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Bundesliga

Verdammt zur Mittelmäßigkeit

Frank Baade | Dienstag, 26. Januar 2010 1 Kommentar

Wolfsburg entlässt den authentischen, aber unerklärlich glücklosen Armin Veh, Magath nahm wohl die Strukturen mit, ob Hoeneß mit einem eventuellen Nachfolger Schuster ein Neuaufbau zuzutrauen ist, sei fraglich

Es sei schwierig zu erklären, was denn eigentlich zur sportlichen Krise geführt hätte, befindet in der taz Peter Unfried: „Sind es die unausweichlichen Probleme im Jahr nach einem sehr überraschenden Titel? Vehs Stilwechsel zum riskanteren und interessanteren Ballbesitzfußball? Oder sind es individuelle Probleme von Spielern und eigendynamische Prozesse?“ Eins der großen Rätsel sei der jüngst zum Torschützen des Jahres gekürte Grafite: „Warum trifft einer nicht mehr, der im Vorjahr Torschützenkönig war? Der Mann müht sich, rackert und tut, aber wenn man ihn so herumstolpern sieht, fragt man sich: Wie kann es sein, dass so einer 28 Tore geschossen hat?“ Auch die Frage nach Vehs Zukunft stellt Unfried: „Armin Veh sieht sich als Spitzentrainer, das hat er nicht nur einmal klargemacht. Seinen Anspruch leitet er vom Titelgewinn ab, den er 2007 mit dem VfB Stuttgart realisierte. Die Frage für ihn wird sein, wie sich sein Scheitern in Wolfsburg auf seine Reputation in der Branche auswirkt – und damit auf seine künftigen Arbeitsmarktchancen.“

Hoeneß überfordert wie Veh

Sven Goldmann (Tagesspiegel) bemüht die jüngere Vergangenheit der beiden Protagonisten dieser Entlassung: „Armin Veh stand mit jeder Woche mehr in Amt und Unwürden als Beleg für die These, der Meistertitel des vergangenen Jahres sei eine Eintagsfliege und Folge der Schwäche der Konkurrenz gewesen. Veh hat es wie schon vor zweieinhalb Jahren in Stuttgart nicht geschafft, einem Deutschen Meister ein langfristiges Fundament zu geben.“ Ob der neue Manager dies aber selbst wird abstellen können, bezweifelt Goldmann: „Dieter Hoeneß hat bei seinem Amtsantritt auf Vehs Vorgänger Felix Magath verwiesen. Dieser habe in Wolfsburg zwar phantastische Erfolge gefeiert, die entsprechenden Strukturen aber bei seinem Wechsel nach Schalke mitgenommen. Von Hoeneß wird nun erwartet, dem Verein eben diese nachhaltigen Strukturen für langfristigen Erfolg zu geben. Wer sich den Zustand von Hertha BSC nach 13 Jahren Dieter Hoeneß anschaut, könnte zu dem Schluss kommen: Mit dieser Aufgabe ist der neue Manager genauso überfordert, wie es der alte Trainer war.“

Vehs Stärke und Schwäche: Authentizität

In der SZ vergleicht Claudio Catuogno die umgängliche Art Vehs mit der unnahbaren Magaths: „Das Wolfsburger Umfeld hatte Veh rasch gewonnen für den geplanten Mentalitätswechsel, er verfügt nämlich über eine große Stärke: Authentizität. Und damit zu seiner großen Schwäche – der Authentizität.“ Dass er nur Platz 5 als Ziel ausgab, sei eine realistische Einschätzung gewesen, die man in Wolfsburg aber nicht gerne gehört hatte. „Als Veh nun die in weiten Teilen unerklärliche Abwehrschwäche der einstigen Meisterelf als das benannt hat, was sie ist, nämlich eine in weiten Teilen unerklärliche Abwehrschwäche, da war es endgültig um ihn geschehen. In der Krise entlarvt sich Authentizität schnell als Ratlosigkeit.“

In der Welt gehen Frank Schacht und Daniel Stolpe von Änderungen für die Zukunft aus: „Hier muss ein Mann gehen, dem die vielfältigen Aufgaben in Wolfsburg über den Kopf gewachsen waren. Insider gehen davon aus, dass Veh nicht noch einmal in Doppelfunktion als Trainer und Manager/Geschäftsführer arbeiten wird. Ebenso wird der neue Trainer in Wolfsburg im Gegensatz zu Magath und Veh wohl ‚nicht wieder als Geschäftsführer angestellt‘, sagte Hoeneß. In den sieben Monaten seiner Amtszeit war es Veh nicht gelungen, einer an sich gut besetzten Mannschaft die nötige Begeisterung für die Herausforderungen im Jahr eins nach der Meisterschaft zu vermitteln. Im Gegenteil: Das kollektive Durchschnaufen der Mannschaft nach zwei Jahren unter Drillmeister Magath bekam er nie in den Griff.“

Politik der großen Namen

In Bezug auf die mögliche Nachfolge erinnert Claudio Catuogno (SZ) an das Selbstbild der Wolfsburger: „Bernd Schuster wäre die logische Fortsetzung einer Politik der großen Namen, die sie am Mittellandkanal pflegen, nach dem Motto: Wer mit Real Madrid spanischer Meister wird, kann auch in Wolfsburg reüssieren. Ähnlich hatten im Sommer auch die Argumente für den Stuttgarter Meistertrainer von 2007 geklungen. Für Armin Veh.“

Diesen Wolfsburger Wahn kontert Matti Lieske (Berliner Zeitung) mit dem Verweis auf die Realitäten im VW-Klub: „Wenn ein brennend ehrgeiziger Trainer wie Magath einen Verein, mit dem er sensationell den Titel geholt hat, wo er wie ein Gott regieren kann und wie ein Gott verehrt wird, wo man ihm alle gewünschten Mittel zur Verfügung stellt, lieber zu einem Pleiteprojekt wie Schalke 04 geht, dann weiß man: Dieser Verein ist verdammt. Verdammt zu jener Mittelmäßigkeit, aus der er kam und in die er mit Armin Veh schnell wieder zurückgefunden hat – trotz aller Zuwendungen von einem Konzern, für den der Fußball letztlich doch nur ein weiteres Mittel ist, mehr Autos zu verkaufen.“

Kommentare

1 Kommentar zu “Verdammt zur Mittelmäßigkeit”

  1. Icy
    Dienstag, 26. Januar 2010 um 15:18

    Die NZZ trifft den Nagel auf den Kopf:

    Doch Wolfsburg war ein typisches Magath-Team – eine Mannschaft, die mit viel Aufwand zum Erfolg zu kommen versucht; eine Equipe, die sehr stark von ihrer Physis lebt. Magath, der noch immer ein Freund des Medizinballs im Training ist, hat Veh ein ausgepresstes Team hinterlassen, dem die körperliche und geistige Frische fehlt. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Nachfolger Magaths mit einer guten Mannschaft nichts anfangen kann. Ganz ähnlich ging es Ottmar Hitzfeld im FC Bayern München, nachdem Manager Uli Hoeness Magath vor die Türe gesetzt hatte. Eine langfristige Arbeit hatte Magath nie interessiert. Die Nachfolger durften die Spätfolgen des kurzfristigen Erfolgs ausbaden.

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