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Champions League

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Champions League

Londoner Hierarchie scheint stabil, Chelsea gewinnt gegen Arsenal wieder nicht (1:1) – Real Madrid besiegt AS Monaco (4:2) in einem „rhythmisch hochstehenden Match“ (NZZ) – „AC Milan spielt, wie Real es gerne möchte“ (FAZ) – FC Porto, „reife und solide, nahezu perfekt organisierte Equipe“ (NZZ) u.a.

Einmal umsteigen
Die NZZ (25.3.) berichtet ein ausgeglichenes Londoner Derby: „Irgendwann hört der Spass auf. Zum Beispiel wenn man 120 Millionen Pfund in eine Fussball-Mannschaft investiert und trotzdem die Nummer 2 bleibt – selbst in der eigenen Stadt. Seit fünfeinhalb Jahren oder 17 Spielen hat der Chelsea FC, der Klub aus dem noblen Westlondoner Quartier, gegen Arsenal, den erfolgsverwöhnten Rivalen aus dem Norden, nicht mehr gewonnen. In dieser Saison verloren die „Blues“ im nationalen Geschäft alle drei Partien (jeweils 1:2). In der Meisterschaft wie im FA-Cup stand (und steht) Arsenal dem aufstrebenden Stadtrivalen und dessen russischem Investor Abramowitsch vor der Sonne. So bleibt nur der Umweg über Europa. Immerhin ist Letzterer vorderhand nur ein paar Kilometer lang und kann mit der U-Bahn (einmal umsteigen) bequem und schnell zurückgelegt werden. In sportlicher Hinsicht droht das Rückspiel der Champions-League-Viertelfinals in knapp zwei Wochen für Chelsea aber zu einer äusserst beschwerlichen Angelegenheit zu werden. Nach dem 1:1 im Hinspiel an der Stamford Bridge lachte nur eine Partei: Dank dem Auswärtstor befindet sich Arsenal auf Halbfinal-Kurs. Das von der lokalen Boulevardpresse wie gewohnt martialisch als „Battle of Stamford“ angekündigte Hinspiel bot eine erste Gelegenheit, die Hierarchie doch noch in Frage zu stellen. Und die Mannschaft des italienischen Coachs Ranieri machte schnell klar, dass das innerstädtische Duell eine wesentlich offenere Angelegenheit werden würde, als es die Statistik befürchten liess.“

Rhythmisch hochstehendes Match
NZZ (25.3.): „Das kostspieligste Fussballteam stemmt sich international gegen den schlechten Trend im eigenen Land. Real Madrid, zuletzt viermal hintereinander mindestens Champions-League-Halbfinalist, verwandelte in einem rhythmisch hochstehenden Match zweier technisch überdurchschnittlicher und kombinationssicherer Teams den vor der Pause eingehandelten Gegentreffer zu Recht in einen 4:2-Sieg. Es war in erster Linie der Klasse (und zunehmend stärkeren Wirkung) der Real-Individualisten Beckham, Figo, Zidane und Ronaldo sowie der neuerlichen Tempobeschleunigung in der zweiten Halbzeit zuzuschreiben, dass die Spanier schliesslich noch klar obenaus schwangen. Die beideseits offensive Grundeinstellung begünstigte ein spektakuläres Spiel mit Torchancen zuhauf, verursacht allerdings auch durch zwei Abwehrreihen mit erheblichen Mängeln. Beckham sah kurz vor Schluss seine herausragende Leistung durch eine Verwarnung getrübt, die ihm eine Spielsperre einträgt.“

Dirk Schümer (FAZ 25.3.) lässt sich vom AC Milan überzeugen: „Eigentlich könnte Javier Irureta, dem Trainer von Deportivo La Coruña, die Analyse des Viertelfinales der Champions League leichtfallen: Über 80 Minuten lang war seine Elf im gefürchteten Stadion von San Siro dem AC Mailand gewachsen, erarbeitete sich diverse Chancen und führte durch einen frühen Treffer von Pandiani 1:0. Ein schöner Rückblick. Wären da nur nicht die vermaledeiten neun Minuten direkt vor und nach dem Halbzeitpfiff gewesen. Der kollektive Blackout seiner Spieler in diesem Zehntel der Partie dürfte Irureta noch lange zu schaffen machen. Denn in dieser kurzen Spanne schoß der AC Mailand vier Tore – genug für einen überzeugenden Hinspielsieg. In Mailand hatte man gehörigen Respekt vor den Galiciern gehabt, nachdem Deportivo immerhin Juventus Turin, den Finalisten des Vorjahres und italienischen Meister, souverän ausgeschaltet hatte. Doch Juve ist in dieser Saison längst nicht so stark wie Milan. In Mailand weht ein anderer Wind als im letzten Jahr, als man einzig mit unansehnlichem Defensivstil und am Ende auch noch im Elfmeterschießen die europäische Trophäe errang. In dieser Saison hat sich das Starensemble zu einer regelrechten Tormaschine weiterentwickelt. Siebzehn Treffer aus den vergangenen fünf Spielen stehen zu Buche. Als Glücksfall erwies sich auch am Mittwoch im ausverkauften San Siro der einundzwanzigjährige Brasilianer Kakà, der in dieser Spielzeit eigentlich nur Erfahrungen sammeln und reifen sollte. Statt dessen hat der Mittelfeldspieler aus São Paulo alternde Weltstars wie Rui Costa flugs verdrängt und erzielt wie am Fließband Tore, an die er mit seinem Engelsgesicht selber nicht zu glauben scheint. (…) Tore vermögen ein Publikum zu verzaubern, das von der Finanzkrise des italienischen Fußballs mit einer skandalösen halben Milliarde Euro Steuerschulden genug hat. Das weiß auch der Klubeigner, Medienmogul und Ministerpräsident Berlusconi und befahl deshalb vor Wochen seinem vorsichtigen Trainer Ancelotti öffentlich ein Offensivspiel mit zwei Spitzen. Die Maßnahme wirkt.“

Reife und solide, nahezu perfekt organisierte Equipe

Beim 2:0 des FC Porto über Olympique Lyon spürt Georg Bucher (NZZ 25.3.) portugiesischen Stolz: „Die Nordportugiesen haben derzeit wenig Grund zum Lachen. Gemäss Statistiken ist die Erwerbslosigkeit rasant gestiegen. Sie nähert sich mit 200 000 Arbeitslosen in den Regionen nördlich des Rio Douro der 8-Prozent-Marke; die Spuren der Misere lassen sich nicht mehr kaschieren. Je unwahrscheinlicher eine Erholung wird, desto mehr scharen sich die Menschen um ihr Erfolgssymbol, den FC Porto. Selbst in südlichen Gefilden wächst die Sympathie für einen Klub, der sich trotz eher bescheidenen Mitteln im europäischen Konzert behauptet, den Krösus Manchester United aus dem Weg räumte und indirekt die Werbetrommel für die EM rührt. Randvoll war am Dienstag der „Bolhão“. Aus den alten Markthallen, die schon Maler inspirierten und Regisseuren als Bühne dienten, übertrug der Sender TV I ein populäres Unterhaltungsprogramm, eine Hommage an Porto, an die Stadt und den Verein. Ehemalige Cracks durften in Erinnerungen schwelgen, zeigten Bilder von unvergesslichen Fussballspielen. Marktfrauen und Fans manifestierten ihre Überzeugung, dass nicht nur die Hürde Lyon genommen, sondern nach 1987 wieder der Meistercup gewonnen werde. Vom „Bolhão“ ins „Estadio do Dragão“ nach San Siro und Gelsenkirchen? Es sieht jedenfalls danach aus, dass Porto und Milan, der Uefa-Cup-Sieger und der Champions-League-Gewinner 2003, die Magier Deco und Kaká sich auf halbem Weg zum Final begegnen werden. Dann wären die Portugiesen wie schon gegen ManU Aussenseiter, aber nicht chancenlos. Gegen Lyon zeigten sie die Vorzüge einer reifen und soliden, nahezu perfekt organisierten Equipe. (…) Ricardo Carvalho wurde in den Zeitungen ein imperialer Auftritt bescheinigt; die Kommentatoren stellten ihm Angebote der Crème de la Crème des europäischen Fussballs in Aussicht.“

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