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Champions League

Wie beim Handball

Kai Butterweck | Donnerstag, 16. September 2010 2 Kommentare

Bayern schlägt Rom zum Auftakt der Champions League. Ein zähes Geduldsspiel mit Tendenzen einer anderen Sportart

Christian Eichler (FAZ) vermisste das Tempo im Spiel der Bayern: „Das kreiselnde Herumpassen der Bayern rund um die Neuner-Defensive der Italiener, an denen sich nur die Angreifer Totti und Borriello nicht beteiligten, war viel zu langsam und ziellos. Die Verlagerung der Angriffsseiten dauerte so lang, dass das defensive Netz der Italiener sich mühelos mitverlagern konnte – und dass die unzufriedenen Zuschauer nach einer guten halben Stunden bei jeder Tempoverschleppung und bei jedem der vielen Fehlpässe zu pfeifen begannen. Es war das Duell zweier Saison-Fehlstarter, und das merkte man der Partie lange Zeit an. Am Ende prickelte der lange einschläfernde Fußballabend dann doch noch.“

Martin Vogt (Focus Online) sah vor allem im ersten Durchgang hilflose Bayern: „Und als hätte der zermürbende Stopp-and-Go-Verkehr vor dem Fußballtempel die Geduld des Publikums nicht schon genug strapaziert, vollführte der gastgebende FC Bayern eine volle Halbzeit lang sein Spiel nach Regeln, die dem Publikum nicht mitgeteilt worden waren und seltsam fremd erschienen. Das Spiel der Münchner schien sich nach der Maßgabe zu richten, für jeweils zehn Ballkontakte oder eine halbe Minute Besitz ohne gegnerische Einwirkung gibt es einen Zehntelpunkt. Gefühlte 90 Prozent Ballbesitz im ersten Durchgang (die offizielle Statistik wies später 67 Prozent aus) für den FC Bayern bedeuteten aber gleichzeitig permanentes, mut- und konzeptloses Ballgeschiebe im Mittelfeld. Und für diese Art der Darbietung – eher eine Zumutung – hatte die Mehrzahl der 66 000 Fans nun im Stau gestanden. Ein bis dahin eher trauriges Fußballspiel nahm im zweiten Durchgang jene Wendung, die Bono, Bahnstreik und Bummelhalbzeit vergessen ließ. In der Tat glich die Darbietung nach dem Seitenwechsel einem beeindruckenden Powerplay, in dem das Resultat der Feldüberlegenheit nur ungenügend Ausdruck verlieh.“

Francesco Totti enttäuschte

Carsten Eberts (Tagesspiegel) zeigt sich enttäuscht über die Leistung von Totti: „Rom agierte humorlos mit zwei Abwehrketten vor dem Strafraum, vorne trippelte die alternde Identifikationsfigur Francesco Totti uninspiriert zwischen den Münchner Innenverteidigern Holger Badstuber und Daniel van Buyten hin und her. Diesmal wurde er von Coach Claudio Ranieri nicht nach einer halben Stunde ausgewechselt, wie beim blamablen 1:5 am vergangenen Samstag in Cagliari. Ranieri hätte durchaus Gründe dafür gehabt. Nicht eine gefährliche Aktion ging an diesem Abend von Totti aus.“

Das Fehlen von Robben und Ribéry habe sich nach Ansicht von Klaus Bergmann (Financial Times Deutschland) gerade in der ersten Halbzeit negativ bemerkbar gemacht: „Genauso schleppend wie in die Bundesligasaison waren die Münchner in ihre geplante Titeljagd in der europäischen Königsklasse gestartet. Gegen die vor allem auf Torsicherung bedachten Römer fehlten den Bayern zunächst Dynamik und Laufbereitschaft. Der deutsche Meister spulte sein Pensum in der ersten Halbzeit behäbig ab und musste sich bereits nach gut einer halben Stunde erste Pfiffe von den Rängen anhören. Gegen die defensiven Italiener wurden in dieser Phase Tempodribbler wie der verletzte Arjen Robben und der noch gesperrte Franck Ribéry an allen Ecken und Enden vermisst.“

Rom verteidigte im Stile einer Handballmannschaft

Für Maik Rosner (Berliner Zeitung) mangelt es den Bayern zurzeit noch am Rhythmus: „Häufig verteidigte die Roma im Stile einer Handballmannschaft, dicht gestaffelt um den eigenen Strafraum. Die Bayern versuchten flüssig zu kombinieren, durch Ungenauigkeiten und noch nicht wieder eingeschliffene Mechanismen ließen sich allerdings kaum präzise Spielzüge bestaunen. Daran hatte auch die italienische Kreisdeckung ihren Anteil, an der sich außer den beiden Stürmern Francesco Totti und Marco Borriello das gesamte Team von Trainer Claudio Ranieri beteiligte. Ein Eindruck, der sich schon in den ersten drei Bundesliga-Spielen eingestellt hatte und sich auf europäischem Niveau verfestigte.“

Auch Jörg Hanau (FR) sah die Spielweise der Römer streckenweise aus einer anderen Sportart herkommend: „Die Roma verteidigte phasenweise mit zwei tief stehenden Viererketten. Nicht schön anzusehen, aber effektiv. Lediglich Roms lebende Legende Francesco Totti durfte sich im Stile eines Altherrenfußballers am Mittelkreis ausruhen. Phasenweise musste sich der neutrale Beobachter bei der falschen Sportart wähnen. Wie im Handball kreiste die Kugel um den Strafraum. Die klar spielbestimmenden Münchner fanden aber kaum einmal die Lücke. Das lag aber nicht alleine nur an den diszipliniert verteidigenden Römern, deren erste Bürgerpflicht nach acht Gegentoren in den ersten drei Saisonpflichtspielen darin bestand, die Null zu verteidigen. Der deutsche Meister ließ zwar den Ball laufen, nicht aber den Gegner. Es wirkte alles ein wenig behäbig, es waren kaum einmal Tempowechsel im Spiel der stets bemühten Gastgeber. Es fehlte ihnen allerdings an der nötigen Spritzigkeit – nicht nur physisch.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Wie beim Handball”

  1. Tobi
    Donnerstag, 16. September 2010 um 14:45

    Hallo!
    Ich wollte nur mal off-topic nachfragen, ob ihr nicht den flattr Button auf die Hauptseite verschieben koennt? Ich wuerde gerne den Freistoss als Gesamtkunstwerk wuerdigen und nicht nur einzelne Beitraege (dann sind meine Klicks auch mehr wert…)
    Ansonsten immer weiter so!
    Tobi

  2. T0bstar
    Donnerstag, 16. September 2010 um 21:55

    Ich muss gestehen, dass ich kein großer Fan von Altintop bin. Wie die Presse richtig festgestellt hat, fehlte Bayern das Tempo, was auch daran lag, dass Altintop es immer wieder rausnahm meiner Meinung nach.

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