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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Vitaminspritzen und Speed

Frank Baade | Montag, 17. August 2009 3 Kommentare

Beim „FC Ribéry“ diskutiert man dessen Rolle in van Gaals System, das Hamburger Publikum feiert einen neuen Liebling, Markus Babbel führt die „kleine Rotation“ ein

Louis van Gaals Ärger

Ralf Lorenzen (taz) sieht einen Ex-Bayern als neuen Fixpunkt beim HSV: „Noch beeindruckender als die Defensivschwäche der Dortmunder Mannschaft war allerdings die neue Spielkultur des HSV. Die feierten diesen Nachmittag wie eine Wiederauferstehung. Siege gab es auch in den letzten Jahren unter Huub Stevens und Martin Jol, aber diesmal konnten sie tatsächlich stolz sein auf die Art und Weise, wie er zustande kam. Die Hamburger zeigten sich als Mannschaft aus einem Guss, deren Einzelteile perfekt ineinandergriffen. Bruno Labbadia, der im letzten Jahr auch mit Bayer Leverkusen einen vielversprechenden Start in die Saison hingelegt hat, strich zwar zu Recht die Teamleistung heraus. Dennoch hatten die Anhänger schnell heraus, wer hauptsächlich für den qualitativen Sprung ihrer Mannschaft verantwortlich ist, und feierten bereits nach einer Viertelstunde ihren neuen Liebling Ze Roberto. Wer den 35-jährigen Brasilianer gegen Dortmund die Fäden ziehen sah, konnte den Ärger von Louis van Gaal nachvollziehen, dass die Bayern diesen Mann nicht gehalten hatten.“

Fußball auf Speed

Erik Eggers (FR) vermutet nur im Scherz Drogen im Spiel: „Die ersten zwölf Minuten waren wie Fußball auf Speed, ungeachtet der hohen Temperaturen im Hamburger Volkspark. Der HSV zeigte danach Klasse, indem er Tempo aus dem Spiel herausnahm und den überforderten Gegner kontrollierte. Auf den Rängen folgten erste Meistergesänge, die Profis des HSV aber hielten sich merklich zurück. Dennoch: Die Spieler scheinen die Lehren der letzten Saison, als der Klub in den letzten Wochen alles verspielte, beinahe gar noch die Europapokalteilnahme, verinnerlicht zu haben. Noch ist die Frage nicht beantwortet, wie der HSV in dieser Saison auf einen Rückstand reagiert. Eine Situation, die man vielleicht am Sonntag beim Meister in Wolfsburg klären kann.“

In der FAZ stimmt Frank Heike in das Loblied auf den neuen Hamburger Stürmer Elia ein: „Der Mann des Tages hätte gern noch weitergespielt, aber andererseits ist eine Auswechslung manchmal ja auch ein Erlebnis. Die Zuschauer auf den teuren Plätzen standen auf und klatschten, als Eljero Elia in der zweiten Halbzeit den Platz verließ. Dass Elia ein wichtiger Bestandteil des neuen Hamburger Kurzpass-Spiels sein kann, sah man in einem halben Dutzend Szenen.“ Und sieht Gefahren lauern ob des Hamburger Stils: „Beim HSV deutete sich allerdings auch die Kehrseite des neuen Offensivfußballs an: Obwohl schwach spielend, bekam Dortmund einige gute Chancen. Weil Zé Roberto seine Rolle sehr offensiv interpretiert, ist es eine echte Herausforderung für Dauerläufer David Jarolim, nach hinten abzusichern.“

Stolpern wie bei Jürgen

Die taz erachtet den Konflikt zwischen Ribéry und van Gaals System als unüberwindbar: „Diese halbe Stunde, die Ribéry sich nach seiner Einwechslung auf dem Platz vergnügte, hatte schließlich genug neue Nahrung für die Zweifel geliefert, ob das ungleiche Gespann wirklich zueinanderfinden kann. Van Gaal hat den Franzosen ja vom linken Mittelfeld auf die neu geschaffene Planstelle des Zehners versetzt. Doch Ribéry scherte sich nur wenig um die Vorgaben. Er ließ sich allein von seinem Spieltrieb lenken. Van Gaal betont in diesen Tagen zwar, dass er Spielern ‚mit besonderer Qualität‘ durchaus mehr Freiheiten zugestehe als dem Rest. Trotzdem müsse dieser im Rahmen des Systems spielen. Es wird die Hauptaufgabe des Trainers sein, diesen Widerspruch zwischen System- und Individualfußball zu moderieren. Zu überwinden dürfte er nicht sein, solange Ribéry seine Künste im Trikot des FC Bayern darbietet.“

Mitleiderregend

Anja Schramm vermisst Franck Ribéry und gähnt über das Spiel in München (Welt): „Die Partie hätte Ribéry gewiss schon von Beginn an gebrauchen können, quasi als Vitaminspritze. Denn der einstige Klassiker, seit Jahrzehnten Garant für Unterhaltung und Torefestivals, war 45 Minuten lang ein lauer Sommerkick, in dem Bayern seine Überlegenheit (70 Prozent Ballbesitz) nicht in Tore umsetzen konnte. Dass die Bremer angesichts der 2:3-Auftaktpleite gegen Frankfurt nicht vor Selbstvertrauen strotzen würden, war zu erwarten, aber so zurückhaltend hat man sie lange nicht gesehen. Tatsächlich verstärkten die Bayern (nach der Pause) ihre Bemühungen, auch wenn sie teilweise mitleiderregend waren. (…) Der Ausgleich war längst verdient, nun wollten die Bayern und ihre Fans noch mehr. Die Einwechslung Riberys erwies sich neben der von Olic ebenfalls als richtig, immer wenn er am Ball war, ging das Publikum mit. Für den Siegtreffer sorgte aber auch der wendige Franzose nicht und so endete auch das vierte Bayern-Heimspiel in Serie gegen Werder ohne einen Sieg.“

FC Ribéry

Auch Michael Neudecker (FR) macht Ribérys Rolle im System von van Gaal zum Thema: „Die Mannschaft ließ den Reportern keine Wahl, dieses 1:1 gegen Werder Bremen unterstrich ja erneut eine Erkenntnis, die es schon so lange gibt in München: Der FC Bayern ist der FC Ribery, seine Spieler bevorzugen auch dann Franck Ribery als Anspielpartner, wenn er eigentlich gerade gar kein Anspielpartner ist. Van Gaal war wohl auch sauer, dass sich Ribery nicht an die Idee des Trainers hielt, auf der Position des Spielmachers hinter den Spitzen umherzudribbeln, im Gegenteil. Er war mal rechts, mal vorne, mal hinten, vor allem aber war er links, auf der Seite des Platzes, wo er am liebsten ist. Es gibt keine Statistik, die aufzeichnete, wie lange Ribery sich im Zentrum aufhielt, aber nach Gefühl könnte man schätzen: zehn Sekunden. Sobald er auf dem Platz steht, will er nicht mehr die Rautenspitze sein, es zieht in nach links, als habe er Magneten an den Füßen und der Rasen dort drüben den Gegenpol versteckt. Erst kürzlich kündigte van Gaal überraschend an, sein System notfalls umstellen zu wollen, falls der renitente Ribéry in der Praxis nicht als Zehn funktioniert. Schon nach den ersten 28 Minuten Franck Riberys scheint diese Entscheidung nur noch ein Frage der Zeit.“

Auf Bremer Seite ist Mesut Özil bereits in Form, findet Kai Niels Bogena in der Welt: „Özil hatte den Führungstreffer erzielt und war wie schon im ersten Saisonspiel der beste Bremer auf dem Platz. Dabei scheint die gute Form von Özil früher zu kommen als dies etliche Beobachter annahmen. Dass der Spielgestalter sofort in die Rolle des überragenden und nach Turin abgewanderten Brasilianers Diego wächst, trauten der Coach sowie der Sportdirektor Özil offenbar nicht uneingeschränkt zu. Sein Spitzname ‚Messi‘ spricht allerdings dafür, dass die Mannschaftskollegen Özil das Potenzial zu einem internationalen Spitzenfußballer bescheinigen.“

„Kleine“ Rotation

Carlos Ubina berichtet in der Stuttgarter Zeitung von der „kleinen Rotation“, die Markus Babbel in Stuttgart eingeführt habe: „Freiwillig verzichtete Babbel auf Ludovic Magnin (Arthur Boka) und seinen Kapitän Thomas Hitzlsperger (Martin Lanig), der nicht einmal auf der Bank saß. Um dem Verschleiß vorzubeugen, hofft Babbel seinem Team mit dem neuen Stuttgarter Energiesparmodell die Kraft für die drei Clubwettbewerbe zu verleihen. Denn trotz des Erfolgs im baden-württembergischen Derby offenbarte die Begegnung mit Freiburg klar, dass es dem VfB nicht nur an der Feinabstimmung mangelt, um allerhöchsten – auch internationalen – Ansprüchen gerecht zu werden. Fast eine Hälfte lang verloren sich die Gastgeber in der gut geordneten SC-Defensive. Die Elf von Robin Dutt zog sich zurück, schob das bespielbare Feld zusammen und ließ weder Alexander Hleb noch Timo Gebhart Raum, um die VfB-Aktionen zu beflügeln. Erst dank einer individuellen Eingebung fanden die Schwaben schließlich die Lücke im Deckungsverbund der Gäste. Und wie das Tor herausgespielt wurde, erinnerte daran, dass der VfB stets für besondere Momente gut sein kann. Noch kommen diese Höhepunkte aber selten zustande. Sie hängen an Einzelleistungen.“

Die Freiburger Niederlage beleuchtet ebenfalls für die Stuttgarter Zeitung Joachim Klumpp: „In der Bundesliga werden Fehler gnadenlos bestraft. Zwar wurde auch vor den 41.500 Zuschauern über weite Strecken deutlich, dass der Sportclub sowohl was die taktische Disziplin als auch die spielerischen Fähigkeiten angeht, durchaus im Fußball-Oberhaus mithalten kann, selbst gegen Spitzenteams. Doch der Teufel steckt eben im Detail. In der Tat schlichen sich Nachlässigkeiten ein. So blieb nach zwei Spielen nur ein Punkt, was in Anbetracht der gezeigten Leistungen, vor allem auch gegen den Hamburger SV, zu wenig ist. Sagen wir so: der erste Ausrutscher in der Bundesliga endete mit einem Blechschaden.“

Kölner Mittelmaß

Jörg Strohschein (Tagesspiegel) wartet auf bessere Zeiten beim FC Köln: „Sie sind noch nicht da, wo sie sein sollen: Podolski, Novakovic und Maniche, die Hoffnungsträger des 1. FC Köln, brauchen noch Zeit. Sie kämpften ebenso wie ihre Teamgefährten zwar wacker, doch den qualitativen Unterschied, der das Ende des Kölner Mittelmaßes versprechen soll, machen sie noch nicht aus.“

Wie so häufig schweigt sich die Presse mehrheitlich über die Leistung von Hannover 96 aus und bemerkt lediglich die Quarantäne für drei Spieler, die als Vorsorgemaßnahme wegen der Schweinegrippe vom Rest des Teams isoliert wurden.

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Kommentare

3 Kommentare zu “Vitaminspritzen und Speed”

  1. Klaus-Peter
    Mittwoch, 19. August 2009 um 14:01

    Geht die Kommentarfunktion heute wieder?

    Ist es nicht auffällig, wie sich die einschlägigen Kommentatoren auf die Seite Riberys stellen und mehr oder weniger indirekt van Gaals System kritisieren, anstatt dem überheblichen, selbstverliebten und im internationalen Vergleich ohnehin überschätzten Franzosen über den Mund zu fahren?

  2. Frank Baade
    Mittwoch, 19. August 2009 um 14:18

    Hatten Sie zuletzt Probleme mit der Kommentarfunktion? Wenn Sie uns verraten, welcher Art diese waren, können wir – hoffentlich – an der Ursache arbeiten.

  3. Klaus-Peter
    Mittwoch, 19. August 2009 um 14:28

    Ich hatte vorgestern Probleme, dass abgeschickte Kommentare nicht angezeigt wurden. Mag an dem Rechner gelegen haben, an dem ich saß. Heute jedenfalls hat sich das Problem offensichtlich in Wohlgefallen aufgelöst.

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