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Bundesliga

Diesem Klub fehlt die Führung

Oliver Fritsch | Mittwoch, 12. Dezember 2007 Kommentare deaktiviert für Diesem Klub fehlt die Führung

Oliver Kahn, der Ex-Titan, wird von den Bayern wegen Kleinigkeiten für ein Spiel suspendiert – ein schöner, fetter Knochen für die Presse, die diese Entscheidung für einen vergeblichen Winkelzug hält, Trainer Ottmar Hitzfelds Autorität wiederherzustellen

Andreas Lesch (Berliner Zeitung) kommentiert die Suspendierung Kahns kritisch: „Das ist eine Demütigung: Die Münchner stellen Kahn öffentlich bloß – den Schlussmann von Weltruf, den Profi mit der großen Vergangenheit, den Fußballer, der jetzt 38 ist und seine letzte Saison spielt. Sie klopfen den Kicker, der einst als stählerner Titan gegolten hat, auf seine alten Tage weich wie einen Wackelpudding. Sie wollen mit dieser Aktion ihre Stärke demonstrieren – und beweisen ihre Schwäche. Sie haben diese Kraftmeierei offenbar nötig.“

Auch Michael Horeni (FAZ) meint, dass diese Entscheidung auf Vereinsführung und Trainer zurückfällt: „In München fragt man sich eher, was die Strafe über Hitzfeld und die Klubführung aussagt als über einen immer wieder unzufriedenen und unhöflichen Torwart. Nachdem Investitionen von 70 Millionen nach einem glanzvollen Start sportlich allmählich versickern, ist dem Trainer der Druck wieder ins Gesicht geschrieben. Dass Hitzfeld die Bayern in der kommenden Saison betreut, ist keine allzu realistische Aussicht mehr. Wenn diese Spielzeit am Ende tatsächlich ohne Titel bleiben sollte – der Bayern-Gau –, wird man sich zudem fragen, ob die angeschlagenen Rummenigge und Hoeneß dann noch die Souveränität und Kraft besitzen, den FC Bayern zur Ruhe zu bringen. Schon jetzt fehlt dem Klub Führung.“

Durchschaubares Manöver

Christof Kneer (SZ) erkennt den Versuch, den Status des Trainers wiederherzustellen – und hält ihn für gescheitert: „Die Reaktion des Sportlers war mindestens so überraschend wie die Aktion der Verantwortlichen, und so ist Bayerns Bossen etwas gelungen, was Bayerns Spielern zuletzt selten gelungen war: ein ziemlich überraschender Spielzug. (…) Der starke Mann ist also Hitzfeld – jener Trainer, dessen Stellenwert die Verantwortlichen vor kurzem selbst ziemlich verkleinert haben. Mit der konzertierten Kritik an Hitzfelds Rotation haben sie einen beträchtlichen Klimawandel ausgelöst, seitdem wird der Klub ja trotz nachgewiesener Tabellenführung als Krisenklub wahrgenommen. Nun inszenieren sie ihren Trainer also als entschlossenen Krisenmanager – sie wollen erst mal in Ruhe die Winterpause erreichen und sich dann überlegen, was sie von Hitzfeld wirklich halten. Im Grunde enthüllt die Dramaturgie dieses Konflikts aber genau das, was eigentlich verschwiegen werden soll: dass hier zwei Vereinsgrößen mächtig schrumpfen. Ihrem Trainer haben sie die Causa Kahn zu Profilierungszwecken auf den Leib geschneidert, und ihrem Torwart haben sie deutlich signalisiert, dass er nicht mehr der ist, der er mal war.“ Jörg Hanau (FR) stimmt ein: „In seiner letzter Saison hat die Nummer 1 offenkundig an Schrecken verloren, und selbst Hitzfeld traut sich plötzlich, den eigenen fortschreitenden Autoritätsverlust auf Kosten des Auslaufmodells Kahn zu verschleiern. Ein allzu durchschaubares Manöver.“

Zu einem Lokalmatadoren verkommen

Andreas Rüttenauer (taz) hält den Rangverlust Kahns in der Bayern-Hierarchie fest: „Das Management der Bayern zeigt, dass es in der Tat gewillt ist, sich in Europa neu aufzustellen. Der Kapitän der Mannschaft ist nicht mehr als ein regionaler Superstar, einer von rein deutscher Klasse. Seine Zeit als Weltfußballer zwischen den Pfosten liegt eine gute Weile zurück. Die Klubführung will es offenbar nicht dulden, dass Kahn über die internationalen Stars urteilt, die die Bayern so teuer erworben haben. Der Titan, als der er während der Weltmeisterschaft 2002 bis zum Finale gefeiert worden war, ist schon lange vor der Suspendierung in München zu einem Lokalmatadoren verkommen. Einem solchen steht es nicht zu, schlecht über die zu reden, die dem FC Bayern schon allein durch ihre Verpflichtung zu neuem, auch ungewohntem Glanz verholfen haben.“

Immer wieder größere Störfeuer

Klaus Hoeltzenbein (SZ) ergänzt: „Auf den zweiten Blick offenbart die Personalie ihre ureigene, unvergleichliche und äußerst pikante Note. Denn selbst wenn Kahn zunächst nur für das Hertha-Spiel suspendiert ist, läuft eine langjährige, schillernde Partnerschaft Gefahr, im Sommer 2008 im Unfrieden getrennt zu werden. Für das, was Kahn jetzt vorgeworfen wird – und was offiziell vom Verein (noch) nicht begründet wird –, wäre er in der Blüte seiner Laufbahn vermutlich niemals abgestraft worden. Weihnachtsfeier zu früh verlassen, kritisches Interview – das hatte er immer mal im Programm. Jetzt, in der Neige seiner Laufbahn, ist Kahn zwar noch so eigenbrötlerisch wie früher, aber nicht mehr unantastbar. Sportlich hat er nicht mehr die Rolle, nicht die Funktion von einst. Kahn ist weiter Kapitän der Bayern, doch nicht mehr der mächtigste und prächtigste unter all den Darstellern. Das ist nun Franck Ribéry.“

Oliver Trust (Spiegel Online): „Die vergleichsweise lammfromme Reaktion des Testosteron-Titanen spricht dafür, dass ihm sehr viel an der Unversehrtheit des eigenen Denkmals in München gelegen ist; durch einen womöglich monatelangen Streit mit den Vereinsoberen wäre wohl eine Beschädigung einhergegangen. Und davor fürchtet sich selbst ein furchtloser Egomane wie Kahn. Hitzfeld und Hoeneß jedenfalls lösten ein ernstes Autoritätsproblem und wiesen das bekennende Alpha-Tier in seine Schranken. Kahn, so heißt es, sieht seine Zukunft nach dem Karriere-Ende im kommenden Sommer ohnehin in Asien, was die gesamte Bayern-Führung mit Genugtuung zur Kenntnis nimmt. Im fernen Asien – ganz im Gegensatz zur Welt des FC Bayern – ist Kahn der unumstrittene Megastar. Das Königreich an der Säbener Straße aber ist schon lange nicht mehr sein Reich.“

Elisabeth Schlammerl (FAZ) empfiehlt dem gesamten Klub, Ruhe zu geben: „Die Unruhe droht noch ein bisschen größer zu werden. Die Entscheidung passt ganz gut ins Bild, das das Münchner Starensemble seit ein paar Wochen abgibt. Beim Tabellenführer sind nach wenig berauschenden Vorstellungen die Harmonie und der Schwung vom Saisonanfang längst dahin. Zuerst hatte Rummenigge den Trainer attackiert, die öffentliche Versöhnung ein paar Tage später wirkte halbherzig und hat die Diskussion um einen Ausstieg von Hitzfeld am Saisonende nur noch weiter angeheizt. Seither läuft es in der Mannschaft nicht mehr rund, die Spitzenposition in der Bundesliga wurde nur mit viel Mühe und Glück verteidigt, die Qualifikation für die erste K.o.-Runde im Uefa-Pokal ist noch nicht ganz gesichert. Immer wieder gab es kleinere oder größere Störfeuer.“

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