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Die deutsche Nationalmannschaft, Ballacks Lieblings-Team – Tsp-Interview mit Günter Netzer über die Schmach in Albanien 1967 – FAZ-Interview mit Trapattoni

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Die deutsche Nationalmannschaft, Ballacks Lieblings-Team – Tsp-Interview mit Günter Netzer über die Schmach in Albanien 1967 – FAZ-Interview mit Trapattoni

Schritt zum Weltstar nicht im Verein, sondern in der DFB-Auswahl gemacht

Michael Horeni (FAZ 9.10.) schreibt über die Prioritäten Michael Ballacks: „Daß für Ballack die Nationalmannschaft im Zweifelsfall Vorrang besitzt, ließ sich – nach einem gelungenen Doppelpaß mit Rudi Völler – unschwer erkennen. Der Teamchef hatte keineswegs zufällig erwähnt, daß Ballack den Schritt zum Weltstar eben nicht im Verein, sondern bei ihm in der DFB-Auswahl gemacht habe: bei den Spielen gegen die Ukraine und während der Weltmeisterschaft. Natürlich ist die Nationalmannschaft eine Stufe höher als der Verein, sagte dann auch der darauf angesprochene Münchner. Bei einer Welt- oder Europameisterschaft wird man als Spieler weltweit registriert. Da reift man nicht nur, sondern macht Sprünge. Das sei schon etwas anderes als Meisterschaft und Champions League.Etwas uneinig sind sich die Bayern und Ballack aber nicht nur in der Prioritätensetzung, sondern auch in der Aufarbeitung der jüngeren Wechselgeschichte. Rummenigge hatte rundweg bestritten, daß das FC-Deutschland-Konzept des FC Bayern für Ballack eine Rolle bei dessen Entscheidung gespielt habe. Das gehört ins Reich von Grimms Märchen, sagte Rummenigge. Natürlich war das ein Grund, entgegnete nun Ballack. Er habe das damals auch öffentlich gesagt. Ansonsten pries Ballack den FC Bayern weiter als erste Adresse des deutschen Fußballs und empfahl den jungen Kollegen seinen Arbeitgeber als lohnendes Ziel. Daß man sich dort nicht nur in sportlicher, sondern auch in sportpolitischer Hinsicht bestens entwickeln kann, ist nun auch bekannt.“

Philipp Selldorf (SZ 9.10.) teilt uns mit: „Seit der Reykjaviker Mist Käse-Rede weiß fast jeder deutsche Bürger, wie gefährlich es werden kann, wenn Rudi Völler wütend wird. Dieser Tage nun ist ihm erneut etwas Unseliges widerfahren, aber diesmal konnte er seinen Zorn nicht gegen Gurus und Ex-Gurus richten, sondern musste sich selbst beschuldigen. Folgendes Drama ist geschehen, wie Völler mit Verweis auf seine Locken berichtet: „Ich hab Zeitung gelesen beim Friseur und, wie das so ist, nicht aufgepasst. Und auf einmal hat er zu viel abgeschnitten.““

Lass doch mal den Merkel ran

Tsp-Interviewmit Günter Netzer

Tsp: Herr Netzer, welche Erinnerungen haben Sie an den 17. Dezember 1967?

GN: Oh, je! Sie meinen das 0:0 in Tirana. Wir wussten, dass uns dieser Tag ein Leben lang verfolgen würde. Und das völlig zu Recht!

Tsp: Etwas Unfassbares war geschehen: Deutschland qualifizierte sich nicht für die Fußball-Europameisterschaft 1968. Bis heute einzigartig.

GN: Sie sagen es. Es war eine einzigartige Katastrophe. Wir waren damals eine große Nation im Fußball und Albanien war ein Zwerg, ein wirklicher Zwerg. Ich meine, damals gab es im Fußball noch richtige Zwerge. Die Bedingungen dort, die auch heute noch reklamiert werden, waren damals viel schlimmer. Das Wort Fußballplatz möchte ich gar nicht benutzen. Das trifft es einfach nicht. In Tirana gab es nur ein einziges Hotel, wir hatten kaum etwas zu essen. Oh nein, ich muss aufpassen was ich sage, sonst bekomme ich böse Anrufe von den Albanern.

(…)

Tsp: Wie fiel damals bei der Rückkehr aus Tirana der Empfang in Deutschland aus?

GN: Empfang? Es gab keinen Empfang für uns. Niemand war da bis auf das Flughafenpersonal. Und von denen mussten wir uns noch beschimpfen lassen, rüde beschimpfen, so weit ich mich erinnere.

Tsp: Besser werden Sie sich an die Kritik der deutschen Medien erinnern.

GN: Das kann ich Ihnen sagen! Die Kritik war verheerend. Die Bild hatte eine Schlagzeile, sechs Cicero hoch: „Lass doch mal den Merkel ran!“ Helmut Schön, der damals unser Trainer war, hat das nach der Landung fast erschlagen. Schön war ein Schöngeist, der das nun wirklich nicht verdient hatte.

Tsp: Profitiert haben damals die Jugoslawen, die anstelle der Deutschen zur Europameisterschaft fahren durften.

GN: Eine Aufregung war das damals. Die Jugoslawen hatten die Teilnahme doch schon abgeschrieben, die wollten ihr spätes Glück erst gar nicht wahrhaben. Die haben dreimal den Hörer aufgelegt, als ihnen unser Ergebnis durchtelefoniert wurde.

Ein Streit mit Journalisten hat keinen Sinn, sie sind unsere Partner

FAZ-Interview mit Giovanni Trapattoni

Mailand Hauptbahnhof, Dienstag, acht Uhr. Italiens Nationaltrainer Giovanni Trapattoni steigt in den Zug nach Florenz. Am Nachmittag ist dort das erste Training seiner Squadra Azzurra angesetzt. Mit einem Sieg im letzten Gruppenspiel gegen Aserbaidschan wollen sich die Italiener am Samstag als Gruppenerster für die Europameisterschaft qualifizieren.

FAZ: Signor Trapattoni, Sie fahren mit dem Zug in das Trainingslager Ihrer Mannschaft, das kann man sich bei deutschen Trainern kaum vorstellen. Wie begegnen Ihnen die anderen Fahrgäste?

GT: Wenn die Entfernung nicht allzu groß ist, nutze ich den Zug. Die Leute wollen sich immer über Fußball unterhalten. Italien ist ein Land mit Millionen Nationaltrainern, alle reden sie mit. Sie wünschen mir Erfolg, wollen Autogramme. Sie fragen aber auch immer nach der Aufstellung, wollen wissen, warum Inzaghi und nicht Del Piero spielt. Darauf antworte ich gern, denn ich denke, es ist besser, wenn die Fans die Nachrichten von mir und nicht aus der Zeitung erfahren.

FAZ: Setzen Sie sich auch nach Niederlagen in den Zug?

GT: Natürlich. Denn ich weiß, die Leute haben Respekt vor mir. Nach schlechten Spielen sind sie enttäuscht, das ist ja normal. Doch dann versuche ich, die Gründe dafür zu erklären.

FAZ: Auch Sie kennen den Ausbruch von Rudi Völler. Können Sie seine Medienschelte nachvollziehen?

GT: Der Umgang mit Kritik ist für uns Trainer nicht immer ganz leicht, dennoch muß man damit zurechtkommen. Es ist doch klar, daß nach schlechten Leistungen auch die Kritiken entsprechend schlecht sind. Rudi war sicher etwas nervös, aber da muß man versuchen, ein inneres Gleichgewicht zu finden. Ein Streit mit Journalisten hat keinen Sinn, sie sind unsere Partner. Ich versuche, möglichst sachlich mit ihnen zu analysieren, auch wenn das zugegeben nicht immer ganz leicht ist.

(…)

FAZ: Fehlen dem deutschen Fußball Persönlichkeiten? Italien scheint kein Interesse mehr an deutschen Spielern zu haben.

GT: Generationen wechseln sich ab, und nicht immer hat man eine so große Mannschaft wie die 1990. Auch jetzt gibt es gute Spieler, eben nur weniger. Große Namen wie Matthäus kann man nicht herzaubern, auf die muß man warten. Dennoch finde ich, die Nationalmannschaft hat eine gute Mentalität, sie spielt im entscheidenden Moment mit Herz. Ballack hat internationale Klasse, auch Kahn und Frings sind in Italien gefragt. Der Schritt ins Ausland könnte sie noch besser machen.

FAZ: Welcher Verein müßte Ihnen ein Angebot machen, damit Sie noch einmal nach Deutschland zurückkommen?

GT: Noch oft denke ich an meine schöne Zeit in der Bundesliga, doch im Moment glaube ich nicht, daß ich noch einmal zurückkommen werde.

Thomas Seibert (Tsp 9.10.) berichtet aus Istanbul vor dem Spiel Türkei gegen England: „Wichtiger als Tore sind am Samstag aber die Fans. Engländer und Türken müssen mit harten Strafen des europäischen Fußballverbandes Uefa bis hin zur Disqualifikation für die EM rechnen, wenn sich ihre Schlachtenbummler nicht benehmen. Beim Hinspiel in England im April gab es Schlägereien und rassistische Schmäh-Gesänge der englischen Fans. Die Verbände beider Länder einigten sich deshalb darauf, englische Fans beim Rückspiel in Kadiköy im asiatischen Teil Istanbuls nicht ins Stadion zu lassen. Obwohl der englische Verband vor Reisen an den Bosporus warnt, wollen Hartgesottene trotzdem versuchen, ihre Elf zu sehen. Der Albtraum der Behörden ist eine Wiederholung der schweren Krawalle, die sich 2000 im Stadtzentrum von Istanbul ereigneten. Damals erstachen Türken vor einem Spiel von Galatasaray Istanbul gegen Leeds United zwei englische Fans. Spannungen zwischen beiden Fangruppen gibt es bis heute. Von Vorfreude auf ein Fußballfest kann bei den Behörden keine Rede sein. Alle Verantwortlichen werden froh sein, wenn das historische Spiel vorbei ist.“

NZZ: „Wieder aufflackernde Gewalt im spanischen Fußball“

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