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Bundesliga

Alles beim alten

Matthias Nedoklan | Montag, 25. Oktober 2010 1 Kommentar

Der FSV Mainz 05 erobert sich die Tabellenführung zurück. Schalke und Bayern stecken weiter in der Krise und in Köln muss Trainer Zvonimir Soldo trotz Entlassung keine Koffer packen.

Andreas Burkert (SZ) versucht dem 0:0 der Bayern positive Seiten abzugewinnen: „Noch ist das Münchner Weißbierglas halbvoll und nicht halbleer, weshalb die Bayern vermutlich in Hamburg noch ein bis drei Halbe auf Jonathan Pitroipa aus Ouagadougou getrunken haben. Nicht sehr zwingend, aber doch feldüberlegen sind die Bayern in der Schlussphase gewesen, ehe der schmächtige HSV-Sprinter aus Burkina Faso auf Torwart Butt zulief, ihn aufguckte, den Ball vorbeischob – an den rechten Pfosten. Diese Szene überzeugte die Gäste, besser doch zufrieden zu sein mit dem nächsten Aufschub für die ersehnte Wende. Profis, die immerhin wie Männer spielen; Nur-nicht-verlieren als Ziel einer Mannschaft, die in Hamburg erstmals in der Ära van Gaal dem Gegner mehr Ballbesitz überließ (49:51 Prozent), das sogar aus purem Kalkül, wie Philipp Lahm versicherte. Und dazu eben der überaus freundliche Nörgler van Gaal, der sich nur schwer trennen konnte vom Plausch mit Nistelrooy. Der FC Bayern muss etwas sehr Außergewöhnliches im Sinn haben“

Bayern brauchen ein Fernglas

Michael Wittershagen (FAZ) erinnert den FC Bayern an vergangene Tage: „Dabei sind die Münchner keinesfalls die einzige Mannschaft dieser Republik, die derzeit mit englischen Wochen zu kämpfen hat. Auch Dortmund, Leverkusen und Stuttgart bleiben nach ihren Auftritten in der Europa League in dieser Woche und den Spielen an diesem Sonntag nur drei Tage zur Regeneration. Schalke und Bremen hatten nach den Partien in der Champions League sogar fünf Stunden weniger Pause zwischen Abpfiff und Anpfiff als die Münchner. Aber darüber redete Rummenigge nicht. Ihm ging es nur um einen Verein: den FC Bayern München. Die Verantwortlichen der Bayern klagen und jammern, die sportliche Krise hat offensichtlich Spuren hinterlassen. Schon zwölf Punkte können die Münchner nach diesem Spieltag von der Tabellenspitze trennen. Da braucht man beinahe schon ein Fernglas, um noch jemanden zu erkennen.“

Frank Heike (Tagesspiegel) sorgt sich um den Rekordmeister: „Eigentlich wollte der Deutsche Meister damit eine Serie starten. Aber wenn es ans Kreative, an das ideenreiche, schnelle, verwirrende Spiel geht, stößt dieser FC Bayern anders als in der vergangenen Rückrunde an seine Grenzen. Auf dem Weg nach vorn spielten die Münchner beim HSV auf ähnlichem Niveau wie zuletzt Nürnberg oder Kaiserslautern – mit dem Unterschied, dass sie ohne Tor blieben und bei kümmerlichen acht Treffern verharren. Mario Gomez war nach dem Aufschwung der letzten beiden Spiele wieder ganz der Alte und fand überhaupt nicht ins Zusammenspiel mit Kroos, Thomas Müller oder Altintop. Robben und Ribéry fehlen eben an allen Ecken und Enden. Sie lassen einen biederen FC Bayern zurück, dem auch die fiese Bissigkeit des ebenfalls verletzten Mark van Bommel abgeht. Die Debatte um Größe und Qualität des Münchner Kaders dürfte in dieser Woche wieder an Fahrt aufnehmen – selbst wenn Ivica Olic mit seinem Nasenbeinbruch zurückkehrt und Diego Contento ebenfalls bald wieder da ist, denn die Bankbesatzung hört plötzlich auf Namen wie Jüllich und Knasmüllner. Der verehrte ehemalige Trainer Ottmar Hitzfeld bereicherte die Diskussion aus der Ferne des Fernsehstudios schon mal mit dem Hinweis, der FC Bayern hätte Zugänge im Sommer dringend benötigt, um den Konkurrenzkampf wieder zu entfachen – als hätte man die Verletztenmisere damals erahnen können.“

Magaths Sohn ist Schalke-Fan

Martin Henkel (Berliner Zeitung) blickt auf die Vaterqualitäten von Felix Magath: „Aber, Felix Magath zeigt sich lebendig wie nie, ganz als ob erst die Krise in ihm das Beste stimuliert. Angestachelt von der Aussicht auf eine eventuelle Entlassung, sollte es noch länger bei dem einen Saisonsieg bleiben, bediente Felix Magath sich am Wochenende einer alten Taktik. Die besteht normalerweise darin, den jeweiligen Arbeitgeber mit einer selbst ins Auge gefassten Kündigung zu verunsichern. Diesmal aber griff er zu einem neuen Trick. ‚Mein Sohn‘, erklärte Magath unerwartet, ‚ist kein Bayern-Fan mehr, er ist jetzt Schalke-Fan.‘ Ah, und ‚zwischendurch war er auch Wolfsburg-Fan.‘ Will sagen: So ist das auch bei mir. Denn wo ein Apfel fällt, ist immer auch ein Stamm.“

Marc Heinrich (FAZ.net) setzt Schalke 04 weiter unter Druck: „Wer qualitativ hochwertige Erstligaunterhaltung sehen wollte, kam an diesem kalten Nachmittag in Frankfurt lange nur bedingt auf seine Kosten. Was vor allem an den erstaunlich destruktiven Schalkern lag, die fast ausschließlich darauf aus waren, Fehler zu vermeiden und das eigene Terrain zu verteidigen: Tempogeladene Vorstöße in die gegnerische Hälfte kamen, mit vereinzelten Ausnahmen, in ihrem taktischen Konzept selten vor. Nur Raúl, der aus kurzer Distanz an Eintracht-Torhüter Oko Nikolov scheiterte, sowie Klaas-Jan Huntelaar, der bei einer Unachtsamkeit von Benjamin Köhler zur Stelle war, doch ebenfalls an Nikolov nicht vorbei kam, legten vorübergehend die allgemeine königsblaue Zurückhaltung ab. Viel Zeit, um Lehren aus dem erschreckend schwachen Auftritt zu ziehen, bleibt den angeschlagenen Schalkern nicht – die nächste englische Woche hält an diesem Dienstag eine weiteren Prüfung am Main parat: Dann geht es in der zweiten Runde des DFB-Pokal gegen den zweitklassigen FSV Frankfurt – alles andere als ein Weiterkommen ist dabei indiskutabel.“

Im Pokal ist ein Sieg Pflicht

Frank Hellmann (Tagesspiegel) blickt auch auf das Schalker Pokalspiel gegen den FSV Frankfurt: „Am Bornheimer Hang wäre der mit sechs Punkten und nur einem Sieg aus neun Spielen auf Rang 16 geführte Champions-League-Teilnehmer gut beraten, ein bisschen mehr Spieltrieb und Spielfreude zu entwickeln als an einem nebligen Nachmittag in der Frankfurter Arena, wo es aufgrund der zweiten Halbzeit nur einen Sieger hätte geben dürfen: Die spielfreudigere Eintracht.“

Daniel Schmitt (FAZ.net) protokolliert Rauls Arbeitstag in Frankfurt: „Nach dem Trikottausch ist es mit der Freundlichkeit beim ehemaligen Angreifer von Real Madrid vorbei. Kopfschüttelnd läuft er zur Schalker Bank – alleine. Während sich seine Mitspieler an der Mittellinie abklatschen, herrscht bei Raúl nur großer Ärger. Mit gesenktem Kopf hadert er – sicher auch über seine Leistung. Viel gelaufen, nichts gewonnen. Nur durch eine gehörige Portion Glück kamen die Gelsenkirchener überhaupt zu einem Punktgewinn im ausverkaufen Frankfurter Stadion. Raúl González Blanco, so der komplette Name des 33 Jahre alten Spaniers, hat enttäuschende 90 Minuten hinter sich.“

Tuchel tobt

Daniel Meuren (FAZ.net) zieht den Hut vor Mainz 05. Anstatt mit Spaßfußball glänzt der neue Spitzenreiter jetzt mit nüchternen Ergebnissen: Immer wieder regte sich Trainer Thomas Tuchel an der Seitenlinie über den bis dahin laschen Auftritt seines Teams auf. Derart enttäuscht vom eigenen Personal, bewies Tuchel, dass er sehr wohl nicht allein auf den pädagogisch talentierten Spielerversteher reduziert werden darf. Der wütende Trainer, der mehr Mut von seinen Spielern einforderte, schickte als Drohung an seine spielende Elf alle Ersatzspieler zum Warmlaufen. Ob es daran lag? Plötzlich kam die Überraschungsmannschaft der bisherigen Saison jedenfalls besser ins Spiel gegen eine nun deutlich zurückhaltendere Werkself. Nach dem Seitenwechsel verflachte die Partie zusehends. Leverkusen agierte nun am Ende einer englischen Woche müde, Mainz 05 spielte auf der Gegenseite die Angriffe kaum einmal so zu Ende, dass echte Torgefahr hätte entstehen können. Das änderte sich erst durch die doppelte Einwechslung von André Schürrle und Andreas Ivanschitz grundlegend: Der überraschenderweise nicht für die Startelf nominierte Schürrle legte Ivanschitz mit seinem ersten Ballkontakt mustergütig auf, der Österreicher erzielte aus sieben Metern seinen ersten Saisontreffer. Für Schürrle hatten nur wenige Minuten genügt, um sich bei den Leverkusener Fans schon einmal fürs kommende Jahr nachhaltig in Erinnerung zu bringen.“

Daniel Theweleit (Berliner Zeitung) beglückwünscht den Rückkehrer an die Tabellenspitze: „ Je länger das Spiel dauerte, desto besser kamen dann Tuchels Überlegungen zur Geltung. Mainz kontrollierte die Partie immer besser, was fehlte war nur der letzte Pass. Nach 52 Minuten missriet Lewis Holtby ein Abspiel auf Allagui, der freie Bahn aufs Leverkusener Tor gehabt hätte, und fünf Minuten danach versuchte Marco Caligiuri sieben Meter vor Tor einen Querpass auf den völlig freien Holtby. Doch auch diesem Ball fehlte die Präzision. Dann wechselte der Mainzer Trainer Schürrle und Ivanschitz für Holtby und Szalai ein, und entschied die Partie.“

Ausgerechnet Schürrle

Jörg Strohschein (Tagesspiegel) begrüßt die Mainzer Rückkehr an die Tabellenspitze: „Die Mainzer strotzten seit Wochen nur so voll Selbstbewusstsein und wahrscheinlich hatte Strutz Recht damit, dass es weniger an einer Fügung des Schicksals sondern am andauernden Höhenflug und der täglichen Arbeit lag, dass Thomas Tuchel wie selbstverständlich die entscheidende Einwechslung machte. Der Trainer der Mainzer wechselte die Offensivspieler Adam Szalai und Lewis Holtby aus und brachte André Schürrle sowie Andreas Ivanschitz, die sich nur zwei Minuten später den Ball zuspielten, die Leverkusener Abwehr problemlos aushebelten und der Österreicher den entscheidenden Treffer erzielte.“

Kölner Führungslosigkeit

Jörg Marwedel (SZ) verabschiedet sich von Zvonimir Soldo: „Es gibt nicht wenige in Köln, die allein eine Ablösung des 42-jährigen Kroaten nicht für ausreichend halten. Und wenn sie auch das Idol Overath weitgehend ausnehmen, der Manager Meier hat inzwischen einen ähnlich guten Leumund wie zuletzt in Dortmund, wo er Schulden in Rekordhöhe hinterließ. Die Kölner Führungslosigkeit lässt sich nicht nur am Schuldenstand und dem Konzept, das in erster Linie darin besteht, Podolski heimgeholt zu haben, beschreiben. Über Podolskis Interview hat sich der Vorstand zwar aufgeregt, gesprochen wurde mit ihm aber nicht. Der Trainer wiederum schien auch nicht mehr zu wissen, was er in der angespannten Lage tun solle. Erst trainierte er vergangene Woche das Angriffspiel mit zwei Spitzen (Podolski und Milivoje Novakovic), um dann den zuletzt ausgebooteten Torjäger Novakovic doch erst nach der Pause einzusetzen.

Jörg Strohschein und Christian Otto (Tagesspiegel) befürchten einen Kölner Abstieg: „Ein energisches Aufbäumen war bei Soldos Spielern in Hannover überhaupt nicht zu erkennen. Nationalstürmer Podolski hatte am Samstag als einziger wirklichen Willen gezeigt – sogar nach dem Schlusspfiff ging er entschuldigend auf die wütenden Fans zu, die ihn und seine Begleiter aber nur auspfiffen. Schon auf dem Spielfeld reichte die Unterstützung für ihn, an der sich nach der Pause auch der eingewechselte Milivoje Novakovic beteiligen durfte, nicht aus. Als das Dilemma besiegelt war, schlich die Mehrheit der Kölner Spieler wortlos davon. Hängende Köpfe und zuckende Schultern sollten wohl Antworten auf die vielen Fragen nach einer Misere sein, an deren Ende der fünfte Erstliga-Abstieg in der Kölner Vereinsgeschichte stehen könnte.“

Auszug aus dem Hotel

Christian Löer und Thorsten Moeck (Berliner Zeitung) schildern die Momente der Soldo-Entlassung: „Tatsächlich ist Soldo in seinen Kölner Monaten nie aus dem Hotel ausgezogen. Seine Familie war in Kroatien geblieben. Er wollte das Schicksal seiner Liebsten nicht abhängig machen vom wechselnden Geschick des 1. FC Köln. Ein guter Entschluss. Gerade die Partie in Niedersachsen hat die Kölner Klubführung jedoch zu der Überzeugung gebracht, dass es nun ein Ende haben müsse mit Soldos Amtszeit. Um 17.30 Uhr fährt Wolfgang Overath am Geißbockheim vor. Im Kabinentrakt wartet bereits die Mannschaft. Zwanzig Minuten später verlassen die FC-Profis den Ort des Geschehens, es ist ein Marsch der Niedergeschlagenen. Kurz darauf gibt Wolfgang Overath eine Erklärung ab. Es sei eine schwere Entscheidung gewesen. Im Verein hat längst die Planung der Zeit nach Soldo begonnen. Frank Schaefer soll schon am Montag das Training übernehmen. Der 46-Jährige ist seit 1982 Angestellter des 1. FC Köln. Zuletzt betreute Schaefer das Nachwuchsteam U 23 in der Regionalliga. Eine Stunde bespricht sich Overath mit Schaefer, dann steht fest: Schaefer wird die Kölner am Dienstag im Pokalspiel gegen 1860 München betreuen.“

Pizarros Sonntage

Ralf Wiegand (SZ) verewigt Claudio Pizarro in den Annalen der Bundesliga: „Seit Samstag, spätestens seit Samstag, gehört auch Pizarro hinein in den reichen Schatz an Anekdoten über die Spieler aus aller Welt, die in die Bundesliga gekommen sind, sie bunter zu machen. Einmal, weil Pizarro jetzt der erfolgreichste ausländische Torjäger überhaupt ist, mit 134 Treffern, einem mehr, als Giovane Elber erzielt hat. Vor allem aber dadurch, wie er diesen Rekord zelebriert haben will. Angeblich hat er alle Tore auf DVD – und diese Scheibe habe er am Sonntag mit seinen Kindern angeschaut, sagte Claudio Pizarro. Es war also ein gelungener Sonntag im Hause Pizarro. Der Peruaner gehört eh zu den sympathischen Erscheinungen in der Bundesliga, auch wenn ihn ein Skandal umrankt, seitdem ihn sein Berater Carlos Delgado zum Partner zwielichtiger Geschäfte gemacht hatte. Ermittlungen wegen Steuerbetrugs und verbotener Tätigkeit als Spielerberater haben aber zu keiner Verurteilung geführt, er betrachtet die Sache als ‚längst erledigt‘.“

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Kommentare

1 Kommentar zu “Alles beim alten”

  1. anderl
    Dienstag, 26. Oktober 2010 um 11:47

    Ich habe die leise Befürchtung, dass man in Köln auf den Mainzer Effekt hofft. Möge ein Jugendtrainer erfolgreich die Männer übernehmen!
    Ich kann als FC-Fan nur hoffen, dass das nicht komplett in die Hose geht.

    Danke trotzdem für die Presseschau, auch wenn ich es lieber habe, wenn der FC da gar nicht auftaucht. Es sei denn mit Kommentaren der positiven Verwunderung.

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