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Europas Fußball vom Wochenende in Zahlen NZZ

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Europas Fußball vom Wochenende in Zahlen NZZ

Besonders süße Revanche für das Vorjahr

Christian Eichler (FAZ 6.5.) gratuliert Manchester United zum Titel. „Mit dem gewaltigen Endspurt von vierzehn Siegen und drei Unentschieden in siebzehn Spielen fing es die Rivalen von Arsenal, einst mit zehn Punkten Vorsprung Tabellenführer, noch ab. Diese späte Wende war für Ferguson eine besonders süße Revanche für das Vorjahr, als sein ungeliebt kultivierter Rivale Arsène Wenger den Titel ausgerechnet mit einem Sieg in Manchester gewonnen hatte. Bis Anfang April dominierte Arsenal auch in dieser Saison die Premier League, doch dann brachte das überraschende Ausscheiden in der Zwischenrunde der Champions League einen Rückschlag, von dem sich das Team bisher nicht vollständig erholt hat. Nun bleibt dem taumelnden FC Arsenal nur noch die Hoffnung auf die Wiederholung des Pokalgewinns am 17. Mai gegen den FC Southampton. Manchester dagegen gehen gerade nun, da man so richtig ins Rollen gekommen ist, die Aufgaben aus. Die Mannschaft, am Anfang der Saison durch Operationen von sieben Spielern geschwächt, nun aber kerngesund, strotzt vor Kraft und Spiellaune. Doch nach dem Schaulaufen am letzten Spieltag in Everton nächsten Sonntag muß der Meister seine Topform mit in den Urlaub nehmen. Denn nach dem künstlerisch wertvollen Ausscheiden gegen Real Madrid findet das Saisonfinale im Old Trafford, das Endspiel der Champions League, ohne die Hausherren statt.“

Überheblichkeit

Martin Pütter (NZZ 6.5.) erklärt die Erfolgsursachen Manchesters. „Die Entscheidung in der Premier League fiel auf bezeichnende Weise. Ohne selber gespielt zu haben, gewann Manchester United am Sonntag die englische Meisterschaft, weil Arsenal mit der 2:3-Heimniederlage gegen Leeds United die letzte, allerdings nur noch geringe Chance vergab. Doch „Arsenal verpackte den Titel für die United“, schrieb die Times gestern unter der Überschrift „Das Geschenk“. Dazu war die Trophäe abgebildet, verpackt in einem Karton, auf dem stand: „An Alex von Arsène. Zurück an den Absender.“ Das Blatt steht mit dieser Meinung nicht alleine da. Der achte Triumph in der Premier League von ManU innerhalb von elf Jahren war mehr auf den Leistungseinbruch der „Gunners“ während der vergangenen zwei Monate als auf die Qualität der unbestreitbar konstanten „Red Devils“ auf nationaler Ebene zurückzuführen. Noch Anfang März hatten die Londoner, mit einem Spiel gegenüber dem Rivalen von Old Trafford im Rückstand, acht Punkte vor diesem gelegen. Aus den letzten sieben Partien gewann das Team Wengers allerdings nur noch 9 Punkte – ManU brachte es im gleichen Zeitraum auf deren 19. Der einzige Punktverlust resultierte dabei im Direktkampf (2:2), doch die Mannschaft von Sir Alex Ferguson hätte auf Grund ihrer Überlegenheit auch diesen Match deutlich gewinnen müssen. Im spielerischen und kämpferischen Bereich sind die Unterschiede zwischen dem Duo Mannschaften, das seit 1994 (Blackburn Rovers) die Meisterschaft unter sich ausgemacht hat, vernachlässigbar gering. Die Differenz lag demnach mehr im mentalen Bereich. Das erkannten auch beide Manager, allerdings auf unterschiedliche Weise. Für Arsène Wenger war das Ausscheiden aus der Champions League verantwortlich für das frappierende Nachlassen. „Das hatte im Kopf der Spieler etwas getötet, und davon haben sie sich nicht erholt“, sagte der Elsässer letzten Freitag. Laut Ferguson lagen die Erfolgsursachen in „unserer Hartnäckigkeit und Entschlossenheit auf der Basis grosser individueller Fähigkeiten. Wir gaben nie auf, und das brachte uns den Erfolg.“ Der grösste Teil der Motivation kam allerdings aus einer Trotzreaktion heraus. Als Arsenal mit begeisterndem Offensivfussball das erste Saisondrittel dominierte und der französische Coach sich zur Überheblichkeit hinreissen liess, erzürnte dies United und ihre Verantwortlichen, die von den Medien zu früh abgeschrieben wurden.“

Der zerknirschte Fußballprofessor aus dem Elsass

Raphael Honigstein (taz 6.5.) fasst die Reaktionen der beiden Trainerrivalen zusammen. „Wenger, der mit seinem Team die Tabelle noch Anfang März mit derselben Differenz angeführt hatte, gab bitter enttäuscht zu bedenken, dass er in den letzten Wochen auf eine ganze Reihe von Stammspielern verzichten musste und hatte ansonsten wie immer seine Probleme mit dem Verlieren: Wir haben den Titel verloren. Ich denke aber, dass wir das beste Team der Liga sind. In der Tat hatten die Londoner lange Zeit Angriffs-Fußball von atemberaubender Qualität gezeigt – bis ihnen nach dem Champions-League-Aus auch in der Liga die Luft ausging. Das sensible Künstlerensemble lebte von dem Glauben an die eigene Brillanz, als sich Zweifel einschlichen, fehlte Plan B. Anders als United konnte der Vorjahres-Meister Siege nicht durch Kampf und Willen gewinnen. Ob United es verdient hat? Der zerknirschte Fußballprofessor aus dem Elsass ist sich nicht sicher. Sie waren bestimmt nicht überragend, aber konstant. Und sie haben rechtzeitig zu ihrer Form gefunden. United spielte bis zum Frühjahr eine äußerst mittelmäßige Saison, doch im entscheidenden Moment bewies das Team seine Siegermentalität: 15 der vergangenen 17 Spiele entschieden die Red Devils für sich. Ferguson konnte so hochzufrieden die heroische Aufholjagd und den fantastischen Mannschaftsgeist seiner Spieler loben und leicht boshaft die triumphalistischen Aussagen der Arsenal-Führung in Erinnerungen rufen: Wir dagegen sind ruhig geblieben und haben unsere Arbeit gemacht.“

Wie Schauspieler in einer populären Serie

Georg Bucher (NZZ 6.5.) meldet aus Madrid. „Seltsame Szenen spielten sich am Freitag in der spanischen Kapitale ab. Ein Paar, das David Beckham und seiner Frau Victoria täuschend ähnlich sieht, kickte auf der Strasse vor dem Bernabeu-Stadion und wurde von Autogrammjägern umlagert. Eingefädelt hatte das Verwirrspiel mit Doppelgängern eine englische Zeitung in der Absicht, Beckhams möglichen Wechsel nach Madrid auszuschlachten. Dankbar für die Kurzweil, fühlten sich Passanten wie Schauspieler in einer populären Serie. Dass der Präsident Florentino Pérez pro Jahr einen Weltstar verpflichtet hat, erst Figo, dann Zidane und zuletzt Ronaldo, gab den Gerüchten um den „Spiceboy“ noch Auftrieb. Spanische Blätter sehen eher den wirtschaftlichen als einen sportlichen Hintergrund. So schrieb Don Balón, Beckham sei der ideale Werbeträger für jedes Unternehmen mit globalen Ambitionen, in Asien bekannter als Michael Jackson und Tiger Woods. Im August fliegen die Madrilenen nach China, Japan und Malaysia, wo sie für vier Spiele acht Millionen Euro erhalten. Wichtiger ist die Imagekampagne – mit britischem „Botschafter“? Zehn Millionen Euro werfen die drei Fanartikel-Shops in Madrid jährlich ab, ein landesweites Netz befindet sich im Aufbau, und auch in Südamerika zieht die Marke. Real profitiert dort von der kolonialen Vergangenheit wie ManU in Asien. Weil der asiatische Markt aber höhere Einnahmen verspricht, will man hier den Hebel ansetzen.“

Gewinnspiel für Experten

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