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Bundesliga

Die Angst des Trainers

Martin Hauptmann | Freitag, 24. Dezember 2010 Kommentare deaktiviert für Die Angst des Trainers

Wintertransfers eröffnen vielen Klubs die Chance, ihr Team zurück in die Erfolgsspur zu führen. Eine Ursache für den Handlungsbedarf: Immer häufiger zeigt sich eine Kluft zwischen Führung und Gefolgschaft

Michael Ashelm (FAZ.net) interessiert der Fortgang der Karriere des Bayern-Kapitäns Mark van Bommel, dessen Leistungen derzeit keine gute Position in noch bevorstehenden Vertragsverhandlungen böten: „Es ist fast immer dasselbe. Wenn sich die Karriere von älteren, verdienten Fußballprofis dem Ende zuneigt, bleiben Probleme mit dem Arbeitgeber nicht aus. Zum einen will der Verein seine Personalplanung für die Zukunft vorantreiben und dabei sein Augenmerk auf die Nachfolgeregelung legen, auf der anderen Seite erwartet der betroffene Spieler aufgrund der Meriten eine zuvorkommende Behandlung, vor allem in Vertragsangelegenheiten. […] Womöglich war es kurz vor Weihnachten der letzte Auftritt des 33 Jahre alten Bayern-Kapitäns für die Münchner, denn besonderes Interesse an einer Weiterbeschäftigung des erfahrenen und mit allen Wassern gewaschenen Mittelfeldspielers scheinen die Verantwortlichen beim Rekordmeister nicht mehr zu haben. Deutliche Bekenntnisse bleiben derzeit aus. […] Auf die Frage, ob er persönlich wolle, dass der Mittelfeldspieler bleibe, gab van Gaal keine Antwort. Es ist zu hören, dass der Trainer nicht mehr so gut zu sprechen ist auf seinen Landsmann, seit dieser im vergangenen Oktober mit einem lädierten Knie für die niederländische Nationalmannschaft spielte und später bei den Bayern ausfiel. […] Der Niederländer selbst sieht sich als unentbehrlich an. Er könnte damit falsch liegen.“

Der Wert des Trainers ist heute immens

In der Trainerfrage haben Vereine wie Mainz, Dortmund oder auch der DFB ein glückliches Händchen bewiesen, da sie unverbrauchten Trainern mit Vision und Idealismus das Steuer in die Hand gaben. Joachim Löw wurde nun als erster Deutscher in Frankreich zum Trainer des Jahres gewählt. Michael Horeni (FAZ.net) findet Belege und stellt die Bedeutung der Trainerpersönlichkeit in den Mittelpunkt: „Seine Mannschaft beging bei der WM von allen Mannschaften die wenigsten Fouls, [..] hatte die meisten Ballgewinne im Zweikampf, [..] kam nach Ballgewinn am schnellsten zum Abschluss. 2005 dauerte es von der Ballannahme bis zum Abspiel im Schnitt 2,8 Sekunden. […] Beim 4:1 gegen England und dem 4:0 gegen Argentinien sanken die Werte auf 0,9 Sekunden. Auch in der Gesamtlaufleistung lagen seine Spieler mit durchschnittlich 12,7 Kilometern an der Spitze, gemeinsam mit Spanien und Uruguay. Die Verbesserung von Kontaktzeiten und kollektiver Laufleistung sind das Ergebnis von Trainerhandwerk, von ständiger Wiederholung, von konsequenter Arbeit. Darin liegt nichts Revolutionäres. […] Aber die Daten sind ein Beweis, dass Trainer etwas bewirken können, dass ein Trainer jeden Spieler verbessern kann, das ganze Spiel und sogar die Qualität einer WM. Es ist die eigentlich banale Erkenntnis, dass der Qualität des Trainers die entscheidende Rolle im Fußball zukommt. […] Die Daten, die Löw als Fortschrittsbeweis präsentiert, kann man auch als Beleg dafür nehmen, wie komplex das Spiel geworden ist, dass es eines erfahrenen Trainers bedarf, eines eingespielten und hochprofessionellen Teams, das die Erfordernisse in zahlreichen Bereichen abdeckt: Technik, Taktik, Fitness, Psychologie, Spiel-, Spieler- und Gegnerbeobachtung, Ernährung, Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikation. Und noch einiges mehr. […] Es ist weit ausgeholt, aber nicht zu weit hergeholt, wenn man in Löw den kompetentesten Bundestrainer seit Herberger sieht. Wie niemand zuvor hat er ein Team und einen Stil entwickelt, Impulse gesetzt und Innovationen fortgeführt, die dem deutschen Fußball eine Perspektive verschaffen.“

Wenn die Harmonie fehlt: das Bild des ratlosen VW-Werksklub

Druck erzeugt bekanntlich Gegendruck. Verliert das Team, geraten Trainer und Vorstand als weitere Glieder der Handlungskette in die Kritik. Doch irgendwann setzt der Bumerang-Effekt ein und die Spieler sehen sich plötzlich unangenehmen Konsequenzen gegenüber. Frank Hellmann (FR) wundert sich indes über das Festhalten an Steve McClaren beim VfL Wolfsburg: „Die um 15:37 Uhr versandte Pressemitteilung des Klubs ist bewusst in scharfer Tonart gehalten. Wörtlich heißt es: ‚Wenn Steve McClaren die Spieler nach der Winterpause am 2. Januar wieder zum Training empfängt, soll ein anderer Wind wehen.’ Man erwarte von den Trainern, ‚dass sie mit aller Konsequenz handeln und Fehlverhalten auf und neben dem Platz ahnden’ − Zitat Hoeneß. Damit stellt sich der 58-Jährige indes selbst ein schlechtes Zeugnis aus. Hoeneß hat den ersten englischen Fußballlehrer in die Bundesliga gelotst; er hat für fast 44 Millionen Euro neue Stars verpflichtet, von denen die teuersten nicht ansatzweise funktionieren. Was Millionen-Flop Mario Mandzukic, Königstransfer Diego oder WM-Teilnehmer Simon Kjaer gegen einen Zweitligisten versuchten, wirkte bisweilen stümperhaft, ja lächerlich.“ Das Motto heißt nun: „Entlastung statt Entlassung. Den Stuhl räumen müssen andere. ‚Die Spieler wollen nicht aus ihrer Komfortzone heraus.’ Als erste Maßnahmen dürfen der Algerier Karim Ziani und der Brasilianer Caiuby nicht mehr mit den Profis trainieren − die zwei waren jedoch nur Randfiguren. Dazu wird ein ganzes Maßnahmenbündel geschnürt; Freiheiten der Profis werden beschnitten.“

Frank Schacht (Welt Online) sucht nach Gründen für den Absturz des VW-Klubs: „Die Entscheider des Volkswagen-Konzerns hatten den langjährigen Manager von Hertha BSC Berlin an den Mittellandkanal gelockt, um einen Mangel an Fußball-Kompetenz in ihrem Haus zu beheben. Als Chef der Geschäftsführung der VfL Wolfsburg Fußball GmbH, die VW als Hauptsponsor mit Geld im Überfluss ausstattet, soll er Strukturen für dauerhaften Erfolg schaffen. […] Es bleibt abzuwarten, ob es bei leeren Drohungen bleibt oder die Macher in Wolfsburg nun endlich durchgreifen. Fakt ist: McClaren hat ein halbes Jahr lang vergeblich versucht, aus dem multikulturellen und teuren Ensemble des VfL eine Mannschaft zu formen. Und bei der wichtigsten Personalie, nämlich der des Spielmachers, ist offenbar ein grundlegender strategischer Fehler gemacht worden. Sie haben den nörgeligen Zvjezdan Misimovic, von dessen Vorlagen das auf die Angreifer Grafite und Edin Dzeko zugeschnittene Spiel lebte, ziehen lassen. Der Versuch, mit Diego einen begnadeten Dribbelkünstler die Arbeit von Misimovic fortführen zu lassen, ist jedoch von wenig Erfolg gekrönt. […] seine Auffassung von Fußball passt kaum zu der von Grafite und Dzeko, die mit schnellen Bällen versorgt werden wollen. […]“ Im Moment scheint es keine schnelle, bessere Lösung zu geben, wohl auch, „weil man in Wolfsburg ein Deja-vu-Erlebnis vermeiden will. Nach Hoeneß Amtsantritt vor einem Jahr hatte man zwei Spiele nach der Winterpause Trainer Armin Veh entlassen – um am Ende Achter zu werden.“

Das Unvermögen, etwas richtig auszudrücken

Mathias Koch (Tagesspiegel) verweist nach den Pokalsieg über Wolfsburg auf den gefährlichen Wahnsinn in der Lausitz: „Claus-Dieter Wollitz blieb der Jubelarie fern. Mit den Fans aus Cottbus, die am Mittwochabend mehrere Feuerwerkskörper gezündet hatten, wollte er nichts mehr zu tun haben. Stattdessen kritisierte er die eigene Fanszene hart. Vergleichbares hat es in Deutschland wohl noch nicht gegeben. Das mache so keinen Spaß mehr, sich bei jedem Auswärtsspiel zu schämen, sagte Wollitz. Am Ende glaube er, dass das bewusst gegen sie und seine Person gemacht werde.“ […] Sein Vertrag läuft im Sommer aus. „Wollitz spricht über ein mögliches Ende seines Engagements in der Lausitz, vielleicht kokettiert er auch damit. Bei der impulsiven Art, die der Cottbuser Coach an den Tag legt, ist es manchmal schwer, das zu unterscheiden. Zumal es nicht das erste Mal ist, dass der 45-Jährige derlei Andeutungen verbreitet, obwohl er doch in Cottbus maßgeblich für den seit einiger Zeit vorgetragenen erfrischenden und erfolgreichen Fußball verantwortlich ist. […] Seit sich der Trainer vor ein paar Monaten für einen Verkauf der Namensrechte vom Stadion der Freundschaft aussprach, darf die Beziehung zum Anhang als gestört bezeichnet werden. Es rumort heftig. Die vorerst letzte Episode dessen konnte man in Wolfsburg beobachten, wo Wollitz in der Halbzeit zu den Cottbuser Zuschauern gestiefelt war, um sie wild gestikulierend zurechtzuweisen. Er habe sie gefragt, ob sie wahnsinnig seien. Ihre Leistung werde durch die Feuerwerkskörper zerstört, […] Warum wohl habe ihr Hauptsponsor gekündigt?“

Kap des Trainers (via Amazon)

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