indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ballschrank

Kirch-Zahlungen

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Kirch-Zahlungen

Roland Zorn (FAZ 18.3.) kommentiert die verdeckten Kirch-Zahlungen. „Warum wurden die Abmachungen zwischen den Münchner Bayern und Kirch, zwischen Jürgen W. Möllemann und Kirch, zwischen Fedor Radmann und Kirch, zwischen dem DFB und Kirch stets unter dem Siegel der Verschwiegenheit getroffen? Jetzt ist der Konzern insolvent, und es kommt heraus, daß Kirch vermutlich über 150 solcher Geheimabkommen geschlossen hat. Verträge, die mit einem Generalverdacht beargwöhnt werden: dem nämlich, daß Kirch damit vor allem gut Wetter für die eigene Firmenpolitik machen wollte. Den Soupcon des lohnenden Lobbyismus zu entkräften dürfte denen, die jetzt nach Erklärungen suchen, schwerfallen. Wofür Kirch manchmal viel Geld bezahlte, stand nach allem, was bekannt wurde, in einem seltsamen Gegensatz zu den dafür eher verschwommen definierten, oft weniger wertvollen Gegenleistungen. Der Münchner Medienunternehmer machte sich jedenfalls, als er noch groß und mächtig war, viele Freunde, auf die er zählen wollte, wenn es galt, ein gutes Wort für die Firma einzulegen. Besonders unangenehm ist die jüngste Enthüllung für den früheren DFB-Ligadirektor und Geschäftsführer der Wirtschaftsdienste, Wilfried Straub. Der 63 Jahre alte Hesse ist heute Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Fußball Liga (DFL) und hat in dieser Funktion auch den der Öffentlichkeit jahrelang vorenthaltenen Pakt zu prüfen, den die Bayern mit Kirch schlossen, ehe sie von entschiedenen Befürwortern der dezentralen Bundesliga-Fernsehvermarktung zu eindeutigen Anhängern der Zentralvermarktung wurden. Ob und wie die Münchner hierfür im nachhinein zu bestrafen wären, soll der nach den Erkenntnissen vom Wochenende wohl befangene Straub mitentscheiden. Ein Unding. Dabei stand gerade die Integrität Straubs als persönlich unabhängiger Sachwalter der Interessen des deutschen Profifußballs bisher nie in Frage. Sollte sie jetzt, und sei es nur leicht, beschädigt worden sein, wäre dem in Ehren ergrauten, innovativen Gedankenguts unverdächtigen Wilfried Straub zu wünschen, daß er in absehbarer Zeit auch eine zweite Konsequenz zöge: in den Ruhestand zu gehen.“

Aus dem Unterhaus

Thomas Kilchenstein (FR 15.3.) porträtiert Jörg Berger. „Jetzt ist der Mann, der mal der Feuerwehrmann der Ersten Liga war, nur dankbar. Dankbar für jeden Tag, für jede Woche, dankbar, dass dieser Kelch an ihm vorbeigegangen ist. Jetzt will er was zurückgeben. Er, der wie viele lax mit Vorsorgeuntersuchungen umgegangen war, engagiert sich nun stark für die Kölner Krebsstiftung Lebenswert, er tritt in Talkshows auf und rät dringend zur Vorsicht. Jedes Jahr sterben 30.000 Menschen an Darmkrebs, das ist ein volles Stadion. Viele könnten überleben, wenn der Krebs rechtzeitig entdeckt würde. Seine Appelle, die mehr fruchten, weil er prominent ist, haben bereits zwei Menschen das Leben gerettet. Auf seine Initiative hin waren sie zur Vorsorge gegangen, es wurde Krebs festgestellt – und erfolgreich operiert. Jörg Berger hat es noch einmal geschafft, ich bin gesund, so weit man das sagen kann, im März steht die nächste Kontrolluntersuchung an. Zehn Tage nach seiner Operation hat er die Uni-Klinik Köln verlassen, am 7. Januar dieses Jahres ist er mit seiner Mannschaft ins Trainingslager gefahren, in die Türkei nach Belek. Am ersten Rückrundenspieltag Ende Januar, gegen den SC Freiburg, stand Berger wieder an der Linie, schön, dass du wieder da bist, hat ihn Volker Finke begrüßt. Es ist ihm heiß und kalt den Rücken runtergelaufen. Auch als er die zahllosen Briefe und Faxe körbeweise erhalten hatte von Menschen, die ihn gar nicht kannten, vor allem aus Frankfurt, Aachen und aus Schalke, die ihm Mut machten, Hoffnung gaben, eine Stütze waren. Der Fußball, findet er, ist eine große Gemeinschaft. Jörg Berger ist zurück im Leben, zurück in der Mühle. Aber sie macht ihm Spaß, wieder Spaß. Es ist ein anderer Spaß als vor dem 8. November. Die Werte haben sich verschoben. Schicksalsspiele gibt es keine mehr für ihn, das Leben hat sich verändert für ihn, er ist gelassener geworden, vielleicht auch ruhiger. Aber nicht weniger ehrgeizig: Gegen die Eintracht habe ich noch nie verloren, das ist ein gutes Pflaster für mich. Das wichtigste Spiel hat Jörg Berger eh schon gewonnen.“

Zur Lage beim MSV Duisburg heißt es bei Roland Leroi (SZ 17.3.). „Wenn es Walter Hellmich gut geht, dann raucht er gerne eine dicke Zigarre. Meist stammen die aus dem Fundus von Rudi Assauer. Dem Manager von Schalke 04 errichtete Hellmich in seiner Funktion als Bauunternehmer neulich die Vorzeige-Arena AufSchalke. Seitdem hat Hellmich nur noch selten geraucht. Der 58-Jährige ist seit einem knappen Jahr Vorsitzender des Zweitligisten MSV Duisburg und hat es sich langfristig zum Ziel gesetzt, mit seinem Kumpel Assauer auf sportlicher Ebene gleichzuziehen. Davon trennt ihn momentan eine ganze Menge. Der MSV hat sich nach einem mäßigen Rückrundenstart im Mittelmaß der zweiten Liga festgefahren, und die Aufbruchstimmung, die Hellmich bei seinem Amtsantritt mitbrachte, hat mittlerweile eher die Wirkung einer Abrissbirne. Deshalb reagiert er auch zunehmend trotzig, wenn er auf die Defizite in seinem Verein angesprochen wird. „Auch wenn es heute keiner glaubt: Der MSV hat in der nächsten Saison eine Mannschaft, die um den Aufstieg mitspielen kann“, sagt der Mann, der 1997 für sein soziales Bauengagement in Ostdeutschland das Bundesverdienstkreuz am Bande erhielt. In Duisburg haben sie ihm vor zwei Monaten nur einen Karnevalsorden verliehen. Damals durfte der MSV immerhin vom Erstliga-Comeback träumen, als die Mannschaft als Tabellensiebter mit sechs Punkten Abstand zu Platz drei überwinterte. Seitdem wurde nur noch ein Sieg verbucht. Trainer Norbert Meier, der erst im Januar die Nachfolge von Interimstrainer Bernard Dietz antrat, muss sich das immer wieder vorrechnen lassen. Unter Dietz holte der MSV in sechs Spielen 15Punkte, Meier brachte es in acht Versuchen nur auf sechs Zähler. Zudem gab es Knatsch um den zur Rückrunde verpflichteten Vasile Miriuta. Der Mittelfeldspieler, der schon bei Energie Cottbus seinen Starstatus genoss, brachte nicht den versprochenen Erfolg, wurde mehrfach ausgewechselt und muckte öffentlich gegen Meier auf. Miriuta, dessen geringer Bewegungsradius auch aus dem Mannschaftskreis kritisiert wurde, musste daraufhin auf die Reservebank und 2000 Euro Strafe zahlen. Für Duisburger Verhältnisse ist das eine Menge. Erst am vergangenen Freitag, als der MSV bei LR Ahlen ein 0:0 erreichte, durfte Miriuta wieder 90 Minuten lang spielen. „Vasile hat sich gut bewegt und der Mannschaft geholfen“, stellte Meier fest und lobte den zuvor in Frage gestellten „überragenden Teamgeist“. Meier muss Argumente sammeln, um Volkes Zorn einzudämmen. Die Fans skandieren schon seit Wochen: „Und wir wollen keinen andern außer Dietz.“ Dietz dreht sich bei derlei Ovationen angewidert weg. Er hat dem Profifußball bereits mehrmals abgeschworen und will nur noch die Amateure des MSV trainieren. Außerdem ist Dietz von Meier, den er als seinen Nachfolger vorschlug, überzeugt, weil der „ein Arbeitstier“ sei.“

Thomas Kilchenstein (FR 18.3.) beleuchtet die Stärke von Eintracht Frankfurt. „Dass Eintracht Frankfurt Tore schießt, wenn auch nicht viele, und somit eine sehr respektable Rolle spielt in dieser Runde, hat auch damit zu tun, dass die Mannschaft inzwischen Sachen beherrscht, die früher für sie Bücher mit sieben Siegeln waren: Standards zum Beispiel. Standards werden jene Situation im Spiel genannt, in denen der Ball ruht und geplant in diese oder jene Richtung getreten werden kann, Ecken und Freistöße. Im Anschluss an diese Standards erzielten die Frankfurter vier ihrer letzten fünf Tore, in Duisburg fielen die Treffer jeweils nach Eckbällen, gegen Karlsruhe (zum 2:0) und jetzt gegen Aachen jeweils nach Freistößen. Das ist insofern bemerkenswert, als Eintracht-Spieler lange Zeit dafür bekannt waren, harmloseste Eckbälle und ungefährlichste Freistöße zu schießen. Ex-Trainer Horst Heese hat dafür gar einen Begriff kreiert: Schmusebällchen. Viele Spiele werden über Standardsituation entschieden, sagt Eintracht-Trainer Willi Reimann. Jede Ecke, jeder Freistoß sei demnach eine Torchance, weswegen der Eintracht-Coach auf die stete Verfeinerung dieser Technik achtet. Ein, zwei Tage vor dem Spiel intensiviert der Fußballlehrer die Übungen mit dem ruhenden Ball, dann werden die Pappkameraden aufgestellt und Freistöße geübt. Mit Erfolg: Ervin Skela zirkelte am Sonntag den Ball aus 20 Metern wunderschön ins Tor. Die Standards sind extrem wichtig, findet auch Alex Schur. Vor allem, wenn keiner aus dem Spiel heraus ein Tor schießen kann, vor allem dann, wenn die Stürmer verletzt auf der Tribüne sitzen.“

Der Trend im Amateurfußball geht zum Kunstrasen Gießener Anzeiger

Diskussion um WM-Logo

Anlässlich der Präsentation neuer Vorschläge für ein WM-Logo fasst Gerhard Matzig (SZ 15.3.) die Diskussion zusammen. „Es sind in jedem Fall die Chiffren, die die Welt bedeuten – da sie die Welt deuten. Wer dazu „No Logo!“ sagt (wie das die Autorin Naomi Klein unter eben diesem Titel sehr erfolgreich getan hat), der schafft auch selbst ein Logo. Es gibt kein Entrinnen vor den Bildern. Auch deshalb wirken die Szenen vom November vorigen Jahres so stark nach. Damals wurde das WM-Logo vom Kulissen- und Zeremonienmeister André Heller „auf Schalke“ feierlich inthronisiert. (Beckenbauer: lobend. Blatter: lobend. Die Welt: lachend.) Aber womöglich ist das ja sogar ein Hinweis darauf, dass das Logo auf absurde Weise bestens funktioniert. Es ist zwar von erlesenem Dumpfsinn, es ist ein einziges infantiles Lallen im Reich der Zeichensprache, es ist das vielleicht dümmste Zeichen der Welt – aber es ist bereits heute bestens bekannt. Das Erstaunen darüber hält sich jedoch in Grenzen: Logo ergo sum. Das Dasein aber ist nicht schon deshalb falsch, weil das Design darin nicht richtig ist. Andererseits: 500 Millionen Menschen, das sagt man sich in den Design- Zirkeln, hatten im Jahr 2002 das WM-Finale zwischen Brasilien und Deutschland am Bildschirm gesehen. 500 Millionen Augenpaare hatten sich auch das dazugehörige Design-Produkt, das Signum der Spiele, betrachtet. 500 Millionen Mal habe man vom Wesen des Logos auf das Wesen der Gastgeber (Japan und Südkorea) geschlossen. Folglich müsse man sich jetzt schon fürchten vor den millionen-, ja milliardenfachen Deutschland-Assoziationen, die sich in Westaustralien, Grönland oder China angesichts des 2006-Emblems einstellen werden. Wobei die Vermutung einer brasilianischen Tageszeitung noch zu den charmantesten Interpretationen dieses Zeichens zählt. O Globo sah in den „celebrating faces of football“ so etwas wie Smileys „auf Ecstasy“. Gemeint sind jene vier auf benettonbunte Weise geblähten Lach-Ballons, die einerseits die Zahl „2006“ repräsentieren sollen und andererseits ein vor Spaß beim Fußball, glänzenden Wirtschaftsdaten und herausragenden Pisa-Ergebnissen sich halbtot lachendes Schunkeldeutschland. Es ist bestimmt gut, dass wir noch ein paar andere Designer haben. Gut aber auch, dass wir noch ein paar andere Probleme haben.“

Markus Völker (taz 15.3.) meint dazu. „Wer kann sich noch an das Logo der letzten WM in Japan und Korea erinnern? Die Wenigsten. Was man also den drei Grinseköpfen vorwerfen kann, ist, dass sie sich nicht dezent im Hintergrund halten, dass die Öffentlichkeit nicht indifferent darauf reagiert und damit das Logo auch nicht die verblassende Präsenz einer Einweg-Zeichnung ausüben kann. Statt eines Palimpsests ist, uups, ein Markenzeichen kreiert worden. Im krampfigen Bemühen, den von der wirtschaftlichen Depression geplagten Deutschen ein notorisch heiteres Gemüt unterzujubeln, ist aus unauffälligem Normalo-Design ein logoistischer Hotspot geworden. Nun stehen nicht mehr nur drei harmlose Lachsäcke zur Diskussion, sondern das Wohl und Wehe einer ganzen Nation, die vermittels einer Zeichnung äußerst emotionalisiert über ihr Selbstverständnis diskutiert. Drei Jahre Lächerlichkeit im Vorfeld der WM sind kein gutes Zeichen. Das kann keiner ertragen, heißt es von den 11 Designern. Solch ein Logo könne Identität stiften und ein neues nationales Zusammengehörigkeitsgefühl evozieren, sagen sie. Aber das ist nicht Aufgabe eines WM-Logos, welches sich, um nicht provokant zu sein, hinter den echten Markenzeichen der Globalisierung zu verstecken hat. Das macht die Smarties-Familie nicht. Das ist doch was! In Wahrheit sind die drei heimliche Globalisierungsgegner. Gut gemacht, Fifa!“

Henning Harnisch (taz 15.3.) hingegen bemerkt. “Das lächerliche Logo schafft zunächst nur eins: Es schafft das Bedürfnis zu diskutieren. Deshalb muss man eigentlich auch froh sein, dass das Logo so und nicht anders aussieht. Wie sieht es denn aus? Eine Vorbemerkung: 1972 wurde die BRD unter dem luftigen Dach des Münchner Olympiastadions bunt. Sie wurde so bunt, wie der reproduzierbare Regenbogen der damaligen Zeit Farben fassen konnte; oder, anders gesagt, sie wurde so bunt, wie sich die schwule Subkultur noch heute zu erkennen gibt. 31 Jahre später schaue ich auf ein Logo und sehe: das farbige Innenleben der Solero Shots von Langnese. Ich habe es ja geahnt, sie sind verstrahlt, diese Eistropfen aus der Tube. Was ich bisher nicht wusste: sie spielen da drinnen, sie reiben sich, Farbe an Farbe, Gott, sind die witzig. Computererzeugte Happynese. Ja und, wo liegt denn da das Problem? Genau, das frage ich mich gerade selber. Jede Zeit hat doch die Oberflächen, die sie verdient und generieren kann. Das Problem liegt wohl eher darin, dass ich auf das erste sichtbare Zeichen für die in dreieinhalb Jahren in diesem Land stattfindende Fußball-WM gestoßen bin und (unfreiwillig) eine erste Ahnung von der drohenden Gesamtinszenierung bekomme. Diese Kreismeisterschaft war ja erst der Anfang. Was noch, unvermeidlich, kommen wird: das Maskottchen. Der Song. Die Plakate. Der Trailer…“

Finanzkrise des Qualitätsjournalismus

Herausgeber Frank Schirrmacher (FAZ 17.3.) bemerkt. „In einem wahrhaft evolutionären Prozeß hat sich in den vergangenen Jahren bei den deutschen Qualitätszeitungen eine wachsende und immer umfassendere intellektuelle Kompetenz herausgebildet. Die Zeitungen übernahmen sogar Aufgaben, die früher Fachpublikationen vorbehalten waren, ersetzten publizistische Organe und Institutionen, die nicht mehr finanzierbar oder massenfähig waren. Wie die Leimruten die Fliegen, so fingen sich in den Nischen der Redaktionen und Ressorts noch die seltensten Grillen und Schmetterlinge, kleine Kostbarkeiten in der Woche und am Samstag und Sonntag. Dieser Prozeß verlief synchron mit der beispiellosen Verflachung durch das Privatfernsehen einerseits und den monothematischen Konzentrationsbewegungen in der Publizistik à la WAZ andererseits. Enzensbergers Satz, ein Weltkonzern wie Bertelsmann habe im Laufe seiner ganzen Geschichte keinen einzigen Schriftsteller entdeckt oder durchgesetzt, läßt sich erweitern auf intellektuelle und politische Themen überhaupt. Die Arbeitsteilung funktionierte bislang reibungslos: Drei bis vier unabhängige überregionale Medien formulierten und animierten den politischen, wirtschaftspolitischen und intellektuellen Diskurs – anders als das staatlich subventionierte Fernsehen als einzige marktwirtschaftlich operierende und deshalb die Bedürfnisse des Landes spiegelnde Institutionen. Das steht auf dem Spiel (…) Neben Preis, redaktionellem Aufwand und der Frage, wer zu der Elite gehört, die Qualität erkennt und würdigt, stellt sich die Frage nach dem Wert von intellektueller Kompetenz an sich. Unzählige Zeitungen und Zeitschriften in diesem Lande, unzählige Internetforen und Newsgroups leben, bewußt oder unbewußt, von den Voraussetzungen, die täglich von den wenigen überregionalen Qualitätszeitungen, ihren Redakteuren und Korrespondenten geschaffen werden. Entpuppt sich dieses System als nicht mehr gewollt oder finanzierbar, dann schlägt sich der Substanzverlust sofort bis ins letzte Glied der intellektuellen Verwertungskette nieder. Die Qualitätszeitungen leiden nicht, weil sie zuviel Qualität produziert haben. Sie leiden, weil die Anzeigen fehlen. Ihr Dilemma ist, daß sie von denen, die in Deutschland mit Zeitungen noch Geld verdienen, nur begrenzt lernen können. Wo Qualität als Rationalisierungs- und Effizienzhindernis gilt, versagt die Expertise noch des wirtschaftlich aufgeklärtesten Redakteurs (…) Qualitätsjournalismus lebt von Individuen, auch von Selbstbewußtsein, auch davon, daß Intellektualität gesellschaftlich über Einfluß verfügt – und sei es der subtile Einfluß, der sich intellektueller Einschüchterung verdankt. Nie war die berühmte machtgeschützte deutsche Innerlichkeit, das heißt: Gedankenreichtum und innere Freiheit, historisch reifer als in den großen überregionalen Organen. Sie sind in unserer medial-oralen Plappergesellschaft der einzige, der allerletzte Ort, in dem sich schriftsprachliche, das heißt: literarische Intelligenz überhaupt noch entfalten kann. Das heißt: jenes Minimum an Überprüfbarkeit, Logik, konsekutivem Diskurs, den Fernsehen und Internet vereiteln. Diese Tradition steht vor Beeinträchtigungen. Gewiß: Der Untergang des Abendlandes steht nicht bevor. Aber es könnte sein, daß irgend etwas oder irgendwer diesem Land einen Teil seiner Seele raubt.“

Die Krise der Tageszeitungen Spiegel

Portrait des Perlentaucher, einem Verwandten (oder besser: einem Vorfahren) des indirekten freistosses SZ

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Joachim Göres (FR 15.3.) beschreibt die Rassismusdiskussion in Hannover. „Vor allem farbige Spieler leiden unter Rassismus. Die ehemaligen 96-Profis Gerald Asamoah und Otto Addo wurden 1997 in Cottbus beschimpft und mit Bananen beworfen. Als beim Spiel gegen Leverkusen der Stürmer Idrissou den Ball verlor, schrie ein 96-Fan: ,Geh zurück in den Urwald!‘ Wichtig ist, dass man dazu deutlich seine Meinung sagt, meinte ein Fan unter dem Beifall der 200 Besucher. Nach Auskunft von 96-Fan-Betreuern kommen vor allem von Jugendlichen in einem bestimmten Stadionblock solche Sprüche. Spieler, die nicht auf der Bank sitzen, sollten in diese Blöcke gehen und den Fans deutlich machen, was sie davon halten. In England ist das schon lange üblich, und seitdem haben dort rassistische Äußerungen nachgelassen, sagte der Sportsoziologe Gunter Pilz. Seiner Meinung nach sollten Spieler häufiger in Schulen gehen: Sie haben starken Vorbildcharakter, gerade auch für Migrantenkinder. Sie können zeigen, dass Menschen aus verschiedenen Nationen gut miteinander zusammenleben können. Pilz kündigte an, dass Profivereine künftig nur noch eine Lizenz erhalten werden, wenn sie sich aktiv gegen Rassismus einsetzen.“

Gewinnspiel für Experten

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