Bundesliga
Der kleine Wurf auf den Schleudersitz
| Mittwoch, 26. Mai 2010 Kommentare deaktiviert für Der kleine Wurf auf den Schleudersitz
Der HSV verpflichtet Armin Veh als neuen Trainer, die Beobachter schwanken in ihrem Urteil zwischen Hoffnung auf neue Solidität, raketenhaftem Aufstieg und kleinster Lösung für den Schleudersitz
Das neue Duo in der Verantwortung beim Hamburger SV sieht Roland Zorn (FAZ) als Zeichen einer „neuen Bescheidenheit.“ Veh und der neue Sportdirektor, Bastian Reinhardt, versprächen „erst einmal keine spektakulären Schlagzeilen und aufsehenerregenden Geschichten“, dafür aber „Halt in der vermeintlichen Solidität.“ Veh habe Erfahrung als Meistertrainer in Stuttgart, sein Scheitern in Wolfsburg sei durch die großen Fußstapfen Magaths zu erklären. „Mit Veh kommt ein hochanständiger Fußballfachmann an die Elbe, der aber viel Fortüne braucht.“ Ex-Praktikant Bastian Reinhardt ist ein totaler Neuling, „das waren aber auch die Besten in diesem Job irgendwann einmal.“ „Eitle Selbstdarsteller hatten sie in Hamburg genug – Veh und Reinhardt stehen zumindest nicht für diese Spezies. Kein schlechtes Zeichen für den Neuanfang.“
Bastian Reinhardt – absolute Notlösung
Erik Eggers (FR) sieht die Ernennung von Bastian Reinhardt zum neuen Sportchef als raketenhaften Aufstieg und dessen Ernennung bis 2012 als „Überraschung der Fachwelt“. Dem früheren Profi wehe vom Boulevard bereits ein rauer Wind entgegen, auch das Verhältnis zum neuen sportlichen Leiter Urs Siegenthaler „dürfte interessant sein“. Vor allem aber „an dem Vorurteil nun von [dem Vorstandsvorsitzenden Bernd] Hoffmann als Marionette geführt zu werden, wird sich der Novize abarbeiten müssen.“
Ralf Lorenzen (taz) kommentiert das neue Duo Veh/Reinhardt als „kleinen Wurf“. Veh habe kein Anschauungsmaterial für kontinuierlichen Aufbau einer Mannschaft hinterlassen, die Meisterschaft mit Stuttgart 2007 sei ein Wunder, von dem „man an der Elbe auch jedes Jahr aufs Neue“ träume. Nach den Absagen von Nico Hoogma „gilt Reinhardt einmal mehr nicht als kleine Lösung, sondern als absolute Notlösung.“ „Der von allen Seiten gestern beschworene Teamgedanke, mit dem das fragile HSV-System zusammengehalten werden soll, hat auf der Führungsebene schon Schaden genommen“, nachdem Aufsichtsratschef Horst Becker eingestand, Felix Magath „für die Posten des Trainers und Sportchefs in Personalunion“ angefragt zu haben – „kaum vorstellbar, dass er mit Rückendeckung von [Bernd] Hoffmann um die Dienste des Schalke Trainers geworben hat.“
Der HSV gilt als Horde Schwererziehbarer
Bereits vor dem Amtsantritt wähnen Patrick Krull und Carsten Harms (Welt) Armin Veh auf einem Schleudersitz: „Die Anhängerschaft ist schon jetzt mehrheitlich gegen ihn, die Stimmung giftig. Veh startet mit der Hypothek, viel weniger Lobby im Verein zu haben als sein Vorgänger Bruno Labbadia – und der hatte schon mit einem Minimum an Zustimmung seine Arbeit in Hamburg aufgenommen.“ Der Vertrag des Trainers ist auf nur zwei Jahre datiert, „garantiert ist nur sein erstes Jahresgehalt, im zweiten gibt es keinen Abschiedsbonus mehr.“ Der HSV sei eine gewaltige Aufgabe. „Die Spieler des Klubs haben viel mehr Ecken und Kanten als die anderer Vereine. Sie gelten in der Branche als Horde Schwererziehbarer. Wer ihnen Angriffsflächen offenbart, weil er sich treu bleiben will, der wird scheitern. Wer auf jeden einzelnen der unterschiedlichsten Charaktere nicht einzugehen vermag, dem tanzen die Hamburger Profis schnell auf der Nase.“
Daniel Barthold (stern) hofft auf ein Ende der Leidenszeit. In der „ohnehin nicht gerade mit Bescheidenheit aufwartenden Hamburger Fußball-Szene“ schüre der Meistertrainer „hohe Erwartungen“ auf den ersten Titelgewinn seit 1987. Immerhin ein Akteur sei jedoch längerfristig an den HSV gebunden: Stürmer Paolo Guerrero unterschrieb einen neuen Vier-Jahres-Vertrag. „Guerrero hat somit eine langfristige Zukunft beim HSV. Veh und Reinhardt auch?“
