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Marmorböden und Mahagoniholz

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Marmorböden und Mahagoniholz

Doping-Fall Daniel Gomez (Alemannia Aachen) – über den Werbewert westeuropäischer Stars auf dem asiatischen Markt – „Marmorböden und Mahagoniholz“ (NZZ): teure Träume über den Aufschwung in Katar – 2FC Bayschlaf“

Alemannia Aachen ist Probleme gewöhnt

Mathias Klappenbach (Tsp 3.12.) kommentiert den Doping-Fall Daniel Gomez (Alemannia Aachen): „In der 66. Minute jubelte der Fußballer, er hatte Alemannia Aachen gegen Nürnberg in Führung gebracht. Es blieb der einzige. Doch wenige Minuten später, als ein Wurfgeschoss den Nürnberger Trainer Wolfgang Wolf am Kopf traf und die Partie kurz vor dem Abbruch stand, redete keiner mehr über Daniel Gomez. Dafür aber jetzt. Der Franzose ist ein Dopingfall – als zehnter Spieler im bezahlten deutschen Fußball. In der A-Probe des 24-jährigen Stürmers war zwei Wochen zuvor, beim 2:0-Sieg gegen Bielefeld, das Kortisonpräparat Methylprednisolon gefunden worden. Auch in diesem Spiel hatte Gomez einen Treffer erzielt. Bielefeld hat nun Einspruch gegen die Wertung des Spiels eingelegt, dem Tabellenführer aus Aachen drohen Punktabzug und Geldstrafe (…) Alemannia Aachen ist Probleme gewöhnt. Der ehemalige Schatzmeister des Vereins steht wegen Betrugs vor Gericht, vor zwei Jahren konnte die Insolvenz nur mit Hilfe von Spenden und der freiwilligen Rückzahlung von Spielergehältern verhindert werden. Aus der vergangenen Saison ist vor allem die überstandene Krebserkrankung von Trainer Jörg Berger im Gedächtnis. Und jetzt, wo alles gut läuft, könnten zwei schon gewonnene Spiele für den Gegner gewertet oder wiederholt werden.“

Thomas Kilchenstein (FR 3.12.) wirft ein: „Derlei Verfehlungen treffen den Club gerade zu einer Zeit, da man dabei war, die Schlagzeilen zu verlassen, Schlagzeilen, in denen von Geldkoffern die Rede war, schwarzen Kassen und dubiosem Finanzgebaren handelnder Personen. Ganz im Gegenteil: Seriosität schien eingekehrt, gar Ruhe und Harmonie, mächtig wurde am Image gefeilt, die Kratzer poliert, auch weil in dieser Runde auf einmal viel stärker sportliche Aspekte in der Vordergrund rückten: Alemannia spielte erfolgreich Fußball. Davon wird nun nicht mehr gesprochen.“

Rainer Moritz (FTD 1.12.) ruft zur Räson: „Es gibt Begriffe in der Fußballberichterstattung, die kommen irgendwann auf, und mit einem Mal gilt es als schick, Pardon: chic, sie im Munde zu führen. Meist sind diese Vokabeln ausgesprochen dämlich, was man daran erkennt, dass sie von unangenehmen, kenntnisarmen Reportern wie Sauerbier angeboten werden. Die „Standardsituation“ zum Beispiel: Bereits das war ein kümmerlicher, vermutlich von Heribert Faßbender propagierter Notbegriff, der harmlosen Eck- und Freistößen eine geheimnisvolle Aura verlieh. Heute wirken selbst die „Standardsituationen“ altmodisch und müssen den „Standards“ weichen. Noch herrscht Uneinigkeit darüber, ob man dieses wichtigtuerische Wort englisch mit spitzem „st“ oder in korrekter deutscher Hochlautung auszusprechen habe. Meist führen die „Standards“ sowieso zu nichts. Nicht neu ist die „Chancenverwertung“, doch die Frequenz, mit der das Wort verwendet wird, hat ungemein zugenommen. Fast immer ist die „Chancenverwertung“ dürftig, schlecht oder unzureichend, was uninformierten Reportern die bequeme Möglichkeit gibt, das Versagen der Sturmspitzen erbarmungslos zu geißeln. Borussia Mönchengladbach, Hannover 96 – wie viele Tore hätten sie an diesem Wochenende schießen können, wäre nur die Chancenverwertung besser gewesen!“

Pavel Nedved ist vielleicht nicht der beste Fußballer, aber der beste Spieler

BLZ-Interview mit Pavel Kuka, dem ehemaligen tschechischen Nationalspieler, über das Wesen und die Stärke der tschechischen Nationalelf

BLZ: Herr Kuka, haben Sie heute schon Zeitung gelesen?

PK: Ja, klar.

BLZ: Und? Was steht in den Sportteilen der großen tschechischen Blätter?

PK: Die EM-Gruppenauslosung ist immer noch das Hauptthema. Heute zum Beispiel gab es in einer Zeitung einen großen Bericht über die deutsche Nationalmannschaft und zusätzlich zwei Porträts über Oliver Kahn und Michael Ballack, vor denen man viel Respekt hat.

BLZ: Fürchtet man in Tschechien noch andere deutsche Spieler?

PK: Man kennt die deutschen Spieler natürlich, weil ja viele Tschechen wie Koller oder Rosicky in der Bundesliga spielen. Aber man hat nicht mehr so viel Respekt wie früher. Man registriert genau, dass die Stars der Bundesliga nicht mehr unbedingt aus Deutschland kommen. Es gibt keine Namen mehr wie Matthäus, Brehme, Völler. Die Stars der Bundesliga kommen heute aus Brasilien oder Argentinien.

BLZ: Oder aus Tschechien.

PK: Ja, stimmt. Die vorherrschende Meinung hier in Tschechien ist: Wer so eine Nationalmannschaft hat wie wir momentan, der braucht vor niemandem Angst zu haben.

BLZ: Ist der Mittelfeldspieler Nedved die Verkörperung des tschechischen Fußballs? Er ist Supertechniker und Superkämpfer in einem.

PK: Es wäre schön, wenn man ihn den typischen tschechischen Spieler nennen könnte. Das würde heißen, dass alle so gut sind wie er, aber das wäre übertrieben. Er ist ein Weltklassemann, der vielleicht bald zum Weltfußballer des Jahres gewählt wird – und wir haben einfach Glück, dass er Tscheche ist.

BLZ: Ist er der beste Fußballer der Welt?

PK: Der beste Fußballer vielleicht nicht, aber der beste Spieler.

BLZ: Das müssen Sie erklären.

PK: Die größte Begabung ist wohl Zidane, vielleicht auch Ronaldo oder Rivaldo. Aber Nedved ist derjenige, der für seine Mannschaften den größten Wert hat – egal, ob für Juventus Turin oder für die Nationalelf, für Liga, Champions League oder Freundschaftsspiel: Er schießt immer Tore oder bereitet sie vor. Er bringt von allen Assen am meisten, und er bringt es fast immer.

BLZ: Ist es nicht gemein vom Schicksal, dass Sie nicht fünf oder acht Jahre jünger sind? Es wäre sicher ein Vergnügen, in so einer Elf zu stürmen.

PK: Oh, das wäre schon schön. Aber ich glaube, ich wäre nicht gut genug, um in dieser Elf zu spielen.

Marmorböden in der Eingangshalle, Mahagoniholz in der VIP-Lounge

Die NZZ (3.12.) bezweifelt, dass die Investitionen in Katar sich auszahlen werden: „Fussball in Katar ist etwas vom Seltsamsten, was die Branche zurzeit zu bieten hat. Teure Altstars, die von den Scheichs verpflichtet wurden, um Ehre für Katar einzulegen, kicken Seite an Seite mit Spielern der unteren Güteklasse, von denen Batistuta und Effenberg vermutlich nicht einmal den Nachnamen kennen. Während Effenberg brav das Niveau des Fussballs in Katar lobt, und jeden, der ihn in einer „Gurkenliga“ vermutet, als Ignoranten abstempelt, ist Batistuta weit ehrlicher. „In Europa spielen wir richtigen Fussball“, sagt er, die Kollegen in Katar dagegen würden ein wenig den Ball herumkicken. Katar zur WM 2006, wie sich das die Verbandsspitze erträumt? Batistuta schüttelt bei diesem Gedanken nur den Kopf. So etwas, sagt er, könne er sich beim besten Willen nicht vorstellen, dafür seien sie einfach nicht gut genug. Die Scheichs am Persischen Golf lassen sich durch solche Urteile nicht irritieren. Hier denkt man in grossen Dimensionen, was in der Hauptstadt Dauha überall zu sehen ist. In kaum einer Stadt wird so viel gebaut wie hier. Und viele der Grossprojekte haben mit Sport zu tun. Das Sadd- Stadion ist kürzlich abgerissen worden und soll vom 1.März 2004 an als völlig neue Arena auferstehen, in der alles vom Feinsten ist. Marmorböden in der Eingangshalle, Mahagoniholz in der VIP-Lounge: Man gönnt sich ja sonst nichts. Der Fussballverband wird schon bald sein neues Ausbildungszentrum einweihen. Dass in den sieben Mini-Stadien dieser „Football Academy“ praktisch der gesamte Nachwuchs des Mini-Staates Katar (640000 Einwohner, davon sechzig Prozent Ausländer) gleichzeitig trainieren könnte, stört niemanden. In der Nähe des Stadtzentrums wird in drei Schichten am Umbau des Khalifa- Stadions gerackert, in dem in drei Jahren die Asian Games 2006 eröffnet werden sollen, eine Veranstaltung, mit der die Scheichs endgültig ihr kleines, aber feines Reich einer staunenden Weltöffentlichkeit präsentieren wollen.“

Anne Scheppen (FAS 30.11.) prüft den Werbewert westeuropäischer Stars auf dem asiatischen Markt: „Seit der Fußballweltmeisterschaft, die Japan sich 2002 mit Südkorea teilen durfte, erfährt der englische Kicker-Gott Beckham im japanischen Werbehimmel wahrhaft paradiesische Behandlung. Mit fast acht Millionen Euro – so die Schätzungen fachkundiger Medien – wurde er im Juni zurück nach Nippon gelockt. Für dieses Salär bewarb das Ehepaar Beckham in fünftägigem Filmeinsatz die Schokoladen eines Konfektherstellers – und rückte den überschüssigen Kalorien sogleich mit einer Kampagne für eine Schönheitssalon-Kette zu Leibe. Die Ergebnisse der frühsommerlichen Werbetour sind jetzt im japanischen Fernsehen zu bewundern, wo sich David und Victoria in zwei Badewannen räkeln: Sie teilt sich ihre mit rosa Blumenblüten, er sich seine mit ledernen Fußbällen.Neben der Kultfigur Beckham sind inzwischen auch andere Fußballhelden ins Visier der Werbewirtschaft geraten. Während die Industrie bis vor wenigen Jahren vorwiegend nach Hollywood, auf die Filmbranche, schielte, findet sie ihre Stars heute mehr und mehr im Sport. Auch der deutsche Nationaltorhüter Oliver Kahn ist in Japan im Geschäft. Allerdings wurde er weniger gut beraten als sein Kollege aus Manchester/Madrid. Kahn dient einem Geldverleiher als Symbolfigur für Rechtschaffenheit, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit – jene Tugenden, die man in Japan gemeinhin mit Deutschland verbindet. Noloan wirbt mit dem Zero Man, der kein Tor zuläßt, so wie Noloan in der ersten Woche null Zinsen verlangt fürs verliehene Geld. (Dann schnellen die Zinsen allerdings um so heftiger nach oben.) Daß Kahn sich für Noloan in die Bresche wirft, hat einen Grund: Auch in Japan genießen Geldverleiher einen zweifelhaften Ruf, zumal in der wirtschaftlichen Depression, wo sich viele mit Schulden erst richtig ruinieren.“

NZZ: 20. Meistertitel der Boca Juniors

Rummenigge, Rummenigge all the afternoon

Peter Lückemeier (FAS 30.11.) stöbert im Wartezimmer: „Leserinnen! Können Sie Ihre Hand dafür ins Feuer legen, daß Ihr Mann Sie nicht betrügt? Wie? Er benutzt kein neues Eau de toilette, hat sich keine sündhaft teure Calvin-Klein-Unterwäsche zugelegt und auch nicht den Motorradführerschein gemacht? Außerdem verbringt er doch jeden Abend bei Ihnen zu Hause? Das mag ja alles sein, liebe Leserinnen, aber Sie kennen die Kalle-Rummenigge-Methoden nicht. Der Vizepräsident des FC Bayern war auch immer brav daheim und hatte dennoch eine Geliebte, eine Nachmittagsgeliebte. Vor vielen Jahren gab es einen Song mit dem Thema Rummenigge, Rummenigge all night long. Jetzt wissen wir, es hätte heißen müssen: all the afternoon. Seine langjährige Gattin Martina (46) erfuhr durch eine Reporterin der Zeitschrift die aktuelle an ihrer Wohnungstür von den ungenehmigten Nebentätigkeiten ihres Gatten, des Vaters ihrer fünf Kinder. Frau Rummenigge muß dann recht offen zu der Reporterin gesprochen haben: Ich habe es geahnt. Aber er ist mir immer ausgewichen. Du bildest dir das ein, hat er gesagt.In Wahrheit soll ihn seine Geliebte (immerhin schon 30) seit drei Jahren auf Reisen nach Lyon, Paris, London, Mailand oder zur WM nach Japan begleitet haben. Viele Menschen beim FC Bayschlaf (Bunte) müssen also mitbekommen haben, daß der Kalle genauso unartig war wie der Franz und der Ottmar und der Stefan und der Olli, aber keiner hat es seiner Frau erzählt. Viele Fragen drängen sich auf: Sollte man einer betrogenen Gattin die Wahrheit über ihren Mann stecken, oder wäre das taktlos? War es richtig von der Reporterin, Frau Rummenigge zu überrumpeln? Wie mag sich die junge Geliebte jetzt fühlen? Wie wird das Ehepaar die Krise meistern? Wie oft muß Herr Rummenigge, kam er von der Geliebten nach Hause, von Wahnsinnsattacken schwärzesten schlechten Gewissens gejagt worden sein? Staunend aber stehen wir dennoch vor dem Phänomen der Leidenschaft: Wie groß muß eine Geliebtenliebe, eine Liebesverrücktheit sein, wenn der Fußballmanager sogar, wie Bunte mutmaßt, beim Familienurlaub die Freundin in einem Hotel in der Nähe einquartierte. Ach, Männer…“

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