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77 Quadratmeter große Loge im Stadion an der Stamford Brige

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für 77 Quadratmeter große Loge im Stadion an der Stamford Brige

Wer ist Favorit in England? Christian Eichler (FAZ 16.8.). „Roman Empire, Römisches Reich, ist einer der Spottnamen, die Chelsea in Anspielung auf den Vornamen des neuen Bosses erhielt. Reiche Leute, die sich ihr zirzensisches Vergnügen viel kosten lassen, gab es schon im alten Rom. Auch im modernen Fußball ist so etwas gang und gäbe, nicht nur in Amateurligen, wo sich mancher Präsident für sein Schwarzgeld schon schöne Hobbymannschaften geleistet haben soll. In England investierte Jack Walker rund hundert Millionen Pfund in die Blackburn Rovers – die wurden 1995 Meister und stiegen, als die Quelle versiegte, 1999 ab. In Italien spendierte Sergio Cragnotti bei Lazio Rom über 400 Millionen Euro, bis er 2000 ein Meisterteam hatte, das seitdem zerbröckelte, weil der Klub in der vergangenen Saison fast pleite war. Ob es Chelsea ähnlich ergeht? Beim Spiel in Liverpool zum Auftakt der Premier League am Sonntag wird es der normale Fan eher mit dem Rekordmeister als mit der Rubeltruppe halten. Die kleinere Konkurrenz reagierte erfreut auf Chelseas Einkaufstour, weil frisches Geld den Kreislauf wiederbelebte, die größere aber verärgert, weil die Ölmillionen manche Preise verdarben – beinahe auch den des FC Bayern für Roy Makaay, für den Chelsea 21 Millionen Euro bot. Was alle eint, ist die Erleichterung, daß Chelsea die ganz großen Namen wie Raúl oder Henry nicht bekam, also doch etwas zu existieren scheint im Fußball, das nicht käuflich ist; und natürlich die hämische Erwartung der Schwierigkeiten, aus einem auf 26 Fußballstars aufgeblasenen Betrieb ein Team zu formen. Für Spötter heißt der FC Chelsea schon FC Chelski, oder auch FC Cash-flow. Der 36 Jahre alte Abramowitsch, der zugleich Gouverneur der menschenarmen Provinz Tschukotka am Ende Rußlands ist, 14 Flugstunden von London entfernt, wird allein für die Fusion seiner Firma Sibneft mit dem Ölriesen Lukoil mehr als 700 Millionen Euro kassieren. Und weil er bei Chelsea Spaß sucht und die Champions League gewinnen will, dürfte der Klub noch für Überraschungen gut sein. Popstar Robbie Williams hat sich erwartungsfroh eine 77 Quadratmeter große Loge im Stadion an der Stamford Bridge gemietet, zehn Jahre für 14 Millionen Euro. Mit erstklassigem Blick auf das Experiment, ob der sibirische Gegenentwurf zur spanischen Weltauswahl gelingt. Wer so hoch spielt, hat nur zwei Möglichkeiten: Er wird ein zweiter FC Real – oder der erste FC Rubelgrab.“

Raphael Honigstein (taz 16.8.) freut sich auf den Saisonstart. „Heute ist es endlich so weit: Der Rubel, pardon, der Ball rollt wieder in der englischen Premier League. Seit Roman Abramowitsch im Juni mit über 200 Millionen Pfund an Bord seines Privatjets in Heathrow landete, sind die Karten neu gemischt, die Machtverhältnisse auf der Insel neu geordnet. Arsène Wenger, der kluge Fußballprofessor, hatte das ja schon im Sommer 2002 vorhergesagt, auch wenn er damals noch den eigenen FC Arsenal als Hegemonialmacht der kommenden Jahre identifiziert hatte. Dass im Mai doch wieder das unersättliche Manchester United den Titel holte, konnte der Franzose noch gerade verkraften, doch diese Saison wird ihm sogar die Vorherrschaft in der eigenen Stadt streitig gemacht. Ausgerechnet die Londoner Rivalen vom FC Chelsea pumpen Abramowitschs Petro- und Aluminiumdollars mit einer Vehemenz in den brachen Transfermarkt, dass es einem schwindlig werden kann. Claudio Ranieri durfte für 75 Millionen Pfund sieben neue Spieler holen. Und bis Ende des Monats sollen noch der bei Real Madrid wegen Unterbezahlung im Trainingsstreik befindliche Claude Makelele, Edgar Davids oder Samuel Etoo kommen. So viel Kaufkraft hat beim Liga-Establishment für Neid und Wut gesorgt. Dass der FC Chelski (The Independent) trotz des absurden Geldregens mit einem nüchternen Plan zu Werke geht, macht es für die Konkurrenz nur noch schlimmer. Mit Joe Cole, Glen Johnson und Wayne Bridge hat Ranieri drei englische Jungnationalspieler geholt, die von ausländischen Spitzenkräften wie Juan Sebastian Verón, Geremi und Damien Duff geführt werden sollen. Abramowitsch stellt sich sein Team als Mischung von Real und United vor. Ob der Trainer aus dem hochgezüchteten Kader schon diese Saison eine echte Mannschaft formen kann, ist die große Frage, von der der Ausgang der Saison abhängen wird.“

Schön, daß es so was noch gibt!

Christian Eichler (FAZ 16.8.). „Und hier die erste Stellenanzeige dieser Ausgabe, ausnahmsweise schon auf Seite 28: Sie sind zwischen 18 und 33 Jahre alt, haben bereits internationale Erfahrungen gesammelt, beherrschen ein wenig Englisch und sind bereit, sich in umgerechneten Rubel bezahlen zu lassen. Tankkarte wird gestellt. Bitte schicken Sie Ihre Bewerbung an: Gouverneur R. Abramowitsch, Anadyr, Provinz Tschukotka, Rußland. Luftpost empfohlen. Keine Angst, liebe Fußballprofis, die mögliche Arbeitsstätte liegt nicht am Ort der Postanschrift, Beringstraße, gleich gegenüber von Alaska; dort ist nur der Chef zu Hause. Sein neuestes Geschäft betreibt er woanders: Stamford Bridge, London SW 6. Wer von dieser Adresse noch keine Post hat, sollte augenblicklich aktiv werden. Dieses Wochenende geht die Arbeit los, und selbst Herr Abramowitsch kann nicht jeden Tag einkaufen gehen. Zuletzt hat er die Herren Veron (22 Millionen Euro), Cole (10 Millionen) und Mutu (23 Millionen) erworben und damit die Ausgaben seines sommerlichen Einkaufsbummels auf weit mehr als 300 Millionen Euro erhöht: 210 Millionen für die Aktienmehrheit und Schuldenübernahme beim FC Chelsea, 110 Millionen für sieben neue Spieler. Aber noch bleiben dem zweitreichsten Mann Rußlands ein paar Milliönchen übrig, allein schon aus dem Taschengeld der letztjährigen Dividende seines Öl- und Gaskonzerns Sibneft. Sie brachte ihm eine halbe Milliarde Dollar. Der Ölpreis steigt, die Preise auf dem Fußballmarkt werden wohl folgen. Denn mancher Fußballprofi, der zuletzt das Gefühl bekommen mußte, überbezahlt, ja überflüssig zu sein, hat nun wieder verbesserte Verhandlungsbedingungen – so wie Claude Makelele, der nach einem Angebot von Chelsea erst mal die Arbeit bei Real Madrid niederlegte und mehr Gehalt forderte. Insgesamt mehr als 400 Millionen Euro soll der FC Chelski über die schon abgemachten Einkäufe hinaus in den vergangenen Wochen vorerst erfolglos für weitere Luxusspieler geboten haben. Darunter sind Namen wie Nesta, Davids, Vieira, Emerson, Henry, Raúl, Vieiri, aber auch ein 19 Jahre alter Spanier namens Fernando Torres, für den bei Atletico Madrid angeblich eine 40-Millionen-Euro-Offerte eingegangen ist. Schön, daß es so was noch gibt!“

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