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Bilanzkosmetik am Wirtschaftsstandort Sport

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Bilanzkosmetik am Wirtschaftsstandort Sport

Matthias Dell (FR 26.5.) sinniert über die rhetorischen Klimmzüge des bayerischen „Außenministers“ Rummenigge. „Denkt man sich den FC Bayern als Firma, war Franz Beckenbauer sowas wie der alte Chef, der mit seiner eigen Hände Arbeit – Weltmeister 1974, Weltmeister 1990, Weltmeisterschaft 2006 – den Laden aufgebaut hat und den solche Verdienste vor allen verbalen Pirouetten schützten, die er seither drehte. Karl-Heinz Rummenigge dagegen kann, obwohl er der deutsche Fußballer der achtziger Jahre war, den Schein des parvenühaften Juniors nicht abstreifen. Im Habitus des Wirtschaftsmachers schmückt er sich mit dem Vokabular des Managerwesens, das vermutlich nicht nur außerhalb von betrieblichen Leitungsebenen ziemlich hohl klingt. Die Kassengeschäfte am Stadiontor heißen da Gate-Revenues, die Bundesliga wird zum Produkt. Unfreiwillig komisch gerieten vor diesem Hintergrund Rummenigges Versuche, die Tatsache zu erklären, dass der FC Bayern in der diesjährigen Champions League in eine Falle gegangen war, die er sich selbst gestellt hatte. Das Schmerzhafte am sieglosen Vorrundenaus, schönredete Rummenigge, bestehe in der sportlichen Schmach und nicht etwa in den entgangenen Millionen, für deren Garantie die Champions League von den Münchnern innig befürwortet wird. Nur im Desaster spricht der Vorstandsvorsitzende der Fankurve aus dem Herzen: So sieht Bilanzkosmetik am Wirtschaftsstandort Sport aus. Für die neue Saison hat Rummenigge die Verpflichtung eines qualitativ hochwertigen Spielers angekündigt. Wohin eine Sprache führt, deren scheinbarer ökonomischer Sachlichkeit die Dinge entgleiten, die sie benennen will, werden wir wohl erst wissen, wenn aus den Lautsprechern des Münchner Stadions der Ruf ertönt: Die qualitativ minderwertigen Spieler bitte zum Duschen.“

Das Orakel vom TV-Stammtisch

Martin Hägele (NZZ 27.5.) resümiert die Berichterstattung über den Saisonabschluss. „In vielen Kommentaren steckt auch verdammt viel Hochmut; so hat der „Altmeister“ Udo Lattek in seine Gratulation an den Meistertrainer auch ordentlich Häme über dessen Karrierestart einfliessen lassen. Um einmal seine Titelbilanz zu erreichen, müsse der Ottmar noch ordentlich strampeln. „Er hat jetzt sechs Meistertitel, ich habe acht. Seine beiden Schweizer Meisterschaften zähle ich nicht, sonst müsste ich meine Titel mit der Universität Köln ja auch aufführen.“ So liess es das Orakel vom TV-Stammtisch in seine Kolumne schreiben – und wahrscheinlich war dabei auch ziemlich Ärger dabei, dass Bayer Leverkusen den alten Grantler nicht noch mal als Retter verpflichtet hat – ein Job, den nun Latteks ehemaliger Spieler Augenthaler erfüllt hat. Irgendwie muss das Finale dieser Runde vor allem die Nostalgiker getroffen haben. Es gab jede Menge Nachrufe auf Krassimir Balakow, Andreas Möller, Stefan Effenberg, Thomas Hässler und Mario Basler. Sicherlich gehört es zum Anstand, die Qualitäten jener Spielmacher noch einmal aufzurufen, die eine Generation geprägt haben, als die Bundesliga noch ein Wertsiegel war, aber wie traten sie zuletzt auf: Nur der Bulgare Balakow hat so aufgehört, dass ihn das Publikum (in Stuttgart) in guter Erinnerung behält. Alle anderen bewegten sich nur noch halbherzig durch die Szene, und man kann ihnen nur wünschen, dass ihr letzter Vorhang im Scheichtum Katar nicht in die Welt übertragen wird.“

See-me-feel-me-like-me-Reinhold-Beckmann

Michael Hanfeld (FAZ 26.5.) sah „ran, wo sie am Samstag geschlagene zehn Minuten brauchten, bevor das erste Mal ein Ball im Flug aufs Tor zu sehen war. Oliver Welke, dem Wigald Boning später am Abend im ZDF in einem seiner dadaistischen Porträts sich zum Weglachen komisch nähern würde, war aller Witz vergangen, kaum einen Hauch unterschied sich seine Miene von der des bartbajuwarischen Sauertopfs Paul Breitner. Doch was würden wir sie vermissen, wenn fortan der aufgekratzte Adept Gerhard Delling beim Oberlehrer Günter Netzer in Sachen Bundesliga vorspräche oder Waldi Hartmann nicht nur Olli Bierhoff (wie am Samstag in der Sportschau geschehen) diminiutierte? Gar nicht zu denken an See-me-feel-me-like-me-Reinhold-Beckmann. Ob man dagegen nicht ein Gesetz einführen sollte? Schließlich wird der Rundfunkstaatsvertrag eh jedes Jahr geändert. Wo waren wir? Bei Sat.1 und Werner Hansch – das Trübe auf der Mattscheibe ist das Spiel von Bielefeld – der seine kleine Taschenlampe weitergab nach Nürnberg und sagte: Am Ende läuft es darauf hinaus, daß wir alle sentimental werden. Wo sich ja auch so viele andere verabschiedeten (Balakow, Basler, Häßler, Möller, Preetz). Da halten wir es lieber mit Oliver Welke, dessen Schlußwort nach einem schön-schwarz-schwermütigen Abgesang auf diese Saison der Fußball-Bundesliga hieß: In diesem Sinne – bis bald.“

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