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Die Revolution fällt aus

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Die Revolution fällt aus

“Die wohl von der ganzen Liga und weiten Teilen der Fußballnation ersehnte Fußballrevolution ist ausgefallen“, denn ein „souveräner FC Bayern schlägt Stuttgarts Himmelsstürmern die Pforte vor der Nase zu“. Auf diese Weise beschreibt die FR die Ernüchterung derjenigen Fußballfreunde, die vergeblich darauf gehofft hatten, der Emporkömmling VfB Stuttgart könne dem enteilten Tabellenführer aus München ein Bein stellen. Doch die Schwaben erhielten eine „Lehrstunde in Sachen Effizienz“ (FAZ) durch „eine eiskalte Dosis FC Bayern“ (SZ) und finden sich nunmehr nur noch im oberen Mittelfeld wieder.

Dahingegen verstärkt die Konstanz der Münchner die Befürchtungen von Beobachtern wie Verfolgern, die Meisterschaft könne bereits zum jetzigen Zeitpunkt entschieden sein. „Die Verteilungskämpfe hinter den Bayern haben am vorletzten Spieltag der Hinrunde endgültig begonnen – ein Zustand, an den man sich für die restlichen 18 Spieltage gewöhnen sollte“, stellt die taz hoffnungslos die Erkenntnisse des vergangenen Spieltags sicher.

Außerdem: „Eingewechselt, zwei Tore geschossen, Trainer Sammer umarmt – alles ist wieder gut, mindestens bis zum nächsten Mal“, liest man in der FAZ in skeptischem Tonfall über den „janusköpfigen“ Amoroso. Und: „Alle, die es vorher besser zu wissen geglaubt hatten, sind zunächst widerlegt. Arminia Bielefeld ist in dieser Saison der Fußball-Bundesliga entgegen vieler Vorurteile vorweg nicht erster Abstiegskandidat” (FAZ).

„Apropos: Kommende Woche gibt es wieder großen europäischen Fußball. Morgen gastiert Bayer Leverkusen bei Inter Mailand, am Mittwoch empfängt Borussia Dortmund den AC Mailand. Wer war doch gleich Bayern München?“ (taz).

Christian Eichler (FAZ 9.12.) kommentiert die Lage des Tabellenführers. „Man muß sich in diesen schweren deutschen Zeiten keine Sorgen mehr machen um die einzige Konstante des deutschen Spitzenfußballs. Eine große Bayern-Krise hätte der Bundesliga wohl den Boden weggezogen. Nach der großen Bayern-Konsolidierung bleibt ihr immerhin das spannende Rennen um die Plätze zwei, drei und fünfzehn. Nach dem Überschwang des weißen Balletts der Sommermonate, dieser Selbstüberschätzung Münchner Ballromantik, und der europäischen Depression des grauen Herbstes sind die Bayern nun, im deutschen Fußball-Winter, wieder ganz bei sich selber angekommen. Ihr Fußball macht nur ihnen selber Spaß. So muß es sein. Wenn Finger klamm, Plätze hart, Nasen und Bälle rot werden, wenn man Fußball nicht mehr zum Vergnügen, sondern nur für den Ertrag spielt, dann ist Bayern-Zeit. Denn nur sie sind da, wo Fußball den Ertrag bringt, durchweg effektiv: im Strafraum – und der künstlerische Wert des Weges dorthin ist ihnen endlich wieder wurscht (…) So bilanziert man im Advent 2002 das vielleicht kurioseste Halbzeitresultat einer Bayern-Saison: ein Punkt aus der Champions League, zehn hinter dem Zweiten – 38 Punkte aus der Bundesliga, acht vor dem Zweiten. Emotionale Wegzehrung für die Dienstage und Mittwoche im Frühjahr, wenn andere um Europa spielen und ihnen nur die kleine Bühne der Bundesliga bleibt. Zu gut für Deutschland, zu dumm für Europa: Man könnte sagen, die Bayern sind eine Klasse für sich, oder: Die Bayern als der Meister im Niemandsland.“

Thomas Kistner (SZ 9.12.) schlägt vor. „Ein schönes Modell wurde kürzlich in der Formel 1 diskutiert, die der breiten Öffentlichkeit ja inzwischen als geschlossene Ferrari-Werksmeisterschaft mit internationalem Rahmenprogramm geläufig ist. Die Überlegungen gingen dahin, den roten Rennern von Michael Schumacher und Stallgefährten einfach ein paar Gewichte anzuhängen, um deren Schwerkraft etwas zu erhöhen. Für den Bundesliga-Betrieb, also die inoffizielle Bayerische Fußballmeisterschaft, ließe sich dieses physikalische Grundlagenkonzept mühelos umlegen. Etwa mit grob gerippten Kettenhemden, die sich die Münchner Kicker fortan unters Trikot zu ziehen haben, oder mit Schuhwerk, das nicht mehrGroßaktionär adidas anliefert, sondern direkt vom Hufschmied bezogen werden muss.“

Angesichts drohender Langeweile schreibt Jörg Hanau (FR 9.12.). „Mag sich die verhinderte Jagdmeute angesichts der Aussicht, dass auch ein zweiter oder gar dritter Platz den Zugang zu Europas Fleischtöpfen gewährt, zufrieden zurücklehnen. Der gemeine Fußball-Fan tut das nicht. Dem bleibt, sofern kein Bayern-Fan, vorerst nur die Hoffnung auf einen Rückfall der Münchner in die alte Überheblichkeit. Darauf, dass sie im Bewusstsein der eigenen Unfehlbarkeit die Zügel schleifen lassen und der Versuchung erliegen könnten, mit geringstem Aufwand maximalen Ertrag erzielen zu wollen. Zu viel Konjunktiv. Die Gegenwart spricht eine andere Sprache. Die vage Hoffnung, dass sich die Bayern nach der Winterpause selbst vom Thron stürzen, ist ein bisschen wenig, um Vorfreude auf die Rückrunde zu schüren.“

VfB Stuttgart – Bayern München 0:3

Gerd Schneider (FAZ 9.12.) erläutert die Wirkungen der bayerischen Dominanz auf die Beobachter. „Im Gottlieb-Daimler-Stadion geschah Merkwürdiges. Es war noch nicht einmal fünf Uhr, da setzte eine Völkerwanderung auf den vollbesetzten Rängen ein. Nur weg hier, das war die Parole nach Roque Santa Cruz‘ zweitem Treffer. Der VfB Stuttgart lag 0:3 gegen den FC Bayern München zurück, die Partie war verloren – aber das war gar nicht der Grund für die kollektive Aufbruchstimmung. Vielmehr konnten die Stuttgarter Anhänger den Anblick nicht mehr ertragen, wie ihr junges Team demontiert wurde. Die entgeisterten, fassungslosen Mienen derer, die kopfschüttelnd hinausströmten, glichen in dem Moment denen der VfB-Profis unten auf dem Spielfeld. Sie waren aus allen Träumen gerissen worden von einer Mannschaft, die an diesem Nachmittag kühl und präzise wie eine Maschine ihr Werk abgeliefert hatte (…) Tatsächlich glich der Auftritt des Spitzenreiters in Stuttgart einer Demonstration der Stärke: Seht her, die Oktober-Krise ist endgültig Geschichte, die Bayern haben wieder eine nationale Mission. Die makellose Leistung der Bayern war auch eine Antwort darauf, daß die Partie gegen die bislang stürmischen Stuttgarter zu einem Duell Alt gegen Jung hochstilisiert worden war. Das 3:0 war nicht ein Triumph des Alters, sondern der Qualität.“

Matti Lieske (taz 9.12.) ärgert sich über die Münchner Reaktionen nach dem Sieg in Stuttgart. „Höhö, hört sie euch nur an, diese Bayern, wie sie schon wieder tönen und sich in die Brust werfen – so, als sei überhaupt nichts gewesen. Krise, wo ist dein Stachel? Absturz? Wir doch nicht! Blamage? Nie gehört! Acht Punkte Vorsprung in der Liga, Weihnachtsmeister, bei Stuttgarts Junghüpfern mit routinierter Nonchalance gewonnen, im Pokalviertelfinale mit besten Chancen gegen Köln – da schwillt der Kamm und die verbalen Bizepse werden angespannt, dass es eine Pracht ist. Die Mannschaft hat perfekt gespielt – eigentlich meisterlich, jubelt Manager Uli Hoeneß die brave Pflichterfüllung am Neckar hoch, und Giovane Elber verspricht im Überschwang neu entdeckter Vereinstreue, dass man in der Rückrunde sogar ein noch besserer FC Bayern sein werde. Auch Oliver Kahn ist anzumerken, wie er sich freut, ab und zu mal wieder eine Hand an den Ball zu bekommen. Das ist der FC Bayern, doziert der Kapitän, die Mannschaft steht kompakt und nutzt ihre Torchancen eiskalt aus. Deutlich spürbar die Erleichterung darüber, dass im Zuge der Neudefinition aller Saisonziele sämtliche Flausen vom weißen Ballett, von Schönspielerei und spektakulärer Offensive über Bord geworfen wurden und das eingekehrt ist, was die Münchner traditionell am besten beherrschen: nüchterner Zweckfußball.“

Gerd Schneider (FAZ 9.12.) beruhigt die Sorgen der Stuttgart Anhänger. „Daß die Lehrstunde in Sachen Effizienz durch die Bayern Magaths Aufbauwerk in Stuttgart gefährdet, muß man hingegen nicht befürchten. Gefahr droht aus einer anderen Richtung. Wenn man die Hinweise richtig deutet, braut sich über dem VfB etwas zusammen – wieder einmal, muß man sagen: Schließlich haben interne und verdeckte Scharmützel beim Traditionsklub in Stuttgart Brauch. Während Magaths junges Team in diesem Herbst spielend das Image verbessert, machen schon wieder Gerüchte, Halbwahrheiten und Verdächtigungen die Runde. Mittendrin in diesem unguten Spiel ist Rolf Rüssmann. Was dem Manager des VfB vorgeworfen wird, ist schwer auszumachen. Es heißt, er habe mit seinem ruppigen Umgangston Sponsoren verprellt und verkehre nur noch schriftlich mit der Marketingabteilung des Klubs. Vor ein paar Tagen spekulierten die Stuttgarter Zeitungen darüber, daß Wolfgang Holzhäuser, der Geschäftsführer von Bayer Leverkusen, als bezahlter Vorstand engagiert werden soll. Belege? Fehlanzeige. Immerhin stellte Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt, der neue Aufsichtsratschef des Vereins, am Samstag klar, daß Rüssmann im Aufsichtsrat kein Thema sei.“

Peter-Michael Petsch (taz9.12.) sieht das ähnlich. „Die Zwischenbilanz (Tabellenrang 5, gute Ausgangslage im Uefa-Cup, of) kann sich tatsächlich sehen lassen. Die jungen Wilden um Trainer Felix Magath und Seniorchef Krassimir Balakow stehen einen Spieltag vor der Winterpause auf dem fünften Tabellenrang. Ein Platz, der zur Teilnahme am Uefa-Cup berechtigten würde, wäre jetzt schon Saisonende – ganz ohne den zuletzt erfolgreich absolvierten UI-Cup-Umweg. Die Saison ist aber noch nicht zu Ende und der Optimismus am Neckar trotz der ersten Heimniederlage dieser Spielzeit fast grenzenlos. Allmählich bemerken sogar die Fußballfreunde in der Region, was Experten schon lange sahen: Im Gottlieb-Daimler-Stadion wächst Großes heran. Nicht mehr die dubiose Praxis der früheren Vereinsführung beherrscht die Diskussion in den Medien und an den Stammtischen, sondern das Wort vom roten Wunder macht die Runde. Dieses Mirakel aus dem Schwabenländle bekam Bayerns Starensemble aber nur über knapp 30 Minuten zu spüren. Mitten in ihrer Sturm-und-Drang-Zeit holte Alexander Zicklers Kopfballtor zum 1:0 die Stuttgarter auf den harten Boden der Realität zurück. Vier Minuten später sorgte Roque Santa Cruz nach einem weiteren Abwehrfehler schon für die Vorentscheidung. Danach begegneten die Gäste schwäbischem Hurra-Fußball mit Ballsicherheit, Cleverness, einem Oliver Kahn, der sich wieder seiner WM-Form nähert, und einem weiteren Konter zum 3:0 durch Santa Cruz. So gewannen die Schwaben außer der Eckballstatistik (10:1) auch die Erfahrung, dass es noch viel zu lernen gibt am Neckar.“

Spielbericht und Reaktionen SZ

Borussia Dortmund – 1. FC Kaiserslautern 3:1

Felix Meininghaus (FR 9.12.) über den zweifachen Dortmunder Torschützen. „Bei den Fans von Borussia Dortmund gibt es einen geflügelten Satz, der den Kern trifft: Heute, sagen sie, wenn sie die schillerndste Figur im Luxuskader des BVB von der Südtribüne aus beobachten, hat Marcio mal wieder Lust. Es ist tatsächlich verblüffend, wie gut an der Körpersprache von Marcio Amoroso abzulesen ist, ob Großes von ihm zu erwarten ist, oder ob er das Spiel an sich vorbeiplätschern lässt. Beim Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern zeigte sich Dortmunds Zauberer nach langen Wochen des Müßiggangs mal wieder gnädig gestimmt: Nach gut einer Stunde Spielzeit betrat der Brasilianer den Rasen des Westfalenstadions, knapp zehn Minuten später entschied er mit einem Doppelschlag eine Partie, die der Meister sonst wohl nicht siegreich gestaltet hätte (…) Das Timing scheint ideal, schließlich gibt am Mittwoch in der Champions League mit dem AC Mailand ein Weltklub seine Visitenkarte im Westfalenstadion ab. Spiele auf der großen Bühne liebt der Exzentriker so sehr, dass BVB-Manager Michael Meier sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, der Stürmer wolle sich mit seinem spektakulären Kurzauftritt einspielen für Mailand. Jetzt haben sie ihn alle wieder lieb, dabei hätten sie Amoroso vor einer Woche am liebsten mit Schimpf und Schande aus dem Revier gejagt. Gegen Nürnberg war der Stürmer eine Halbzeit lang dermaßen pomadig über den Platz geschlichen, dass die Sache schwer nach Provokation roch.“

Richard Leipold (FAZ 9.12.) zur selben Personalie. “Sein Auftritt wertete die bis dahin schmucklose Darbietung der Borussia im Ergebnis auf und setzte dem zwischendurch artikulierten Unmut vieler Anhänger ein Ende. Der Sieg über den Tabellenvorletzten der Fußball-Bundesliga läßt die Dortmunder nicht im hellsten Glanz erstrahlen, aber der Erfolg bedeutet zumindest eine befriedigend bestandene Zwischenprüfung, bevor der AC Mailand am Mittwoch unter Examensbedingungen im Hauptfach Champions League die Klasse des deutschen Meisters testet. Durch Amorosos Wirken sah Sammer ein ungeschriebenes, von ihm aber häufig zitiertes Gesetz bestätigt, wonach harte Arbeit notwendige Bedingung für den Erfolg des einzelnen und des Kollektivs ist. Die beiden Tore des manchmal nachlässigen Stürmers seien nicht nur Ausdruck von Klasse, sondern in erster Linie logische Folge eines neu entfachten Eifers. Marcio hat den Sieg durch seine harte Arbeit im Training eingefahren.”

Freddie Röckenhaus (SZ 9.12.) dazu. „Ein Problemfall wird der Brasilianer aber bleiben. Vier Tage vor dem Champions-League-Heimspiel gegen den AC Mailand meldete sich Amoroso nicht völlig unerwartet zurück. Denn das „Vorspielen“ gegen namhafte Gegner aus Italien und Spanien ist ihm, das kann er kaum verhehlen, die wahre Motivation. Als Milan vor gut einem Jahr im Uefa-Cup in Dortmund mit 0:4 unterging, nutzte Amoroso das Spiel mit drei Treffern zur Werbekampagne in eigener Sache. Immer wieder lancieren er und sein Berater das vermeintliche Interesse von europäischen Superklubs. Zuletzt wurde der FC Barcelona kolportiert. „Wir hören zu all diesen Wechselthemen nie etwas von ihm persönlich“, beteuert Michael Zorc. In der Mannschaft ist Amoroso nicht unbeliebt. Spieler wie Metzelder oder Stefan Reuter versichern, dass sie für einen wie ihn „gerne mit arbeiten, weil er vorne halt die wichtigen Tore macht“. Aber Amoroso macht kaum Anstalten, Deutsch zu lernen, seine Frau Raquele klagt über Wetter und Lebensart in Deutschland, und so fällt Fan-Liebling „Glamoroso“ immer wieder in mentale Krisen des Durchreisenden, der selbst darunter leidet, sich mit seiner Umgebung nicht angemessen zu identifizieren.“

Arminia Bielefeld – Hansa Rostock 3:0

Roland Zorn (FAZ 9.12.) ist von der Bielefelder Spielweise angetan. „Die Bielefelder Spielweise ist für die Konkurrenz deshalb unangenehm, weil die Mannschaft aus einer kompakten Ordnung und einer stabilen Defensive zu kombinieren, vor allem zu kontern versteht. Der DSC Arminia hat mit seiner Mischung aus geballter Organisation und kreativem Individualismus am Samstag auch die Rostocker auf Abstand gehalten. Abwehrchef Reinhardt und mit ihm die Neu-Bielefelder Saisonentdeckungen Lense, Murawski und Hansén hielten den Defensivverbund zusammen und in Schwung. Rostock, nannte Reinhardt einen Grund für den ungefährdeten Erfolg der Arminen, wollte immer nur spielerisch dagegenhalten, aber irgendwann muß es im Zweikampf auch mal richtig krachen. Bielefeld ist auch im Mittelfeld zweikampfstark und besitzt dazu mit Brinkmann, dem nun schon siebenmaligen Torschützen Wichniarek, Vata und Diabang schnelle und trickreiche Solisten, die ein Spiel notfalls allein entscheiden können.

Schalke 04 – Werder Bremen 1:1

Zur Schalker Heimschwäche bemerkt Christoph Biermann (SZ 9.12.). „Gerne werfen Männer ausgiebige Blicke auf Baustellen. Eine eigentümliche Anziehungskraft scheint darin zu liegen, das Schwenken von Kränen zu beobachten, das Zusammenhämmern von Verschalungen oder Biegen von Eisen. Mit dem männlichen Vergnügen am Entstehen von neuen, großen Dingen mag das zu tun haben oder der Vorliebe für Technik und das Wirken starker Kräfte. Fußball würde man damit normaler Weise nicht in einen Zusammenhang setzen. Doch der Spaß, sich die Mannschaft des FC Schalke 04 in seiner Arena anzuschauen, ähnelt in dieser Saison dem Blick durch einen Bauzaun. Auf dem Rasen wird stets so schwer geschuftet und konzentriert gearbeitet, dass sich das Publikum die Frage stellt, wie es mal aussehen könnte, wenn Frank Neubarths Haus fertig ist. Sagen kann man das noch nicht, denn auch kurz vor der Winterpause verfügt Schalkes Trainer noch nicht über sein komplettes Personal. „Wenn alle Leute dabei sind, können wir zuhause noch eine Schüppe drauflegen“, glaubt Frank Neubarth. Das wird auch nötig sein, denn vor allem in den Heimspielen wird derzeit reichlich durchschaubar gearbeitet. Sich darauf einzustellen, bedarf es längst keiner Betriebsspionage mehr. Die Gegner kennen die Baupläne längst. Ein durchgehendes Element bleibt es, dass Schalke kaum in der Lage ist, defensiv stabile Gegner nachdrücklich in Bedrängnis zu bringen. Selbst wenn es so eifrig versucht wird wie gegen Werder Bremen.“

Peter Penders (FAZ 9.12.) beleuchtet die Perspektiven der Gelsenkirchener. „Und die Bayern, der Gegner im letzten Punktspiel am kommenden Wochenende? Vielleicht können wir da ja einen Punkt klauen, sagte Neubarth. Vielleicht, aber mehr als den Branchenriesen zu ärgern ist derzeit kein Thema in Gelsenkirchen oder Bremen. Die Bayern haben schon eine gewisse Dominanz in der Bundesliga, befand Schaaf. So viel Unterwürfigkeit ist überraschend, schließlich gehören Werder und der FC Schalke derzeit, als Dritter und Vierter der Tabelle drei Punkte voneinander getrennt, zum Establishment der Liga. Die Ziele aber sind andere, als den übermächtigen Münchnern etwas streitig zu machen. Werder darf nach einer gelungenen Hinrunde mit einem Platz in der Champions League spekulieren, Schalke trotz diverser Probleme auf jeden Fall mit der abermaligen Qualifikation für den Uefa-Pokal liebäugeln. Der fulminante Start in dieses vermeintliche Spitzenspiel verkam so vor 60.600 Zuschauern in der ausverkauften Arena Auf Schalke alsbald zu einer taktischen Auseinandersetzung mit dem einzigen Ziel, nicht zuviel Boden in der Tabelle zu verlieren – und nicht, Boden gutzumachen.“

Holger Pauler (taz 9.12.) vermisste Brisanz und Siegeswillen auf beiden Seiten. „Vor dem Spiel Schalke 04 gegen Werder Bremen wurden alle Register gezogen, um die sich in vorzeitiger Winterstarre befindlichen Bayernjäger doch noch aus ihrer Lethargie zu erwecken. Schalke-Trainer Frank Neubarth, berichtete die Syker Kreiszeitung (!), soll im Streit von Werder geschieden sein, da Vizepräsident und Co-Trainer ihn nicht zu Zuge kommen ließen. Alles hoffte auf eine hitzige Partie, mit hochkochenden Emotionen, an deren Ende sich eine der beiden Mannschaften auf die Verfolgung des Spitzenreiters Bayern machen sollte. Heraus kam ein taktisch hochinteressantes Spiel, in dem sich beide Teams im Mittelfeld neutralisierten und nur 2 von 3 möglichen Punkten vergeben wurden. Über das 1:1-Unentschieden in der Arena AufSchalke konnten sich letztlich vor allem die Bayern aus München freuen, die mit 8 Punkten Vorsprung auf Dortmund und Bremen nächste Woche den FC Schalke 04 erwarten. Angst werden sie kaum haben. Frank Neubarth verkündete nach dem Spiel, man wolle in München noch einen Punkt holen. Mehr ist momentan nicht drin. (…) Am 33. Spieltag treffen sich beide Mannschaften wieder. Dann wird es für sie – so viel scheint jetzt schon klar – nur noch um die Plätze 2 oder 3 gehen.“

1. FC Nürnberg – Energie Cottbus 2:2

Volker Kreisl (SZ 9.12.). „Trainer Klaus Augenthaler und seine Spieler strapazieren in dieser Saison wieder die Nerven der Nürnberger Anhänger und haben sich Gegner im eigenen Verein geschaffen. Zum achten Mal verspielten sie einen Vorsprung, weil sie sichere Torchancen nicht nutzen. Vier Minuten vor dem Ende verfielen sie in Apathie, ließen zwei Stürmer bis an den Sechzehner vordringen, obwohl sie zu fünft waren, und fälschten den mäßigen Torschuss unhaltbar ab (…) Die Elf des 1. FC Nürnberg gegen Cottbus entsprach im wesentlichen der Mannschaft, die seit Saisonbeginn antritt, die zwischendurch eine kleine Erfolgsserie zustande brachte und auf Platz zehn stand. Dann begann aber die Zeit der Abwehrfehler, der ärgerlichen Niederlagen und nun der provozierenden Punktverluste. Nach dem Ausscheiden gegen Köln im DFB-Pokal meldeten sich erstmals Mitglieder aus dem Aufsichtsrat, um Kritik zu üben, und ganz unscheinbar verschärft sich der Ton: Die Reflexe der Krise zeigen sich. Der Mannschaft wird der Willen abgesprochen und der Trainer sachte in Frage gestellt. Das Verhältnis zu ihm charakterisiert der Präsident schwunglos als „nicht schlecht“.“

Hans Böller (FAZ 9.12.). „Zur Frustbewältigung griff Michael A. Roth zuletzt gern auf die kleine Hausapotheke zurück. Aber der Magenbitter, den seine Frau stets ins Frankenstadion mitführt, verfehlte wieder einmal seine Wirkung. Mir geht es schlecht, sagte der Präsident des 1. FC Nürnberg nach dem 2:2 gegen den Tabellenletzten der Bundesliga, Energie Cottbus. Roth machte der Ursache seines Leidens Luft; auffällig oft sprach er dabei, ohne einen Namen zu nennen, von dem Trainer – ein sicheres Zeichen dafür, daß der Präsident Zweifel an dessen Qualitäten hegt. Er muß Ausfälle von wichtigen Spielern kompensieren, sagte Roth, aber daß er das nicht besser kann, hätte ich nicht gedacht. Entsprechend bitter fiel die Analyse nach der verpaßten Gelegenheit, sich deutlich vom Tabellenende abzusetzen, aus: Ich zweifle nicht an den Spielern, aber das Mannschaftsgefüge stimmt nicht, alles ist auf Zufall angelegt. Trainer Klaus Augenthaler aber sprach von einer hausgemachten Panik und lobte seine Mannschaft demonstrativ als intakte Einheit. Er hatte die Seinen als die bessere Mannschaft gesehen – in einem Spiel, das uns auch gezeigt hat, was uns abgeht: Wir machen die Tore nicht, und jede Nachlässigkeit wird sofort mit einem Gegentor bestraft. Diese Analyse traf besser zu als die des Präsidenten.“

Hertha Berlin – VfL Wolfsburg 2:2

Friedhard Teuffel (FAZ 9.12.). „Der Ausgleich deutete sich schon an, als Torwart Gabor Kiraly dem Wolfsburger Stürmer Tomislav Maric in der 82. Minute einen Abschlag direkt vor die Füße spielte. Kiraly wehrte den Schuß zwar ab, doch die Nachwirkung war fatal. Wenn man solche Abschläge macht, verunsichert man die Hintermannschaft, sagte Trainer Stevens. Am Ausgleichstreffer war Kiraly ebenfalls nicht schuldlos. Als in der letzten Minute auf einmal Kim Madsen vor ihm auftauchte, traf er den Dänen nur am Ohr und verfehlte den Ball. Das Blut des Schützen, das ihm vom Ohrläppchen herunterlief, erschien danach wie ein Symbol des unermüdlichen Wolfsburger Kampfes. Von bisher acht Heimspielen haben die Berliner gerade mal drei gewonnen. Es ist enttäuschend, was wir bis jetzt zu Hause abgeliefert haben, faßte Manager Dieter Hoeneß zusammen. Woran liegt es nur? An fehlender Führung auf dem Platz vielleicht. Bei diesem Punkt widersprach Hoeneß nicht, er wiegte nur nachdenklich den Kopf. Der Brasilianer Marcelinho ist zwar ein Spielmacher im Sinne eines Zuspielers, der auf dem gesamten Platz auftaucht und Impulse setzt, eine Führungspersönlichkeit ist er aber nicht. Kapitän Michael Preetz hat seine Autorität eingebüßt, seitdem der Stürmer nicht mehr wie gewohnt trifft. Andere, wie Stefan Beinlich, müssen erst wieder ihre Rolle in der Mannschaft finden.“

Berliner Reaktionen Tsp

1860 München – Bayer Leverkusen 0:3

Zur Bedeutung des Leverkusener Auswärtssiegs heißt es bei Andreas Burkert (SZ 9.12.). „Ob dieser übertrieben hohe und im Grunde doch sehr glückliche Erfolg das Leverkusener Selbstvertrauen ausreichend restauriert hat, traute sich hinterher niemand mit aller Entschiedenheit weiszusagen. Zu fragil hatte sich in der ersten Halbzeit ihre Deckung präsentiert. Genau genommen haben die Münchner sie anfangs vorgeführt; vor allem der Flügelläufer Cerny war so frei und nutzte das heillose Durcheinander auf Bayers linker Abwehrbahn, wo Bierofka und Babic dem Chaos ein Gesicht gaben. Doch nach jeder wundersam überstandenen Großchance der Sechziger spürten die Gäste, dass diesmal sie diejenigen sein würden, denen wenige Momente zur positiven Gestaltung des Arbeitstages gereichte.“

Detlef Dresslein (FAZ 9.12.). „Eher schon in die Abläufe der Mannschaft eingreifen könnte künftig aber Manager Calmund, der kürzlich ankündigte, wieder näher an die Mannschaft heranrücken zu wollen. Klaus Toppmöller reagierte auf diese Ankündigung, in die auch so etwas wie Mißtrauen gegenüber dem Trainer verpackt gewesen sein könnte, leicht pikiert. Zumal er die Aussage von Calmund, daß man zwar mit diesem Trainerteam tolle Erfolge hatte, daß es aber im Fußball nichts Uninteressanteres gibt als die Vergangenheit, auch als interessanten Hinweis werten kann. Calmund relativierte und beruhigte etwaige Befürchtungen, indem er sagte, daß wir alle näher zusammenrücken. Er werde weder an der Spielersitzung teilnehmen noch auf der Trainerbank sitzen, denn dort würde er viel zu viel Platz wegnehmen. Und überhaupt habe das alles nichts mit Kontrolle zu tun.“

Spielbericht und Reaktionen SZ

Fußball in Europa: Ergebnisse – Tabellen – Torschützen NZZ

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