste Profi-Fußballspieler, der nach einer Nierentransplantation in den Wettkampfbetrieb zurückkehrt. Vor 342 Tagen hatte er sein bisher letztes Bundesligaspiel bestritten. Es folgten eine familiäre Nierenspende im Januar und eine im März. Seitdem muss er täglich Medikamente einnehmen, unter anderen Kortison, damit das neue Organ nicht abgestoßen wird. Nach allem, was bekannt ist, wird dadurch das Leistungsvermögen geschwächt. Für viele Ärzte war es deshalb schon eine Überraschung, dass der anfangs sehr aufgedunsene Klasnic im September in den Trainingsbetrieb eingegliedert wurde und Ende Oktober im DFB-Pokal der Bremer Amateure gegen den FC St. Pauli mitwirken konnte.“

Siege sind nun harte Arbeit

Elisabeth Schlammerl (FAZ) beschreibt die Schönheitsfehler des Münchner Erfolgs gegen Wolfsburg: „Mit dem 2:1-Sieg, dem ersten Erfolg nach zwei Unentschieden und einer Niederlage, haben sich die Mannschaft und Ottmar Hitzfeld ein wenig Ruhe verschafft. Der kräftige Wind, der über München in den vergangenen zwei Wochen wehte, wird nun etwas nachlassen, aber die Sturmwarnung kann noch nicht ganz aufgehoben werden, vor allem, weil es immer wieder zu kleineren lokalen Gewittern kommt. Gleich nach dem Spiel hatte Willy Sagnol, zum ersten Mal seit seiner Knieverletzung vor gut einem halben Jahr wieder im Kader, einen Vereinswechsel angekündigt. (…) Die Leichtigkeit des Bayern-Spiels, mit der die Mannschaft zu Saisonbeginn sich selbst und das Publikum berauscht und damit die Ansprüche in die Höhe geschraubt hatte, fehlte auch am Samstag. Die Tore fallen nicht mehr selbstverständlich, Siege wie der gegen Wolfsburg sind nun harte Arbeit.“

Andreas Burkert (SZ) wirft ein Auge und ein Ohr auf die Münchner Fan-Kurve: „Die Arenagänger erhoben sich schon nach fünf Minuten rechtschaffen zum Klatschmarsch, sogar in der Schampusloge; eine Demonstration in eigener Sache, denn der Kritik am Münchner Operettenpublikum entsprangen ja die heftigen Debatten des Klubs mit seinen jetzt wieder halbswegs versöhnten Fans. Später ist die Stimmung zwar eher wie so oft gewesen, aber wenigstens mit dem Abpfiff dröhnte es noch einmal fulminant durchs Stadion. Denn unten auf dem Rasen hatten sich recht lange auch die Profis aufrichtig bemüht und trotz mancher Schweißattacken im hektischen Schlussakkord das 2:1 über die Zeit gebracht. Nachher indes drangen eben nach und nach Sagnols Äußerungen durch – womit sich am einstweiligen Ende aller Debatten mit Fans und auch dem eigenen Trainer gleich die nächste anschloss.“

SpOn: Bayern-Fans machen mal so richtig Stimmung

Legionäre

Beim 4:1 Leverkusens gegen Duisburg vergleicht Gregor Derichs (FAZ) die Werte der beiden Torjäger: „Beide Vereine halten die Positionen in der Tabelle auch ohne großen Beitrag ihrer bekannten Stürmer, die beide schon Zeiten mit weit größerer Anerkennung erlebt haben. Der vierunddreißig Jahre alte Ailton ist in Duisburg mittlerweile am Tiefpunkt angelangt. Selbst in einer Mannschaft, die den Eindruck hinterließ, in der nächsten Saison wieder in der Zweiten Liga anzutreten, findet der früher umjubelte Angreifer keine Verwendung mehr. Bei Bayer werden die eingeschränkten Arbeitszeiten von Theofanis Gekas immerhin noch diskutiert. Die Verantwortlichen nehmen ihm übel, dass er sich nicht bemüht, Deutsch zu lernen. Der Siebenundzwanzigjährige wirkt wie ein Fußball-Legionär, der seine Pflichten mit wenig Aufwand erledigen möchte und vor allem auf die Gehaltsüberweisung wartet.“

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