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Bundesliga

Heimkehr eines Märchenprinzen

Oliver Fritsch | Dienstag, 20. Januar 2009 Kommentare deaktiviert für Heimkehr eines Märchenprinzen

Der Wechsel Lukas Podolskis von Bayern München zum 1. FC Köln lässt Romantikerherzen höher schlagen, doch auch die Schattenseiten werden von der Presse angesprochen

Lorenz Maroldt (Tagesspiegel) fühlt seine fußballromantische Ader pochen: „Podolski ist das Gegenmodell zum austauschbaren Internationalisten, der heute hier aufs Vereinswappen klopft und morgen dort. Prinz Poldi ist eine Figur aus dem Märchen, in dem Fußball auch mit dem Herz gespielt wird, mit dem Herz für die Heimat, ja: gespielt. Er ist also eigentlich von gestern, in dieser durchkommerzialisierten Fußballwelt, aber das ist wunderlicher Weise gerade so modern, dass der Prinz zugleich die größte reale PR-Nummer wird, die Köln je gesehen hat – und für die andere sonst was geben würden. Es sind aber eben nicht viele Spieler so wie Podolski und nicht viele Vereine so wie der FC. Die beiden passen zusammen. Er wird sich sauwohl fühlen. Und wo er sich wohl fühlt, da spielt er auch wohl. Also besser.“

Michael Horeni (FAZ) versteht Podolskis Heimkehr als eine Emanzipation: „Die Rückkehr ist eine nostalgische Reise in die Vergangenheit des deutschen Fußballs zu seinen alten Werten. Sportlich aber geht Podolski ein Wagnis für seine Zukunft ein. Nicht nur weil die Erwartungen in Köln so hoch wie der Dom sind. Aber es ist seine eigene Entscheidung. Das immerhin ist für Lukas Podolski schon jetzt ein Fortschritt.“

Gift für eine Gemeinschaft

Ingo Durstewitz (FR) hingegen warnt, die Gefahren betonend: „Die Rückkehr birgt jede Menge Risiken. Eine Frage wird sein, wie der nicht als uneitel bekannte Christoph Daum mit einer noch mächtigeren Fußballheiligkeit an seiner Seite zurechtkommt. Intern soll Daum bereits geäußert haben, dass kein Spieler ihm den Rang ablaufen könne. Das darf bezweifelt werden. Zur Erinnerung: Uwe Rapolder war einst über Podolski gestürzt. Zudem besteht die Gefahr, dass Podolski seine Mitstreiter in den Schatten stellt – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Das birgt Neid, und Neid ist Gift für eine Gemeinschaft. Die homogene Mannschaft hatte schon jetzt vernehmlich gemurrt, weil sie ihre Leistungen durch das Podolski-Theater nicht genügend gewürdigt sah.“

J.R. Rummenigge tut uns den Gefallen und spricht vom „Karriererückschritt“.

Volk ohne Raumdeckung gibt sein Comeback mit einer Glosse: „Sobald Poldi das Schussglück wieder holdi ist, wird der Effcee mit diesem Trainer und diesem Geromel ein Kandidat für die ersten fünf Plätze sein. Bis dahin muss das sympathische Jahrhunderttalent die Zeit mit Bandscheibenvorfällen und Nebenhöhlenmalerei überbrücken.“

So denken Diktatoren wie Uli Hoeneß

Konrad Beikircher, Rheinlandexperte, erklärt der SZ, warum das schief gehen musste mit München: „Podolski kam als Provinzler in die Metropole – und wurde erst mal im Salon stehen gelassen. Sie haben ihm gesagt: ‚Wir zeigen dir, wie schön es bei uns ist, aber erst mal musst du hier warten.’ Das hat er nicht verstanden. So muss sich Heinrich Heine in den Pariser Salons gefühlt haben. Am Anfang war er dort ja auch nur der Deutsche. Die Pariser haben ihn links liegen lassen, weil sie meinten: Was will der denn hier? Schließlich hat sich Heine durchgebissen und Eleganz gelernt. Aber die Bayern sind klobiger, so viel Eleganz wie die Pariser haben sie nicht.“

Die SZ fragt: „Hoeneß kann den Fall nicht verstehen; er denkt: Der FC Bayern ist doch der Mittelpunkt des deutschen Fußballs, eigentlich der ganzen Welt …“ Beikircher antwortet: „So denken alle Diktatoren.“

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