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Genie im Raum

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Genie im Raum

FC Porto eifert Bayer Leverkusen nach (FAZ) – Valéron, La Coruñas „Genie im Raum“ (Tsp) u.v.m.

Matti Lieske (taz 23.3.) sortiert das Teilnehmerfeld: “Ganz, ganz tief in die historische Mottenkiste müssen Spaniens Zeitungen greifen, um die derzeitige Misere von Real Madrid zu illustrieren. So wie Napoleon bei Waterloo darauf gehofft hatte, dass es Nacht wurde oder die Preußen kamen, so fiebert Real jetzt dem Comeback des Brasilianers entgegen, schreibt die Sportzeitung As über das bevorstehende Comeback des Torjägers Ronaldo. Ohne seinen treffsicheren Stürmer scheint dem Hyperteam ein entscheidender Baustein in seinem perfektionsverdächtigen System zu fehlen. Die Zitterpartie gegen Bayern in der Champions League, Niederlagen in Pokalfinale und Liga, gefolgt von internen Schuldzuweisungen, sprechen für den Hauch einer Krise bei Real – und dies ausgerechnet vor dem Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen den AS Moncao. Kein übermächtiger Gegner, aber das waren Bilbao, Zaragoza und München zuletzt auch nicht. Das Beispiel Madrid zeigt jedenfalls, dass auch sehr, sehr viel Geld höchsten Erfolg nicht zwingend garantiert, eine Erfahrung, die andere Klubs weit schmerzlicher machen mussten. Wenn heute bei den Spielen AC Mailand – La Coruña, Porto – Lyon und morgen bei Real – Monaco, Chelsea – Arsenal die nächsten Schritte Richtung Europacup in Angriff genommen werden, dann handelt es sich dabei vielleicht nicht um die acht besten Teams Europas, aber zumindest um solche, die eine Menge richtig gemacht haben. Und wer nicht mehr dabei ist im illustren Reigen, muss sich logischerweise fragen: Was haben wir falsch gemacht? Zu viel geprahlt vor der Saison, ohne dafür eine solide Basis zu haben, lautet das einfache Urteil im Falle der Münchner Bayern, jener Mannschaft, die von ihren letzten 14 internationalen Spielen gerade zwei gewonnen hat. Leidensgenossen sind Manchester United und Vorjahresfinalist Juventus Turin, beide ebenfalls im Achtelfinale gescheitert und in der Meisterschaft ähnlich chancenlos.“

Thomas Klemm (FAZ 22.3.) traut dem FC Porto viel zu: „Obwohl kein deutscher Vertreter das Viertelfinale der Champions League erreicht hat, gibt es doch einen Bundesligaklub, der dem FC Porto derzeit als Vorbild dient: Der Auftritt von Bayer Leverkusen vor zwei Jahren ist es, der dem portugiesischen Fußballmeister in der europäischen Königsklasse Mut macht. Jeder behauptet, daß der Finaleinzug für uns unmöglich sei, sagte der Portuenser Angreifer Benedict McCarthy. Doch das sind dieselben Leute, die einst gesagt hatten, daß die Leverkusener niemals in hundert Jahren das Endspiel erreichen würden – und dann hätten sie es um ein Haar gewonnen. Aus dem Verweis auf Bayer 04, das im Finale 2002 Real Madrid 1:2 unterlegen war, mag der Südafrikaner McCarthy Zuversicht ziehen für die Viertelfinalbegegnungen mit Olympique Lyon an diesem Dienstag; so ganz stimmig ist der Vergleich indes nicht. Während Leverkusen die vorvergangene Saison als dreifacher Zweiter – in Champions League, Meisterschaft und DFB-Pokal – beendet hatte und im Folgejahr gegen den Abstieg in die Zweitklassigkeit kämpfte, gewinnt der FC Porto seit einem Jahr beinahe alles, was es für ihn zu gewinnen gibt. Und so scheint es weiterzugehen. Beweisen müssen wir niemandem etwas, sagte Trainer José Mourinho, nachdem seine Mannschaft vor knapp zwei Wochen Manchester United im Champions-League-Achtelfinale ausgeschaltet hatte, nur uns, nämlich daß wir etwas Großes schaffen können. Er hätte getrost sagen können: etwas noch Größeres. Denn schon im vorigen Jahr hatte der FC Porto seine Ausnahmestellung unter den Vereinen seines Landes bewiesen, indem er Meisterschaft, Pokal sowie als Krönung auch den UEFA-Cup gewann (…) Einen besseren Einstand als der Einundvierzigjährige kann man als Profitrainer kaum feiern. In seiner ersten kompletten Saison als Chefcoach gewann Mourinho im vorigen Jahr auf Anhieb das Triple. Seither erreichen Mourinho immer wieder Angebote aus dem Ausland, zuletzt vom englischen Premier-League-Klub Tottenham Hotspur. Der während der Spiele impulsiv auftretende, ansonsten als überheblich geltende Trainer hat in Porto eine Gemeinschaft geformt, in der Profis mit Allüren keinen Platz haben.“

Genie im Raum

Wolfram Eilenberger (Tsp 23.3.) findet Gefallen am Spielmacher La Coruñas: „Sollte es neben dem Goldenen Ball auch eine Auszeichnung für den weltweit meist unterschätzten Spieler geben, Juán Carlos Valerón Santana, kurz Valerón wäre einer der ersten Anwärter. Keine Hand voll Spielgestalter kann sich mit seinen Fähigkeiten messen, doch wie so viele seiner Klassekollegen von Deportivo La Coruña führt Valerón seit Jahren ein Dasein von bestenfalls national begrenzter Bewunderung. (…) Valerón ist ein Genie im Raum. Sobald er den Ball im Zentrum erhält, eröffnet sich seinem Blick eine Vielzahl überraschender Anspielmöglichkeiten. Es ist, als betrachte er die Partie stets aus der Vogelperspektive und sei so über die Position sämtlicher Feldspieler im Bilde. Mit einer makellosen Technik, die ihm eine beidfüßige Passpräzision über beliebige Entfernungen ermöglicht, versteht sich Valerón damit wie kein Zweiter auf die Kunst des tödlichen Passes. Gelassen, oft ohne den Blick auch nur zu heben, schwingt er ihn aus dem Fußgelenk und erwartet, seine beiden sprintstarken Stoßstürmer Luque und Diego Tristán mögen darauf das Wesentliche erledigen. Wie gefährlich eine in der Abwehr solide Mannschaft von Deportivo La Coruña mit dieser Taktik gerade auswärts auftritt, bekam im Achtelfinale bereits Juventus Turin bitter zu spüren. Valerón war in diesen Duellen der beste Mann auf dem Platz.“

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