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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ballschrank

Bundesliga

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Bundesliga

vor dem brisanten Spiel Schalke-Bremen: „Anti-Schalke auf dem Weg ins Fußballglück“ (FAZ); „Rudi Assauer saß auf der Anklagebank der Liga und ging mit einem Freispruch erster Klasse hervor“ (FAZ) – Klaus Toppmöller, unglücklicher Trainer des Hamburger SVs, schmerzt die „Kluft zwischen Erwartung und Realität“ (SZ) – SZ-Interview mit Jorge Valdano, Sportdirektor Real Madrids, über seine Idee von Fußball und Bayern München – FR-Interview mit Hans Meyer, Trainer Hertha BSC Berlins u.v.m.

Wenn man nicht reich ist, muss man schlau sein, kreativ

Sehr lesenswert! Holger Gertz (SZ 21.2.) schreibt ein Feature über Werder Bremen, Tabellenführer: „Der Außenminister von Bremen hat seinen Sitz an einer großen, lauten Straße, Rembertiring 8, nicht weit vom Hauptbahnhof. Draußen rauschen die Autos an grauen Fassaden vorüber, während der Außenminister in seinem Büro erzählt, was er alles gut findet an Bremen. Eigentlich ist Willi Lemke Senator für Bildung und Wissenschaft, aber Bremen ist ein Stadtstaat, mit der Betonung auf Staat. Ein Staat braucht aber einen Außenminister, und wer könnte den Job besser machen als dieser weit gereiste, wortmächtige Mann in seinem wie immer perfekt sitzenden Anzug. Wer wäre ein besserer Bremer Außenminister als Willi Lemke, den jeder kennt im Staat, dem jeder Williii entgegenruft, wenn er Wahlkampf macht, in seiner Rolle als Seele der SPD, oder, wenn er eine Schule besucht, in seiner Funktion als Senator. Willi Lemke ist Marathonläufer, wie der richtige Außenminister, und er hat auch Ausdauer, wenn es darum geht, dieses Bremen zu verteidigen. Also, was ist hier gut? Zum Beispiel, sagt er, dass es keine Staus gibt. Seit dreißig Jahren lebt er hier, aber Staus wie in München, Hamburg, Berlin, die gibt es nicht. Da zieht sein Pressesprecher die Brauen hoch und sagt, grad neulich habe doch er, Lemke, in einem Stau gestanden. Ach ja, aber das war in der rush-hour, sagt Lemke, und außerdem war es eine absolute Ausnahme. Hmm, macht der Pressesprecher. Man einigt sich schließlich darauf, dass ein einziger Stau in dreißig Jahren wirklich nicht der Rede wert ist. Somit hat der Außenminister die Wahrheit gesagt. Willi Lemke trägt ein kleines Abzeichen am Revers, weißes W in grüner Raute. Er trägt es auch bei offiziellen Anlässen, das kleine W, dabei steht es nicht für Willi, sondern für Werder. Der Sportverein Werder Bremen, gegründet 1899, ist sein Verein, bei dessen Fußballern er 18 Jahre Manager war und jetzt im Aufsichtsrat sitzt. Er trägt das W dort, wo sein Herz bummert. Das W ist ihm Auftrag und Verpflichtung. Es liefert ihm die Bilanzen, mit denen er als Außenminister seiner Stadt, seines Vereins, dagegenhalten kann, wenn jemand von draußen, der die Stadt nicht kennt, sagt: Bremen? So arm, so klein, in allen Rankings so schlecht. Dann kann er von den neuen Uferpromenaden an der Weser erzählen, wie sich die Stadt zum Wasser hin geöffnet hat. Vom herausgeputzten Schnoor-Viertel, von den Theatern und dem neuen Space-Center, Europas größtem Erlebnispark. Und er kann auf das W tippen und sagen, das hier, das ist auch Bremen. Werder hat kein großes Stadion und nicht viel Geld. Wo andere Klubs auf ihren Trikots für Weltfirmen wie Telekom oder Arcor oder e-on werben, steht bei Werder die Marke Reno, Produzent von Schuhen und Accessoires des eher mittleren Preissegments. In Dortmund zahlen sie dem Team 57 Millionen Gehalt, in Bremen 23. Werder hat eigentlich keine Chance, deutscher Meister zu werden. Werder ist Erster, 9 Punkte vor den Bayern, 17 vor Dortmund. „Wer soll uns noch einholen?“ ruft Willi Lemke. Er sagt immer uns, wenn er Werder meint. „Wer soll uns einholen? Wer in Aachen im Pokal rausfliegt, wer gegen Frankfurt nicht über ein mickriges 1:1 hinauskommt, wer in Bochum verliert?“ In Aachen rausgeflogen ist Bayern München, gegen Frankfurt 1:1 gespielt hat Bayern München, in Bochum verloren hat Bayern München. Immer spricht Lemke von Bayern München, wenn er die anderen meint, die Reichen, die Arroganten, das hat er schon zu seiner Zeit als Manager getan, weshalb er sich mit dem Bayern-Manager Uli Hoeneß nicht besonders vertragen hat. Wobei diese Formulierung die Wahrheit sanft ummäntelt. Hat sich Ihr Verhältnis zu Uli Hoeneß inzwischen entspannt? „Wen meinen Sie?“, fragt er. Wünschen Sie sich mehr Anerkennung aus München für Werders Erfolg? „Nein, das habe ich aufgegeben.“ Vielleicht wird Lemke Bürgermeister, wenn Henning Scherf einen Nachfolger braucht. Wenn ein guter Politiker einer ist, der die Meinung des Volkes trifft, dann ist Lemke, wie er den Klassenkampf beschwört, ein hervorragender Politiker. Mit Bremen und München ist das nämlich schwierig. Erscheint zum Beispiel in einer Münchner Zeitung eine Glosse, in der ein paar angebliche Bremer Probleme aufgezählt werden, natürlich nur, um den tatsächlichen Glanz der Bremer Fußballer umso mehr schimmern zu lassen, kommen stapelweise Briefe aus Bremen, in denen zum Beispiel steht: „Selbst der SL-Roadster von Mercedes-Benz wird hier gebaut, in dem ihr in München auf euren Prachtstraßen herumkurvt.“ Oder: „Wir sind stolz drauf, in Bremen auch noch jenen Punks eine Nische freizuhalten, die im feinen München vor die Tore der Stadt gejagt werden.“ Also. Willi Lemke fasst zusammen: „Wenn wir es schaffen, mit unseren Mitteln den Großen eins auszuwischen, dann ist das über den Fußball hinaus ein Signal für die Bürger in Bremen.“ Wenn man nicht reich ist, muss man schlau sein, kreativ.“

Wir werden Schalke zeigen, daß sie gut eingekauft haben

Frank Heike (FAZ 21.2.) erwartet in Schalke motivierte Bremer: „Der Tag, als Werder glaubte, seine Zukunft verloren zu haben, erwies sich im nachhinein als Wunderwerk der Motivation. Niemals sind die Verantwortlichen in der Bremer Führung enger zusammengerückt als in den Wochen nach dem Schock. Kein böses Wort über Böhmert gab es. Aus Zorn wurde Trotz, aus Trotz wurde Stärke – seit dem 9. Oktober 2003 hat Bremen ein einziges Mal verloren. Neun Punkte Vorsprung hat Werder vor dem FC Bayern. Alle Befürchtungen, Ailton und Krstajic würden sich für Schalke schonen oder seien nicht mehr motiviert, ja gar schon zum Winter wechseln, traten nicht ein. Ailton traf nach Belieben und ließ die Kritiker und Bedenkenträger verstummen. Sportdirektor Klaus Allofs sah sich nach Ersatz für den besten Stürmer der Bundesliga um und wird ihn wohl in Miroslav Klose gefunden haben. Krstajic soll vom schon verpflichteten Bochumer Frank Fahrenhorst ersetzt werden. Werder stand als eine Art Anti-Schalke wie der moralische Sieger der Vorrunde da und stärkte diese Position der wirtschaftlichen Solidität jüngst noch, als man überzogenen Forderungen der Profis Lisztes und Klasnic nicht nachgab. Nun könnte es zum Treppenwitz der Bremer Fußballgeschichte kommen: Lisztes hat sich offenbar verpokert und hofft nun doch auf einen neuen Kontrakt bei Werder. Am Freitag wurde bekannt, daß Klasnic – angeblich ebenfalls heftig umworben von anderen Klubs – plötzlich doch eine Kehrtwende vollzog und weiter für Bremen spielen wird, vorerst bis 2007. In nur vier Monaten haben sich die Bremer von einem geplünderten Ausbildungsverein zum glänzend dastehenden Meisterschaftsfavoriten entwickelt. Man könnte fast sagen: Danke, Rudi Assauer! Natürlich sind Ailton und Krstajic in diesen Tagen gefragt worden, ob dieses Spiel für sie ein besonderes sei. Die beiden Bremer Profis haben längst gezeigt, für welchen Verein ihr Herz (noch) schlägt. Krstajic sagt: Wir werden Schalke zeigen, daß sie gut eingekauft haben. Ailton sagt: Natürlich werden wir ausgepfiffen. Wir sind schließlich Bremer. Die beiden wissen, welche Genugtuung sie ihren Fans mit einem Sieg in Gelsenkirchen verschaffen würden.“

Bürger des Ruhrgebiets

Richard Leipold (FAZ 21.2.) porträtiert Rudi Assauer, Manager Schalke 04s: “Wenn es den Nutzen des FC Schalke zu mehren gilt, weicht Rudi Assauer vor Konflikten nicht zurück. Seit der Revierverein in der Geldliga einen der vorderen Plätze belegt und beim Werben um Spieler mit attraktiven Gehaltsangeboten daherkommt, schimpft die Konkurrenz zuweilen über den Fußballimpresario aus Gelsenkirchen. In dieser Saison sind ihm besonders die Kollegen von Werder Bremen gram, deren Mannschaft an diesem Samstag als Spitzenreiter beim Tabellensiebten Schalke antritt. (…) Assauer saß eine Weile auf der Anklagebank der Liga und ging letztlich mit einem Freispruch erster Klasse aus der Affäre hervor. Zumeist macht es ihm nichts aus, für das Publikum die Rolle des Bösewichts zu spielen. Oft amüsiert es ihn sogar, wenn andere sich in diesem halbseiden anmutenden Busineß als Moralapostel aufspielen und ihn angreifen. Es gibt viel Neid in unserer Gesellschaft, sagt Assauer dann. Doch es klingt kein Selbstmitleid durch. Assauer gibt sich stolz; er hat sich den Unmut seiner Gegner hart erarbeitet, die sich so darüber ärgern, daß so ein Popelverein wie wir den einen oder anderen Spieler verpflichten können. So schmerzlich der Überraschungscoup für Bremen gewesen sein mag: Assauer hat weder Regeln verletzt noch gegen Gesetze verstoßen. Wir sind keine Räuber, die durch die Lande ziehen und Straftaten begehen, sagt er. Wenn die Deutsche Fußball-Liga, wie in der Bremer Angelegenheit geschehen, mit dem Gehabe einer Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ankündigt und alsbald wieder einstellt, zeigt der Schalker Manager sich so unbeeindruckt wie vom Gezeter irgendwelcher Vereinsvorstände. Dennoch hat der Streit mit Werder und vor allem mit dessen Aufsichtsratschef Franz Böhmert auf Assauers sonst gar nicht empfindlicher Haut eine Narbe hinterlassen, von der Assauer immer noch hofft, daß sie eines Tages ausheilen werde. Ich denke, das kriegen wir wieder hin. Sein Verhältnis zu Werder ist von besonderer Art und Güte. Erst seit der Sache mit Ailton steht die Beziehung unter dem Rubrum Kommerz mit Schmerz. Wenn es um Werder geht, ist Assauer nicht nur der öffentliche Macho, der mit einer Zigarre im Mund forsche Sprüche absondert. Assauer hat elf Jahre für Werder gearbeitet, erst als Spieler, später als Manager; dem aktuellen Werder-Trainer Thomas Schaf gab er seinen ersten Vertrag als Fußballprofi. Das war in den siebziger Jahren, in einer Epoche, die Assauer emotional vielleicht näher ist als das Geschäft der Gegenwart. In dieser Zeit ist dem überzeugten Reviermenschen, der kürzlich mit dem Ehrentitel Bürger des Ruhrgebiets ausgezeichnet wurde, Bremen zur zweiten Heimat geworden, da ist Herzblut dabei.“

Kluft zwischen Erwartung und Realität

Jörg Marwedel (SZ 21.2.) spricht mit einem unglücklichen Hamburger Trainer: „Eigentlich hat Klaus Toppmöller es wunderbar angetroffen. Aus seiner neuen Wohnung an der piekfeinen Elbchaussee sieht er den großen Strom. Er liebt diesen Blick auf die Elbe, denn es beruhigt und beflügelt gleichzeitig die Sehnsüchte nach der großen Welt. Auch deshalb zählt der Mann aus dem Moselörtchen Rivenich Hamburg zur „Crème de la Crème in Europa“. Wenn Toppmöller auf seine Arbeit in dieser Stadt angesprochen wird, bekommt das volle Gesicht kummervolle Züge. Die Mundwinkel ziehen sich dann leicht nach unten, und die Fröhlichkeit seiner Augen verliert sich irgendwo zwischen den Tränensäcken. Es wird dann schnell die Enttäuschung spürbar, die den Fußballlehrer, der noch vor knapp zwei Jahren mit Bayer Leverkusen im Champions-League-Finale gegen Real Madrid stand, an seinem neuen Arbeitsplatz ereilt hat. Hört man Toppmöller zu, scheint er einen einsamen Kampf zu führen: gegen die Genügsamkeit der Spieler, die sich „schon bei einem neunten Tabellenplatz alle auf den Buckel klopfen“; gegen die Unprofessionalität des Klubs, aus dem regelmäßig an die Öffentlichkeit lanciert werde, „wohin ich gerade fliege und welchen Spieler ich beobachte“; gegen die unfairen Medien, die ihn „von Anfang an unter Beschuss genommen“ hätten; und überhaupt gegen die Umstände, die so gar nichts mit seinen Phantasien vom vergangenen Oktober zu tun haben, als er „spontan und ohne viel Hintergrundwissen“ binnen 48 Stunden dem HSV zusagte. Bauchmensch Toppmöller entschied sich immer spontan für einen Klub, aber nie war die Kluft zwischen Erwartung und Realität so groß. Gewiss, er hatte von den 14,5 Millionen Euro Minus gehört, die der HSV im vergangenen Geschäftsjahr verbuchte. „In einer Weltstadt“, hatte Toppmöller trotzdem gedacht, „muss es doch möglich sein, drei Kracher zu verpflichten, das kann doch nicht am Geld scheitern.“ Statt dessen hat der Trainer lernen müssen, dass der HSV klamm ist und selbst für Nachwuchskräfte nicht die „Topadresse“, für die er den siebenmaligen Deutschen Meister noch immer gehalten hatte. Diese Woche versetzte ihn ein 19-jähriger Peruaner namens Jefferson Farfan, für den er eigens zum Länderspiel der Peruaner nach Spanien geflogen war – Toppmöller wartete am Flughafen vergebens auf den Spieler, den er zum Probetraining mit nach Hamburg nehmen wollte. In Peru heißt es, Werder Bremen habe gute Chancen, das begehrte Talent zu bekommen. (…) Zudem muss der Trainer auf den wichtigsten medialen Beistand verzichten: Weil er Bild die exklusive Zusammenarbeit verweigert, stichelt das Blatt regelmäßig gegen den Trainer und bietet den Spielern gern eine Plattform, sich – meist anonym – über ihn zu beklagen. So erschien mancher Konflikt in der Medienstadt Hamburg viel größer, als Toppmöller es bei seinen vorigen Stationen je erlebte. Bild machte bereits einen „Riss“ zwischen Coach und Team aus, und der Hamburg-Chef des Boulevardblattes stellte in einem Kommentar kühl fest: „Hamburg ist nicht Bochum oder Leverkusen.“ Der störrische Coach will sich gleichwohl „nicht verbiegen lassen“. Eher schlafe er „unter einer Brücke mit einer Flasche Rotwein“ und blicke sich „in einen zweimal zerbrochenen Spiegel ins Gesicht“.“

Ich glaube an die Reinheit des Spiels auf dem Platz

SZ-Interview mit Jorge Valdano, Sportdirektor Real Madrids, über seine Idee von Fußball und Bayern München

SZ: Señor Valdano, Bayern-Manager Uli Hoeneß hat 2003 gesagt, die Bayern seien die einzigen, vor denen Real Madrid „wirklich Angst“ habe. Zittern Sie?

JV: Der Uli weiß, dass Fußballer keine Angst haben, aber Bayern hat sich historischen Respekt erworben, und mit dem treten wir gegen sie an.

SZ: Was stört Sie an den Bayern? Deren Bilanz gegen Real ist auffällig gut. In bislang 14 Spielen zwischen beiden Klubs gab es neun Bayern-Siege.

JV: Der deutsche Fußball allgemein war mit seinen Stärken lange ein Albtraum für den spanischen Fußball. Das hat sich zuletzt geändert, bis hin zur vergangenen Saison, als Deportivo La Coruña die Bayern rausgeworfen hat.

SZ: In Madrid ist der FC Bayern inzwischen fast so verhasst wie der FC Barcelona, das liegt nicht nur am Widerstand auf dem Rasen.

JV: Wir haben halt oft gegeneinander gespielt, es gab wechselseitige Kommentare, das schafft bei den Fans Animositäten, ändert aber nichts an unserer Bewunderung für die Bayern und dem Respekt vor ihrer Führung. Rummenigge kenne ich schon vom WM-Finale 1986, Beckenbauer habe ich stets bewundert, er war der beste Libero aller Zeiten. Wir empfangen sie mit allen Ehren.

SZ: Bestimmt freuen Sie sich besonders auf Uli Hoeneß. Sie haben einmal gesagt, er sei beim FC Bayern dafür zuständig, dummes Zeug zu reden.

JV: Das ist Teil des Spiels der Journalisten. Ich bin dem Uli persönlich zugeneigt, die Begegnung ist ein spezielles Vergnügen. Er ist authentisch, ehrlich, provokant. Eine von den Persönlichkeiten, die als Fußballer geboren werden und als Fußballer sterben.

SZ: Ihr letzter Großeinkauf war der Engländer David Beckham, nach dessen Präsentation Hoeneß gesagt hat, das sei „ein Affentheater“. Inzwischen lobt er den Kauf als geniales Manöver. Wieso haben sich selbst Experten mit Beckham verschätzt? Neid?

JV: Das Image von Beckham ist so stark, dass manche vergessen, dass er Kapitän der englischen Nationalmannschaft ist. In Madrid hat er seine Stärken vom ersten Tag an bewiesen, mit Qualität und Quantität seiner Aktionen – wir wussten davon auch durch unseren neuen Trainer Carlos Queiroz, der Assistenztrainer in Manchester war.

SZ: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an einem guten Tag Beckham, Zidane, Figo, Ronaldo, Raul gemeinsam zaubern sehen? Ist das Show? Kunst? Oder das Ergebnis eines Geschäfts, bei dem niemand mehr mithalten kann?

JV: Wenn Real Madrid spielt, passieren in 90 Minuten Dinge, die es anderswo kaum zu sehen gibt. Zinedine Zidanes Tor gegen Bayer Leverkusen zum Beispiel, das vergisst kein Fußballfan. Aber Kunst macht beim Fußball nur Sinn, wenn sie effizient ist. Das sind Spieler, die das gute Image von Real projektieren und außerdem Spiele gewinnen. Sie arbeiten in einer Traumwelt, in der wahrhaftige Spiele gewonnen werden.

SZ: Und wie erträgt einer, der die Romantik predigt, das ständige Spektakel, mit PR-Tourneen bis nach Fernost?

JV: Ich glaube an die Reinheit des Spiels auf dem Platz, aber ich bin ein Mann dieser Zeit. Mir entgeht nicht, dass Fußball ein Teil der Unterhaltungsindustrie ist. Ich habe immer große Spieler, Offensive und Schönheit des Spektakels verteidigt.

Nee, nee, nee, nee!

FR-Interviewmit Hans Meyer

FR: Welche Rolle spielt persönliche Eitelkeit bei der Operation Klassenerhalt?

HM: Gehen Sie ruhig davon aus, dass Eitelkeit für mich eine absolut untergeordnete Rolle spielt.

FR: Ist Hertha BSC nicht noch ein wichtiger Karrierebaustein?

Nee, nee, nee, nee! Es geht hier um das, worum es bei mir eigentlich immer ging: Es ging um Zielstellungen in den niederen Ebenen. Es geht schlicht und einfach darum, die Klasse zu halten. Glauben Sie mir: Ich hätte durchaus genauso gut weiterleben können, wenn ich dieses halbe Jahr nicht mehr auf mich genommen hätte.

FR: Und das hat alles nichts damit zu tun, die eigene Lebensleistung zu komplettieren?

HM: Nee, nee, nee, nee! Meine Lebensleistung ist meine Familie: drei gesunde Kinder, acht gesunde Enkel. Das andere ist doch alles so subjektiv. Was meinen Sie? Wenn ich rausgehe und eine Umfrage mache – da werden viele bei dem Namen Meyer doch nur sagen: Hä? Und die, die sich für Fußball interessierten, werden sagen: Na, viel geleistet hat er nicht. Ich bin doch, wie übrigens so viele, nur einer von denen, die davon profitieren, dass dieser Fußball so herrlich populär ist. Stellen Sie sich vor, ich wäre genauso gut, genauso fleißig, würde mich aber mit Badminton beschäftigen – dann würde doch beim Namen Meyer auch der allerletzte fragen: Wer ist denn das?

FR: Gladbachs Trainer Holger Fach sagt: Abstiegskampf ist Existenzkampf. Die Spieler würden Wochenende für Wochenende um ihre Existenz spielen. Hat er recht?

HM: Das klingt für mich eindeutig zu überzogen. Wer so etwas sagt, der weiß nicht so recht, was es heißt, um seine Existenz zu kämpfen. Für den Fußball gilt tatsächlich: Momentan wird es ein bisschen schärfer. Der mittelmäßige Spieler kommt nicht mehr automatisch ganz leicht unter. Aber es bleiben doch genügend Mannschaften in diesem Profisystem, dass niemand im Wortsinne um seine Existenz kämpfen muss.

FR: Wie sieht es mit den Mechanismen im Abstiegskampf aus. Sind die Spieler anders, sorgenvoller?

HM: Nein, nein. Ich habe hier in Berlin bei der Arbeit mit der Mannschaft nichts anderes gespürt, als das, was ich bei allen Mannschaften spüre. Wir sind nicht disziplinierter, aber auch nicht undisziplinierter als andere. Die sensibleren Spieler unter uns, die sind bei Hertha BSC genauso zu finden wie in anderen Mannschaften.

FR: Also kein gesteigerter Druck?

HM: Keiner, der nur mit dem Abstiegskampf zusammenhängen würde. Der Druck auf das Milieu Fußball ist enorm: Die beiden Fälle, die Fußball-Deutschland im Herbst so beschäftigt haben: Sebastian Deisler und Jan Simak, die beiden sind nur Spitzen von einem Eisberg. Die Jungs kommen nicht immer psychisch mit dem klar, was um sie herum in einer so unglaublichen Weise vorgeht. Die Jungs sind zum Teil auch sensiblere Menschen, als man bei ihrem gesellschaftlichen Stellenwert annehmen könnte. Andererseits: Es gibt Hundertausende Menschen, die würden diesen Druck gern haben.

FR: War es für die Hertha ein Glücksfall, so früh in der Saison so tief gefallen zu sein. Da hatte der Verein noch genug Zeit, sich mit dem Abstiegskampf vertraut zu machen.

HM: Ich würde das nicht überbewerten, so wie man Statistiken nicht überbewerten sollte. Nach unserem Rückrundenauftakt in Bremen hat irgendein Boulevard-Blatt ausgerechnet, dass wir gar nicht mehr drin bleiben können – und nun, nach den Siegen gegen Stuttgart und in Freiburg, sieht alles ein bisschen freundlicher aus. Also: Ob der Zeitpunkt des Falls der richtige war, ob der Meyer der richtige war, das werden wir erst am 22. Mai wissen. Ich glaube, wichtiger ist die Frage, ob ein Trainer zu einer Mannschaft passt. Wenn Felix Magath im Herbst berechtigt zum Trainer des Jahres ausgerufen wird, weil er richtig Gutes leistet, dann stellt sich doch schon ernsthaft die Frage, warum das vorher in Bremen richtig gehend nicht gepasst hat.

FR: Und warum? Alles nur Zufall?

HM: Nein, nicht alles, aber auch. Nehmen Sie Huub Stevens hier, ein anerkannter Fachmann, als Mensch intakt. Und er kommt und hat zwei entscheidende Hypotheken: Er kommt vom Erzfeind Schalke. Und vor ihm macht Falko Götz als Interimstrainer einen Riesenjob – denkbar schlechte Voraussetzungen für Huub.

FR: Und die Medien waren auch nicht auf seiner Seite.

HM: Ach was. Es ist noch nie ein Trainer an der Presse gescheitert, auch ich nicht in Gladbach, als die Bild-Zeitung dreieinhalb Jahre ein Anti-Meyer-Szenario aufgebaut hat. Ein Trainer scheitert immer, wenn die Erwartungshaltung mit dem Leistungsvermögen der Mannschaft nicht übereinstimmt.

FR: Braucht es besondere Trainertypen im Abstiegskampf?

HM: Es ist sicher kein Nachteil, wenn den Job jemand macht, der Erfahrung hat. Immerhin muss man mit Jungs umgehen, die mehr oder weniger ihr Ego pflegen. Aber pauschal kann man das nicht sagen.

FR: Wenn es bei Ihnen schief geht, dann wird das auch noch einmal passieren. Da wird es dann heißen: Der Ossi hat es nicht geschafft.

HM: Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, was der große Aufhänger sein wird. Vielleicht wird es das Alter sein, vielleicht wird es der Ossi sein. Oder es wird heißen: Der Ossi war satt, finanziell satt!

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